Nackt vor der Kamera:Erotik fürs Ego

Nackte Haut und andere Wahrheiten: Ein Fotograf und zwei Models erzählen, warum es so reizvoll ist, sich vor der Kamera auszuziehen.

Susanne Krause, SZ-Jugendseite

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Susanne Krause ist 20 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

Nackt vor der Kamera: 2007 ist Katja zur Miss Moped gewählt worden. Auch heute noch lässt sich die junge Frau, die derzeit im Landkreis München wohnt, am liebsten auf und neben Motorrädern fotografieren.

2007 ist Katja zur Miss Moped gewählt worden. Auch heute noch lässt sich die junge Frau, die derzeit im Landkreis München wohnt, am liebsten auf und neben Motorrädern fotografieren.

(Foto: Foto: Florian Schmidt/oh)

Nathalie (alle Namen von der Redaktion geändert) wirft mit nacktem Oberkörper Federn in die Luft. Ein Mausklick weiter: Sie streicht sich mit einer Rose über das Dekolleté. "Für mich ist es eine Art von Bestätigung, wenn ich mich so fotografieren lasse und andere Menschen es schön finden", sagt die 20-Jährige aus dem Landkreis Ebersberg über ihre Facebook-Bildergalerie.

Man kann noch ein paar Mal klicken, um Nathalie zu sehen: mal nur mit einer Halskette bekleidet, mal in Spitzenkorsage. Ebenfalls nur einen Mausklick entfernt: ihr ganzer Name und ihre Adresse. Wer Mitglied im Netzwerk Germany war - und das sind immerhin mehrere hunderttausend -, konnte sich Nathalie mehrere Monate lang nackt ansehen.

Nathalie ist nicht alleine. Wohin man auch blickt: So wenig wie möglich, das ist der einzige Modetrend, der sich seit Jahren hält. Dass nackte Haut sich gut verkauft, wird kaum jemand bezweifeln. Was allerdings auffällt: Es gibt erstaunlich viele Jugendliche, die sich entblättern, ohne einen Cent daran zu verdienen - unter anderem vor Menschen wie Stefan.

Der 21-Jährige aus dem Münchner Westen ist Fotograf. Vor einem Jahr bat eine Freundin den Hobby-Fotografen um einen Gefallen. Ihr Freund war kurz davor, ein Jahr nach Amerika zu gehen; als Erinnerung an sich und ihren Körper wollte sie ihm erotische Bilder schenken.

Der junge Fotograf willigte ein, es folgten drei weitere Shootings mit Mädchen aus dem Bekanntenkreis. Er verlangt kein festes Honorar, bittet seine Kundinnen lediglich um "so viel, wie sie geben können". Waren die ersten Aktfotos noch ein "Experiment" und eine Möglichkeit, sich "fotografisch weiterzuentwickeln", merkte Stefan bald, dass ihn diese Art von Shootings künstlerisch eigentlich nicht interessiert. Was blieb, war eine Dienstleistung.

Miss Moped

Stefan hat nie Werbung gemacht. Alle Shootings sind durch Mundpropaganda zustande gekommen. Vertrauen erweckt der junge Mann wahrscheinlich gerade, weil er nicht wie jemand wirkt, der in seiner Freizeit nackte Mädchen ablichtet. Freundlich und etwas unscheinbar ist er, hin und wieder zitiert er Lebensweisheiten seiner Mutter. Die eigene Freundin hat er noch nie nackt fotografiert - und möchte auch keine Aktaufnahmen von ihr geschenkt bekommen.

Seine Modelle fotografiert Stefan in ihrem alltäglichen Umfeld: Sie, in Unterwäsche, mit einer Teetasse am Fenster. Die Bilder stellen nie Situationen dar, in denen es völlig abwegig wäre, leicht bekleidet oder nackt zu sein. Die meisten Akte findet der 21-Jährige "furchtbar vulgär".

Bis jetzt waren die Fotos immer als Überraschung für die Freunde der Mädchen bestimmt. Stefan betont, er sei unschuldig daran, dass die Beziehungen in drei von vier Fällen inzwischen gescheitert sind. Fakt ist dennoch: Nicht jeder Partner war begeistert, dass ein anderer Mann Nacktfotos der Freundin gemacht hat. Dabei hat Stefan gerade eines bei den Foto-Shootings überrascht: Für ihn ist dabei nichts Sexuelles im Spiel. Beim Fotografieren habe er einen objektiven, seltsam kühlen Blick, sagt er.

In Dessous - oder ohne

Seine Schilderungen erwecken den Eindruck, als ändere sich die Situation auch für die Mädchen immer dann, wenn Stefan eine Kamera vor der Nase hat. Oft seien die Models während des Posierens für die Bilder recht selbstbewusst, sagt er. Sobald Stefan die Kamera sinken lässt, würden sie jedoch unsicherer - als wäre bloße Nacktheit etwas viel Intimeres als Nacktheit für ein Foto.

Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper wurde nicht angesprochen - dennoch konnte der Fotograf sie sehr oft wahrnehmen. Eines der Mädchen schien sogar während des gesamten Shootings gehemmt zu sein. "Sie hat bei den Aufnahmen ihren Busen immer bedeckt oder abgewendet, weil sie offensichtlich unzufrieden damit war", erzählt Stefan.

Gibt es den perfekten Körper? Ein paar gezielte Klicks durch Internet-Communitys genügen zumindest , um aufschlussreiche Erkenntnisse über die menschliche Anatomie zu gewinnen. Noch mehr sieht man bei Internetplattformen für Fotografen und Modelle. Einige diese Seiten bieten Suchfunktionen an, bei denen man die User nach Gewicht, Hautfarbe und Körbchengröße filtern kann. Angemeldet sind viele Hobby-Models; sie bieten ihre Dienste umsonst an, solange die Fahrtkosten übernommen werden. Junge Männer präsentieren sich auf ihren Sedcards mit nacktem Oberkörper, Frauen in Dessous - oder ohne. Das gehört dazu, bei fast allen. Erotik scheint hier ein unverzichtbarer Teil des Modelns zu sein.

Eine dieser Sedcards gehört Katja. Auf ihrem Profilfoto streckt sie die Zunge in die Kamera. Ihre Haare sind kinnlang und knallrot, ihr T-Shirt leuchtend gelb. Trifft man die 22-Jährige im wahren Leben, bringt man dieses Portrait eher mit ihr in Verbindung als die erotischen Fotos auf ihrer Sedcard. Katja ist freundlich und direkt. An ihrem Berliner Akzent merkt man, dass sie nur vorübergehend im Münchner Umland wohnt.

Vor zwei Jahren wurde die Studentin von einer Motorradzeitschrift zur "Miss Moped 2007" gewählt. Auf einem der Siegerfotos wäscht sie - nur mit einer gestreiften Unterhose bekleidet - ihre Maschine. Die Bilder hat eine Freundin geschossen, weil Katja gern Fotos von sich und ihrem geliebten Motorrad wollte; sie bei dem Wettbewerb einzuschicken, war nur eine spontane Spinnerei.

"Ich sehe mich gern selbst an"

Zwei Jahre später sind die Bilder weiterhin mit ihrem vollen Namen im Internet, in einer Forumsdiskussion wird gerätselt, wie man an die "verdammt süße" Miss Moped rankommen könne. Katja sieht das locker. Ein paar Jungs hätten sie zwar übers Internet aufgestöbert und angegraben, "aber die waren leicht abzuwimmeln", sagt die 22-Jährige. "Und wenn mich ein Arbeitgeber aufgrund meiner Fotos nicht einstellen würde - dann will ich da auch nicht arbeiten." Warum so viel Aufhebens um nackte Haut gemacht wird, versteht die 22-Jährige nicht. Trotzdem: Auch sie hat Tabus. Schambereich und Brüste gibt es von ihr nicht zu sehen. Nicht aus Prinzip - sondern weil sie mit dem Gedanken spielt, Berufsschullehrerin zu werden.

Einfach schön sein

Seit ihrer Wahl zur Miss Moped hat Katja einige Aufnahmen gemacht - fast alle mit Motorrädern und wenig Garderobe. Sie hat dabei keine beruflichen oder finanziellen Ambitionen; die Shootings machen ihr einfach Spaß. "Ich bin ein Mensch, der gern im Mittelpunkt steht", gibt sie zu. Dass sie sich dabei vor fremden Fotografen entblößt, ist für Katja kein Grund, sich aufzuregen. "Ich bin keine Schönheitsgöttin, bei der die Männer umkippen, wenn sie mich nackt sehen", sagt die ehemalige Miss Moped. Für Modelmaße habe sie etwas zu viel auf den Rippen, sagt sie, die Dellen und Falten würden erst am Computer wegretuschiert.

Ihr geht es nur um den Spaß und die Herausforderung. Und schocken kann sie im Bekanntenkreis sowieso niemanden: Ihre erotischen Aufnahmen hängen bei Mama im Flur.

Hört man Katja über sich, ihren Körper und Nacktfotos reden, klingt das alles selbstverständlich. Aber eine Frage bleibt dennoch: Warum zeigen sich so viele junge Menschen nackt? Stefan, der junge Fotograf, glaubt, deren Motivation zu kennen. "Ich will einfach schöne Bilder von mir", diesen Satz hat er oft zu hören bekommen. Und dieser Satz liegt nicht weit entfernt von: "Ich will einfach schön sein." Selbstdarstellung, der Wunsch sich in einem guten Licht zu sehen - das spielte bei den Aufnahmen, die er gemacht hat, wohl immer mit. "Die Fotos können eine Selbstbewusstseinsspritze sein, wenn man gerade mal nicht so gut aussieht", glaubt Stefan. Da man seinen Körper selten so perfekt präpariere und arrangiere wie für eine erotische Fotosession, stärke dies das Ego.

"Vielleicht bin ich ein bisschen egozentrisch", sagt auch Nathalie, "aber ich sehe mich gern selbst an." Auch darauf, dass die Bilder weit mehr Menschen als ihre rund 50 Facebook-Freunde sehen konnten, reagiert Nathalie gelassen. Das müsse sie mal überprüfen, sagt sie. Und wenn schon: "Das sind keine Hardcore-Fotos, sondern einfach Bilder von mir, so wie ich bin", sagt sie. "Und solange sie gut gemacht sind und ästhetisch aussehen, habe ich auch mit der Veröffentlichung keine Probleme." Ein paar Tage später sind die Fotos im Internet verschwunden.

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Susanne Krause ist 20 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

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