Nahverkehr:Reform des MVV-Tarifsystems könnte sich um ein Jahr verzögern

Zwischen den Stationen Hackerbrücke und Isartor fuhren auf der sogenannten Stammstrecke zunächst keine Züge

Auf ein neues Tarifsystem müssen Fahrgäste in München wohl noch länger warten.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Die für Dezember 2018 geplante Reform des Ticket-Systems des MVV könnte sich um ein Jahr verzögern.
  • Die Verhandlungspartner streiten sich derzeit vor allem um die künftigen Preise.
  • Beispielsweise soll ein Flatrate-Ticket für den Münchner Innenraum laut Bahn künftig 64,50 Euro kosten. Der Stadt ist das zu teuer.

Von Andreas Schubert

Der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) plant die ganz große Reform: Das komplette Ticket-System soll einfacher werden. Und eigentlich soll die Umstellung bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember 2018 wirksam werden. Doch wie es aussieht, könnte sich das Ganze noch um ein weiteres Jahr verzögern. Knackpunkt könnte die Höhe der künftigen Tarife werden, über die sich die Verhandlungspartner noch nicht ganz einig sind. Und wenn sie sich das nicht bald werden, ist es für eine Umsetzung der Reform 2018 zu spät: Ein Jahr Vorlauf braucht es laut MVV auf jeden Fall, damit die Verkehrsbetriebe ihre Software für die Tickets umstellen können.

Wie Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Dienstag hat anklingen lassen, wird es wohl schwierig, dass sich bis zum Stichtag 24. November, an dem die Reform beschlossen werden soll, noch eine Einigung erzielen lässt, das bekräftigt auch sein Stellvertreter Josef Schmid (CSU). Man habe sich in der Stadt darauf verständigt, so Schmid, dass man einen Teil der Fahrgäste nicht überproportional belasten darf. München sei bei seinen Lebenshaltungskosten schon teuer genug.

Ein strittiger Punkt ist die sogenannte Flatrate für den Münchner Innenraum, die die bisherigen vier Ringe des Zeitkartentarifs ersetzen soll. Der von der Bahn vorgeschlagene Preis von 64,50 Euro ist den Vertretern der Stadt zu hoch. Dass dieser Streit den Zeitplan über den Haufen wirft, scheint für die Beteiligten das kleinere Übel zu sein: Schmid betont, man wolle nichts überstürzen und lieber eine Reform, von der möglichst viele profitieren und einige nicht zu sehr belastet werden.

Auch der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU), der Sprecher der Landkreise im Verbundgebiet, sagt, es gelte "Sorgfalt vor Eile". Auch er meint, mit einer Einigung könnte es knapp werden. "Wir werden keinem faulen Kompromiss zustimmen", sagt er. "Bei der Reform haben wir nur einen Schuss, und der muss sitzen."

Ein Volltreffer muss sie vor allem deshalb werden, weil sich die MVV-Gesellschafter davon eine höhere Akzeptanz des öffentlichen Nahverkehrs erhoffen. Sie denken dabei auch an sozial schlechter gestellte Menschen. Bisher gilt das günstige Sozialticket, die Isarcard S, nur in Stadt und Landkreis München. Finanziert wird sie aus den jeweiligen Kommunalhaushalten, also aus Steuergeld. Künftig soll das Ticket auch in den übrigen sieben Landkreisen gelten, diese aber lehnen eine Finanzierung über ihre Etats ab. Und vom Freistaat, so teilt das Innenministerium mit, ist als Ausgleich kein Geld zu erwarten.

Seinen Landkreis würde das Ticket 500 000 Euro kosten, schätzt Niedergesäß. "Das ist im Kreishaushalt schon eine Menge Geld." Würde man die Ermäßigung für alle Kreise auf die Tickets umrechnen, würde das die Einzelfahrkarte gerade mal um zehn Cent teurer machen, eine Monatskarte um etwa 90 Cent bis 1,40 Euro, sagt er. "Das Sozialticket ist nicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt", sagt Niedergesäß. MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag sieht es dagegen kritisch, die Fahrpreise anzuheben, um das Sozialticket zu finanzieren: "Der ÖPNV-Tarif ist kein Mittel der Sozialpolitik." Das Modell von Stadt und Landkreis München sei das "strategisch richtige". Insgesamt würde die Isarcard S Mindereinnahmen von etwa zehn Millionen Euro verursachen.

Es gibt also Klärungsbedarf. Fest steht nur: Die Gesamteinnahmen von derzeit etwa 900 Millionen Euro dürfen nicht geringer werden. Im Gespräch ist in der Gesellschafterrunde auch, dass sich Neues wie die Ausweitung des Innenraumes oder verbesserte Ausbildungstickets zunächst durch eine Anschubfinanzierung auffangen lassen und dass diese im Laufe von etwa fünf Jahren durch gemäßigte Tariferhöhung refinanziert wird.

Das würde funktionieren, wenn ein einfaches und transparentes Tarifsystem wirklich mehr Fahrgäste bringt und so allein durch die Masse der MVV mehr Einnahmen verbucht. Dies sollten auch die Verkehrsunternehmen bedenken, die sich vor Verlusten fürchten, rät Landrat Niedergesäß. "Ich würde mich hier über mehr Mut freuen."

Sollte sich die Umsetzung der Tarifstrukturreform wegen der finanziellen Details um ein Jahr verschieben, würde das MVV-Chef Freitag durchaus bedauern. Dennoch sei man schon sehr weit gekommen: Was auf jeden Fall nächstes Jahr komme, sind Zeitkarten fürs Handy und aufladbare Chipkarten, zur Not eben für das alte Tarifsystem. Auch die streckenbedingte, automatische Abrechnung per Smartphone werde erprobt. Und am 24. November werde man sicher die Systemreform beschließen, inklusive der Abschaffung der Sperrzeit bei Seniorentickets und der Einführung der Innenraum-Flatrate. Über die Preise wird dann noch zu reden sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: