Nachtleben:Von Null auf 4000 in vier Stunden

Der größte Club Süddeutschlands heißt nicht mehr "4004", sondern "M-Parks". Nach dem Umbau gibt es eine "Soul Suite" und eine "Lodge", in der es aussieht wie im Zoo. Die Mädchen trinken hier Bier mit Strohhalm.

Philipp Crone

Das ist sie, die Ruhe vor dem Sturm, dem Ansturm. In einer Viertelstunde ist Einlass in der Landsberger Straße 169. Die Eröffnung des "M-Parks". Mitten im nagelneuen Foyer stehen die beiden Betreiber Boris Konopka und Edgar Gröber und wirken verloren in ihrem noch menschenleeren 4000-Quadratmeter-Reich.

Es riecht nach Farbe und Holzlasur, Schritte hallen auf dem Holzparkett, Barkeeper stellen Flaschen und Gläser auf ihre Plätze, das Sicherheits- und Servicepersonal macht sich bereit für die Massen.

Aus den drei angrenzenden Hallen dringen dumpfe Diskobeats: Die DJs spielen sich warm. Die Veranstalter wirken konzentriert, aber nicht nervös. Konopka betreibt seit 15 Jahren Diskotheken. "Unser Konzept ist es, alle drei Jahre die Optik komplett zu erneuern", sagt der 35-Jährige.

Zwei Monate lang haben sie deshalb umbauen lassen und eine Million Euro in eine neue Inneneinrichtung investiert. Das Ergebnis: Elf Bars, drei Tanzflächen und das Foyer, der Mittelpunkt. Hier liegt das "Schiff", ein aus Ziegelsteinen gebautes Oval mit den zentralen Bars. Sternförmig sind die drei Hallen um das "Schiff" herum angeordnet. Konopka gibt letzte Anweisungen, läuft noch einmal durch alle Räume. 20.45 Uhr am 9. März, dem Eröffnungsfreitag.

21.00 Uhr, hintergründige Housemusik. Das Gebäude in der Landsberger Straße scheint verlassen, nur vereinzelt verlassen Menschen in Trainingsjacken den Wellblechkomplex, sie kommen aus dem XXL-Fitnessstudio "McFit", direkt neben dem "M-Park". Beide liegen im zweiten Stock. Dort wartet die Eintrittscrew hinter vier Kassen mit Drehkreuzen, daneben der Fressstand mit Pizza und Hotdog.

Hinter dem Foyer, in der riesigen Main-Area: Die Discostrahler an der Decke malen gemütlich schleichende Muster in lila und blau auf die leere quadratische Tanzfläche, dahinter steht DJ "C-Mon" auf eine Kanzel und präpariert auf dem Laptop seine Playlists.

An den drei anderen Seiten stehen je zwei Damen hinter ihren Bartheken und warten. Mit beigem Leder bezogene Sofas in den Ecken, gleichfarbige Barhocker um die Bars und einsame Stehtische, ein Hauch von Nebel in der Luft.

Die Decke hängt tief: grauer Beton, Leitungen und Röhren. An den lilafarbenen Wänden helle Schiefertafeln und hängende Papierbahnen. Erste Besucher flanieren durch die Räume, gucken neugierig in jede Halle, begutachten die Einrichtung, wie bei einer Kunstausstellung. Dann geben sie ihre Jacken ab und lassen sich nieder. Eine erstes Becks steht auf der Bartheke. "Twoforone", zwei Bier zum Preis von einem, den ganzen Abend.

Strohhalm im Bier

22.00, vordergründige Partymusik, erste Lebenszeichen, Quote: 65:35 für die Damen. Die Stehtische füllen sich langsam, das Barpersonal ist in Bewegung, ein erster Nebelstoß in der "Main-Area" verdichtet die Tanzfläche. Die Barplätze sind besetzt.

Eine Damengruppe bestellt Bierflaschen mit Strohhalm. "Strohhalm im Bier ist jetzt In", sagt Andrea Jankovic. Warum? "Damit ich als Frau nicht aus der Flasche trinken muss." Die 21-Jährige kennt den "M-Park" noch in der alten Version, guckt zufrieden auf den neuen Look, stößt mit ihren Freundinnen an und zieht am Strohhalm.

Nebenan in der "Soul Suite": HipHop und Blackmusik, um die kreisförmige, tiefergelegte Tanzfläche stehen beckshaltende Grüppchen hinter Eisengeländern und gucken runter auf den noch leeren Plastikboden der Arena. Der Anteil der Fellkragenjacken und steil gegelten Frisuren steigt.

23.00, Michael Jacksons "Beat it", gut gefüllt, Quote: 60:40. Die ersten zwei Mutigen tanzen in der "Main-Area" und werden freundlicherweise gleich vom Lichtmann in Nebel gehüllt. An Tischen und Bar wippen die Köpfe zum Rhythmus, die Ledercouches sind besetzt, aus der Kunstausstellung wird langsam eine Party.

Im Foyer strömt nun ein Menschenmeer um das Schiff herum, aus dem Schiff heraus beobachtet die Besatzung aufmerksam den Wellengang. In der Arena der "Soul Suite" wird getanzt, die Geländerplätze sind dicht besetzt. Der DJ rapt zu seiner Musik, ein schwarzes Stirnband und einen Kopfhörer schief auf dem Kopf, das Mikrofon wie eine Zigarre vor dem Mund.

Wie im Zoo

Die dritte Halle heißt "Lodge": Afrikanische Holzfiguren an braunen Wänden, in der Tanzflächenmitte ein Baum aus hellem, glatten Holz. Nebel hängt in seinem Geäst, es sieht ein bisschen aus wie im Zoo.

Draußen am Eingang eine lange Schlange. Ganze Trambahnladungen stellen sich an. Im "McFit" nebenan schwitzen die Menschen noch, es werden immer weniger. Im "M-Park" schwitzen die Menschen schon, es werden immer mehr. Geschätztes Durchschnittsalter: 22 Jahre.

24.00, "Girls just wanna have fun", voll, Quote: 50:50. Schlange vor der Damentoilette, manche Damen versuchen es schon auf dem Herrenklo. Auf dem neuen Boden erste platt getretene Zigarettenstummel. In der "Main-Area" wird die Tanzphase initiiert: DJ "C-Mon" spielt ein dreiminütiges Intro, bestehend nur aus hellen, lauter werdenden Viertelschlägen, ohne Bass, die Tanzfläche wartet auf den erlösenden Beat.

Eine rudimentär bekleidete Dame besteigt eine Box, zieht alle Blicke auf sich, tanzt. Nebelfanfaren los, Hände hoch, Houseversion von "Another brick in the wall", Blitze. Der Funke springt über, es brennt. Es folgt "Sing Halleluja" und "Song 2".

1.00, "Galvanize", verstopft voll, Quote: konstant. Rund um das "Schiff" im Foyer treffen sich erste Partybekanntschaften, sprechen sich gegenseitig ins Ohr, tippen - aufmerksam zuhörend - die magischen elf Zahlen der neuen Mobilnummer in ihre leuchtenden Handytasten. Durch das Kopfmeer schweben leere Bierkästen, halten an Tischen, sammeln Flaschen ein, schweben weiter. Boris Konopka streift durch die Hallen, er ist zufrieden. 4000 Leute sind da, sagt er. Es hat geklappt. Er hat den Ansturm im Griff und den Sturm entfacht.

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