Nahverkehr:Riesiger Verkehrsverbund geplant

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  • Von Garmisch bis nach Ingolstadt, von Dillingen bis Altötting: Mehrere Kommunen in Schwaben, Ober- und Niederbayern wollen einen riesigen Verkehrsverbund schaffen.
  • Irgendwann soll auch ein einheitlicher Tarif für Busse und Bahnen gelten.
  • Der Vorteil: Wer von Ingolstadt nach München pendelt, muss künftig nicht mehr drei verschiedene Tickets kaufen.

Von Marco Völklein

Die Städte München, Augsburg, Rosenheim, Ingolstadt, Landshut und Kaufbeuren sowie die zahlreichen Landkreise und Gemeinden darum herum wollen beim öffentlichen Nahverkehr enger zusammenrücken.

Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss haben die insgesamt mehr als 70 Kommunen am Dienstag getroffen. Sie haben sich im Verein "Europäische Metropolregion München" (EMM) zusammengeschlossen; der EMM-Raum reicht von Eichstätt im Norden bis Garmisch im Süden, von Dillingen an der Donau im Westen bis Altötting im Osten.

Ziel ist es, einen gemeinsamen Verkehrsverbund mit einem gemeinsamen Tarif für Busse und Bahnen für die gesamte Region zu schaffen, in der gut 5,6 Millionen Menschen auf einer Fläche von 25 000 Quadratkilometer leben.

Bis es allerdings so weit sein wird, dürfte es noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern. Denn bislang existieren neben dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) weitere Verbünde - unter anderem der AVV in Augsburg oder der INVG in Ingolstadt.

Fast unlösbare Mammutaufgabe

Jeder dieser Verbünde hat bislang sein eigenes Tarifgefüge. Und jeder achtet peinlichst darauf, dass er bei einem eventuellen Zusammengehen nicht übervorteilt wird. Daher ist ein gemeinsamer Großtarif für die gesamte Metropolregion mehr als ein Großprojekt. Es ist eine fast unmöglich lösbare Mammutaufgabe.

Nahverkehr um München
:Über den Rand hinaus

Das MVV-Gebiet wächst. Bald gehört auch der "Filzenexpress" zum Münchner Tarifverbund. Doch das ist nur eine winzige Erweiterung im Vergleich zu dem, woran die Verkehrsplaner derzeit tüfteln.

Von Marco Völklein

Dennoch wollen die EMM-Leute es angehen - allerdings Schritt für Schritt, Stück für Stück. So haben die EMM-Mitglieder am Dienstag einstimmig beschlossen, in den kommenden Jahren einen gemeinsamen "Dachtarif" einzuführen, der quasi über die bestehenden Tarife von MVV, AVV, INVG und anderen gelegt wird.

Der Vorteil: Wer zum Beispiel von Ingolstadt nach München pendelt, muss künftig nicht mehr drei verschiedene Tickets kaufen (nämlich eines für die Busfahrt im INVG zum Ingolstädter Bahnhof, eines für die Fahrt mit der Deutschen Bahn zum Münchner Hauptbahnhof und eines vom MVV für die Fahrt mit Bussen und Bahnen innerhalb der Landeshauptstadt).

Für einen solchen Pendler käme vielmehr ein gemeinsamer Fahrschein des neuen Dachtarifs infrage, mit dem er alle Verkehrsmittel von seiner Haustür in Ingolstadt bis zur Zieladresse in München und wieder zurück nutzen könnte.

Das Ziel: "Barrieren abbauen, Schwellen senken, den Komfort erhöhen", sagt Arne Beck von der Beratungsfirma Civity Management Consultants, die im EMM-Auftrag eine erste Machbarkeitsstudie erarbeitet hat.

Wie viel ein solches Ticket kosten würde? Das kann derzeit noch keiner sagen. Die EMM-Planer wie auch die Gutachter stehen erst am Anfang. Der Vorteil ist aber: Im Gegensatz zum "großen Gemeinschaftstarif" für die gesamte Metropolregion wäre der Dachtarif nach Ansicht der Gutachter "in einem relativ kurzen Zeitraum von wenigen Jahren umsetzbar", so Gutachter Beck.

Kritik von Pro Bahn

"Möglicherweise vor Ende des Jahrzehnts." Nun will der EMM-Verein bei seinen Mitgliedern zunächst einmal Geld auftreiben - laut dem Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU) ist ein sechsstelliger Betrag nötig -, um dann in die "Grob- und die Feinplanung einzusteigen" für den Dachtarif, so Göbel.

Allerdings räumen die Gutachter auch ein, dass das Fahrgastpotenzial für einen solchen Tarif nicht allzu hoch ist. Von den gut drei Millionen Fahrten, die täglich innerhalb des EMM-Raums stattfinden, gehen gerade einmal 150 000 über die Grenzen der diversen Verbünde hinaus.

Ein gemeinsamer Tarif alleine werde kaum dazu führen, Autofahrer im großen Stil zum Umstieg auf Busse und Bahnen zu bewegen. Daher sei es nötig, nicht nur am Tarif zu werkeln, sondern "flankierende Angebotsanpassungen" vorzunehmen, wie MVV-Chef Alexander Freitag sagt. Sprich: Die Politik müsse Geld bereitstellen, um zusätzliche Busse loszuschicken sowie Trassen für U-, S-, und Trambahnen zu bauen.

Das fordern auch viele Fahrgast- und Umweltverbände. Und sie begrüßen den grundsätzlichen Willen, den Nahverkehr auszubauen. Allerdings fragen sie sich zugleich, ob der EMM-Verein dafür den richtigen Rahmen bietet.

Die Beratungen finden dort "hinter verschlossenen Türen" statt, sagt Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn, alles sei "absolut intransparent". Sollte das Feinkonzept irgendwann mal stehen und damit auch klar sein, welche Fahrgastgruppen wie profitieren (oder auch nicht), werde die EMM "in eine breite Diskussion" einsteigen, verspricht Herbert König, Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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