Nahverkehr:"Wenn du in München als Busfahrer arbeiten kannst, kannst du das überall"

Nahverkehr: Neue Busfahrer bei der MVG: Nicolai Naumov (links), Salar Osman (rechts) und im Bus Iskendar Ali.

Neue Busfahrer bei der MVG: Nicolai Naumov (links), Salar Osman (rechts) und im Bus Iskendar Ali.

(Foto: Catherina Hess)
  • Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund werden bei der MVG zu Busfahrern ausgebildet.
  • Die Stadtwerke München haben sie gezielt für das deutschlandweit einzigartige Pilotprojekt angeworben.

Von Andreas Schubert

In seinem Heimatland Syrien war Salar Osman Krankenpfleger. Dann ist er vor dem Krieg geflüchtet und schließlich in München gelandet. Inzwischen spricht der anerkannte 29 Jahre alte Asylbewerber fließend Deutsch, wenn auch mit starkem Akzent. Und über den Krieg will er nicht so gerne reden. Auch nicht darüber, ob er irgendwann wieder in die Heimat zurückkehren will. Lieber sagt er Dinge wie "Deutschland ist mein zweites Heimatland." Und dass er sich freue, bei den Stadtwerken eine sichere Arbeitsstelle gefunden zu haben.

Jetzt macht Osman eine Ausbildung zum Busfahrer. Er ist einer von 36 angehenden oder bereits ausgebildeten Fahrern mit Migrationshintergrund, die die Stadtwerke München (SWM) gezielt angeworben haben. Die SWM bilden Geflüchtete und andere Menschen mit Migrationshintergrund aus. So decken sie ihren Bedarf an Fahrern - gleichzeitig wollen die SWM so ihren Beitrag zur Integration leisten.

Das Kooperationsprojekt mit dem Jobcenter München und den Beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Wirtschaft (BFZ) ist im vergangenen Jahr gestartet. Von den damaligen Auszubildenden sind inzwischen zwei als U-Bahnfahrer und fünf als Busfahrer fest übernommen. Neun weitere Kollegen sind noch in Ausbildung, die nächsten 20 starten demnächst damit.

Am Dienstag haben die Kooperationspartner das Projekt offiziell vorgestellt und als Erfolgsgeschichte gepriesen. "Man wird Teil der Gesellschaft, wenn man Arbeit hat", sagte der SWM-Personalchef Werner Albrecht. "Das, was wir tun, ist eine beschwerliche, aber auch eine lohnende Arbeit." Lohnend für die neuen Mitarbeiter, die in München einen krisensicheren Job bekommen - und lohnend für die Stadtwerke, die für ihre Tochtergesellschaft MVG händeringend neue Bus- und U-Bahnfahrer sucht.

Das Angebot, bei der Münchner Verkehrsgesellschaft anzufangen, bringt Menschen, deren frühere Ausbildung in Deutschland oft nicht anerkannt wird, relativ zügig ins Berufsleben zurück. Die Ausbildung geht mit etwa vier Monaten relativ schnell über die Bühne und wird bereits voll bezahlt. Voraussetzungen für Bewerber - eine der größten Hürden - sind Deutschkenntnisse auf dem Niveau B 1 - also vertiefte Grundkenntnisse. Als Fahrer brauchen sie dann die nächste Sprachstufe, um sich mit den Fahrgästen sowie mit der Leitstelle verständigen zu können. Das bedeutet: 400 Stunden Sprachunterricht. Und Salar Osman räumt ein, dass das sehr schwierig für ihn war.

Ein Beruf mit viel Verantwortung

Nicht zum ersten Mal erklärte MVG-Chef Ingo Wortmann, dass man nur mit neuen Mitarbeitern den Ausbau des MVG-Angebots bewältigen könne. Dabei sei Fahrer nicht nur irgendein Job, sondern ein Beruf mit viel Verantwortung. Das Anwerben potenzieller Fahrerinnen und Fahrer übernimmt das Jobcenter, unterstützt vom BFZ. Dann finden sogenannte Clearing-Tage statt, bei denen die Bewerber die MVG kennenlernen und einen Spracheinstufungstest absolvieren können. Es folgt ein zwölf Wochen dauernder, berufsbezogener Deutschkurs, bei dem auch Fachtermini gelehrt werden, sowie ein ebenfalls zwölfwöchiges Praktikum. Dann beginnt die eigentliche Ausbildung inklusive Sprachkurs, an deren Ende dieselbe Prüfung ansteht wie für die deutschsprachigen Teilnehmer.

Anette Farrenkopf, Geschäftsführerin des Jobcenters, betont ausdrücklich, dass die Kurse nicht nur für Geflüchtete gedacht sind, sondern für alle Menschen mit Migrationshintergrund, die einen Job suchen. Das Jobcenter zahlt den Lebensunterhalt der Projekt-Teilnehmer während der Bewerbungs- und Orientierungsphase so lange, bis sie den unterschriebenen Ausbildungsvertrag in der Hand halten.

Für Nikolay Naumov war die Ausbildung zum Busfahrer nicht allzu schwierig. Der studierte Betriebswirt arbeitete bereits in der russischen Stadt Saratow als Busfahrer, später als Lastwagen-Fahrer. Da habe sich das Programm angeboten. Den Führerschein musste er in München dennoch neu machen - und auch mit Deutsch fing er, wie er sagt, "fast bei Null" an. Seit November ist der 34-jährige Familienvater fest als Fahrer angestellt. Und über seinen Job meint er: "Wenn du in München als Busfahrer arbeiten kannst, kannst du das überall."

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