Nachtleben:Tanzen im Untergrund

Der zunehmende Wettbewerb unter den Großraum-Discos zwingt die Club-Chefs zu immer ausgefalleren Projekten. Ein Münchner Unternehmer plant den größten Party-Tempel Europas - unter der Erde.

Von Tobias Lill

Er lebt, arbeitet und feiert unter der Erde. So zeichnet die erfolgreiche Kino-Trilogie ¸¸Matrix" den Menschen der Zukunft. Noch sind solche Vorstellungen reine Phantasie, doch ein Münchner Unternehmer glaubt, dass zumindest die Partys der Zukunft unter der Erde gefeiert werden.

Nachtleben: Bisher gibt's die unterirdische Disco nur im Modell

Bisher gibt's die unterirdische Disco nur im Modell

(Foto: Foto: Martin Cotter)

Dierk Beyer ist Chef der Craft AG, die sich in München mit den Großraumdiscos Nachtgalerie und Freudenhaus einen Namen gemacht hat. Gemeinsam mit der Geag AG, dem Hauptinvestor des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) an der Hackerbrücke, plant Beyer, unter dem ZOB bis zur Fußball-WM 2006 eine zehn Meter tief unter der Erde gelegene, zweistöckige Großraumdisco mit einer Fläche von 2.600 Quadratmetern zu bauen. Das wäre in Deutschland und laut Architekt Martin Cotter "sogar in ganz Europa" einmalig. Die neue Disco soll 2400 Menschen fassen - und wäre damit Münchens Nummer Zwei nach dem 4004.

Die Craft AG sieht sich dabei als architektonischer Vorreiter. "Der Weg unter die Erde könnte in Münchens stadtplanerischer Zukunft eine wichtige Rolle spielen", meint Beyer. Vor allem beim Bau von Räumlichkeiten für Massenveranstaltungen, aber auch neuer Büros, dürfe man unterirdische Bauten nicht scheuen. Mit Hinblick auf den derzeitigen Hochhausstreit sagt Beyer: ´"Unter der Erde zu bauen ist ein wesentlicher Beitrag, um der zunehmenden Verschandelung und der Flächenknappheit entgegenzuwirken." Auch die Lärmbelästigung bei Großveranstaltungen falle ¸¸weit geringer" aus. In Nürnberg habe man das bereits erkannt. Ein riesiger Kinosaal wurde dort komplett unter der Erde errichtet - in München schießen die Gebäude noch immer ausschließlich in die Höhe.

Doch Beyers Idee, in den Untergrund zu gehen, hat noch - und vor allem - einen anderen Grund. Der zunehmende Wettbewerb im Bereich der Großraumdiscos zwingt die Club-Chefs zu immer ausgefalleneren Projekten.

Tanzen im Untergrund

Jüngstes Beispiel ist das 4004 an der Landsberger Straße, ein vier Millionen Euro teurer, pompöser Tanzpalast, der mit seiner ausgefallenen Inneneinrichtung den alteingesessenen Betreibern das Leben schwer macht. Derweil plant ¸¸Hallenkönig" Wolfgang Nöth in Fröttmaning, mit dem Kunstpark Nord bis 2006 ein ¸¸architektonisches Las Vegas" zu errichten. ¸¸Da können wir als Unternehmer nicht untätig sein", sagt Beyer.

Zudem wollte er den Standortfaktor der jetzigen Nachtgalerie nicht aufgeben. Die Disco steht direkt auf dem Gelände des zukünftigen ZOB. Deshalb soll die Nachtgalerie kurz vor dessen Baubeginn im Sommer abgerissen werden. Bis 2006 soll die Nachtgalerie in einem nur wenige hundert Meter vom ZOB entfernten Provisorium unterkommen.

Die Pläne für den Umzug in eine kleinere, neu zu errichtende Container-Halle im August laufen auf Hochtouren. Nur bei der Parkplatzfrage gibt es noch offene Fragen. Die Halle wird ein Drittel kleiner ausfallen als die jetzige Nachtgalerie. Das Konzept - hoher Eintritt und günstige Getränkepreise - soll sich nicht ändern. Auch das Provisorium soll Cotters Handschrift tragen. Dessen Hauptaugenmerk gilt aber vor allem der unterirdischen Nachtgalerie der Zukunft. ¸¸Sie wird sich deutlich von der bisherigen Nachtgalerie unterscheiden", sagt Beyer. Zwar soll es wie beim Vorgänger eine große und eine kleine Halle geben, doch werde sich die Nutzung nicht nur auf Partys beschränken. Beyer: ¸¸Es wird viele Konzerte geben, auch Künstler werden bei uns ihren Platz haben." Er rechnet mit 7000 bis 8000 Besuchern pro Woche.

Auch im Inneren des Tanztempels versucht man, sich von den Mitbewerbern abzusetzen. Viele Säulen sollen die zukünftige Nachtgalerie barock wirken lassen. ¸¸Dadurch erscheinen die Räume höher, was besonders unter der Erde wichtig ist", so Beyer, der sich bei der Vergabe gegen zwei andere Mitbewerber durchgesetzt hat. Der Club und das Foyer sollen einige Meter höher als die große Halle liegen. Im Gegensatz zur alten Nachtgalerie wird es auch einen eigenen VIP-Bereich geben. Die Chillout-Area soll der einzige über der Erde gelegene Teil der Disco sein. Über eine Treppe geht es in ein gläsernes Foyer an der Oberfläche. ¸¸Dort können die Gäste in aller Ruhe mit einem Kaffee das Kommen und Gehen am Busbahnhof beobachten", sagt Beyer. Acht Bars soll es insgesamt in der Disco geben.

Auf teure Materialien, etwa Lavagestein wie im 4004, wollen die Betreiber aber verzichten. Wegen der für eine Genehmigung durch die Lokalbaukommission (LBK) nötigen erheblichen Sicherheitsvorkehrungen dürften die Baukosten, wie es heißt, ohnehin in die Millionen gehen. Bei den Planungen wurde bislang eng mit der LBK zusammengearbeitet. Vier große Ausgänge mit mehreren Treppen sollen gewährleisten, dass die Gäste sich sicher fühlen. ¸¸Niemandem darf mulmig zumute sein", sagt Beyer. Dass von 2006 an ein Überangebot an Riesendiscos herrschen könnte, fürchtet Beyer nicht. ¸¸Der Markt dafür ist in München vorhanden", meint er. Und auch, dass es unter der Erde bald eng werden könnte, hält Beyer für unwahrscheinlich. Er sagt: ¸¸Bis uns die ersten folgen, wird es wohl noch etwas dauern."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: