Nahverkehr rund um München:Wie sich der Streik auf Autofahrer auswirkt

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An die ständigen Streiks bei der Bahn haben sich die Pendler offenbar gewöhnt. Die einen nutzen routiniert den Notfahrplan, andere steigen auf alternative Verkehrsmittel um. Nur die Staus zehren an den Nerven.

Von Marco Völklein

Nicht nur für viele Fahrgäste, auch für die Beschäftigten der Deutschen Bahn ist der Streik der Lokführer mittlerweile fast schon zur Routine geworden. Bei den ersten Arbeitsniederlegungen im Sommer hatte Sandra Bobic, die für den Konzern den Kundendialog managt, noch zahlreiche Zusatzkräfte zu sich in das Callcenter der Bahn an der Donnersbergerbrücke geholt. "Sogar viele Führungskräfte saßen am Telefon", erzählt sie. Andere Mitarbeiter ließen sich die Anrufe von Bahnkunden nach Hause umleiten, um sie dort zu beantworten. "Unsere Technik kann das." Etwas mehr als tausend Anrufe kamen da am Tag rein.

Doch mittlerweile sei es ruhiger, sagt Bobic. Sehr viel ruhiger. Am Donnerstagvormittag zum Beispiel zählte sie 200 Anrufe. "Vor allem Menschen ohne Internetzugang melden sich." Alle anderen hätten gelernt, mit dem Notfahrplan der Bahn umzugehen. Viele schauen ins Internet oder auf ihren Smartphones nach und sehen, dass etwa jeder dritte Zug fährt. Mit verbeamteten Lokführern und Mitarbeitern, die dem Streikaufruf der Lokführergewerkschaft GDL nicht folgen, lässt sich zumindest ein Rumpfangebot aufrecht erhalten. Bei der S-Bahn rollt laut Bahn auf allen Linien mindestens alle 60 Minuten ein Zug.

Vielmehr noch: Weil sich offenbar weniger Lokführer als angenommen an dem Ausstand beteiligen, gelingt es dem Konzern, zusätzliche Züge und S-Bahnen ins Netz zu schicken, wie Bahnmanager Siegfried Merkl sagt. Er hat zusammen mit seinen Leuten in den vergangenen Tagen den Notfahrplan für Bayern erarbeitet. Waren Merkls Disponenten bei den ersten Streikaktionen der GDL im Sommer noch weitgehend überrascht worden, konnten sie sich nun auf den Vier-Tage-Streik vorbereiten. Kollegin Bobic konnte so am Telefon die Fahrgäste "ein bisschen beruhigen", sagt sie. "Irgendetwas fährt schon."

Allerdings eben deutlich weniger als an anderen Tagen. Und so ist es auch am Hauptbahnhof eher ruhig am Donnerstagmittag. Viele Bahnkunden scheinen sich auf den Streik eingestellt zu haben - "dass der kommen wird, war ja auch nicht zu übersehen und zu überhören, so laut und umfassend wie alle Medien darüber berichtet haben", sagt ein Mann am Gleis 19. Er will gleich nach Augsburg, hat sich nach eigener Auskunft rechtzeitig im Internet informiert. Und hofft nun, dass der angekündigte Zug auch gleich losfährt. Am Morgen jedenfalls, als er von Augsburg nach München gefahren war, da habe alles "bestens funktioniert".

Eigentor

Streik nervt. Er macht schlechte Laune, unausgeschlafene Kollegen und unter Umständen auch einen ausgewachsenen Muskelkater, wenn man erstmals seit Monaten notgedrungen wieder auf das Fahrrad steigt. Wegen des Ausstands tobende Ticketbesitzer vergessen in ihrer Wut und Verzweiflung nur allzu schnell: Wer der Gewerkschaft GDL zum Trotz im Führerhäuschen der S-Bahnen und Fernzüge Platz nimmt, leidet ebenso unter den Auswirkungen des Streiks wie alle anderen Fahrgäste auch. Und auch die übrigen Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) bekommen die Auswirkungen zu spüren, seien es Angestellte im Service oder in der Leitstelle, die ja ebenfalls irgendwie zu ihren Arbeitsplätzen kommen müssen - und dabei eigentlich auf die Züge ihres Arbeitgebers angewiesen sind. Eine Münchner Sprecherin der Bahn etwa erklärte, dass sie es am Donnerstagmorgen nur dank des Notfahrplans an ihren Schreibtisch geschafft habe. Sie machte es wie viele andere Betroffene: Sie stand früher auf und informierte sich vorab im Internet, wie sie am besten fahren kann. Wie viele Bahn-Mitarbeiter wegen des Streiks zu spät zur Arbeit erschienen, war nicht zu erfahren. Einige haben sich aber bestimmt auch einen Muskelkater eingefangen. ack

"Was angekündigt wird, fährt auch", berichten auch andere Kunden und sind mitunter verwundert, dass sogar noch Sitzplätze frei sind. "Das hat mich jetzt wirklich überrascht", sagt ein Fahrgast. Dass weniger los ist, bekommen auch die Geschäfte zu spüren. "Wir machen nur halb so viel Umsatz wie sonst", klagt Mohammed Basman, Pächter eines Bäckerstandes.

Anders dagegen geht es auf den Straßen zu. Viele Pendler scheinen von der Bahn auf das Auto umgestiegen zu sein. So registrierte der Navigationsgerätehersteller Tomtom am Donnerstag zwischen 8 und 10 Uhr mehr als 290 Kilometer Stau oder stockenden Verkehr im Großraum München.

Zum Vergleich: Am Donnerstag vor einer Woche summierten sich die Staus in diesen zwei Stunden nur auf 57 Kilometer. Zum Feierabendverkehr an diesem Donnerstagabend war dann erneut Geduld gefragt, auf 301 Kilometern staute sich der Verkehr gegen 18 Uhr in und um München. Tomtom sammelt anonymisierte Daten von zahllosen Navi-Geräten. So hat das Unternehmen in Berlin stets einen guten Überblick darüber, wie sich die Verkehrslage aktuell darstellt. Hinzu kam allerdings auch noch der Schneeregen, der weitere Probleme verursachte.

Deutlich mehr Betrieb herrscht auch am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) an der Hackerbrücke. Viele steigen auf die Fernbusse um. Vor allem die Fahrten nach Berlin oder Nürnberg sind begehrt. Die Busse der Anbieter Flixbus oder Meinfernbus sind voll besetzt, die Anbieter reiben sich die Hände, vermelden Rekordumsätze. "Gestern kamen zeitweise über dreißig Leute auf einmal und wollten buchen, heute ist es eher ruhiger", sagt eine Angestellte am Flixbusschalter am ZOB.

Ebenfalls profitieren will ganz offensichtlich auch die Bahn-Konkurrenz: Die Bayerische Oberlandbahn (BOB) kündigte an, an diesem Wochenende zusätzliche "Meridian"-Züge auf der Strecke München-Rosenheim-Salzburg einzusetzen. Damit soll das Angebot auf der stark genutzten Strecke verstärkt werden. Das Unternehmen hatte erst im vergangenen Jahr der Deutschen Bahn den Auftrag zum Betrieb der Strecke abgejagt - dann aber zum Start im Dezember 2013 mit massiven Problemen zu kämpfen gehabt.

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