Nachruf:Früherer BR-Fernsehdirektor Oeller gestorben

Studienprogramm

Margret Zang und Fernsehdirektor Helmut Oeller am ersten Studienprogramm-Sendetag 1964.

(Foto: BR/Foto Sessner)

Er startete das Vollprogramm im BR und baute die Münchner Hochschule für Fernsehen und Film mit auf: Helmut Oeller ist mit 93 Jahren verstorben.

Von Alfred Dürr

Manchmal liegt es ganz nahe beieinander: das Gestalten und das Verhindern. Es war ein heute unvorstellbarer Vorgang, als in den Achtzigerjahren für die Fernsehzuschauer in Bayern die Satiresendung "Scheibenwischer" mit Dieter Hildebrandt nur noch eine Mattscheibe war; man konnte das Programm in Bayern nicht sehen. So etwas war in der Geschichte der ARD noch nicht passiert. Fernsehen, oder besser gesagt Nicht-Fernsehen wurde zum Aufreger. Beim Bayerischen Rundfunk hagelte es Protestanrufe. In Münchner Kneipen liefen auf den Fernsehern die "Scheibenwischer"-Videokopien. Zeitungen druckten ganze Textpassagen aus der in Bayern nicht ausgestrahlten Sendung.

Der Mann hinter dieser "Absetzung" war der Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks, Helmut Oeller. Während seiner Amtszeit traf es nicht nur den "Scheibenwischer". Andere politisch oder sozial brisante Beiträge des Gemeinschaftsprogramms ("Panorama", "Zoom", "Szene 76") hatten die Zuschauer in Bayern ebenfalls nicht auf dem Schirm. Auch die sowjetisch-amerikanische Serie "Der unvergessene Krieg" wurde ausgeblendet. Sie sei rein sowjetische Propaganda, urteilte Oeller damals. Bei der Scheibenwischer-Folge störte sich der Fernsehdirektor daran, dass die kurz zuvor passierte Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl satirisch aufs Korn genommen wurde.

Wacher Verstand, prägnante Sprache

Es sei nicht die pure Lust am, ja politischen Hineinfuhrwerken gewesen, die ihn zu diesen Entscheidungen gebracht habe, betonte Oeller später einmal in einem Interview. Der Justitiar des BR, der Intendant und auch der Rundfunkrat seien eingebunden gewesen. Oeller orientiert sich an seinem Grundsatz: Jedes wichtige Thema und jede wichtige Meinung müsse in ihrer Vielfalt behandelt werden.

Oeller stammte aus Würzburg. Er studierte in seiner Heimatstadt und in München Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie. Ein politischer Hardliner? Diesen Eindruck machte er nie, wenn er auf dem Bildschirm erschien. Ruhig, gelassen, wacher Verstand, prägnante Sprache, so charakterisieren ihn Weggenossen. Aber Oeller demonstrierte auch seine Durchsetzungskraft beim Bayerischen Rundfunk.

"Kreuth im Äther"

Schon 1953 kam er zum Sender, als Assistent des damaligen Fernsehdirektors Clemens Münster. Leiter der Hauptabteilung Produktion Fernsehen wurde er 1960; ein Jahr später Fernsehbeauftragter des damaligen Intendanten Christian Wallenreiter. Auf die Programmkonzepte des Bayerischen Rundfunks konnte er nun starken Einfluss nehmen. Er entwickelte maßgeblich das sogenannte Studienprogramm - also die Schule im Fernsehen - mit. Auch das Konzept für den Prix Jeunesse, dem Fernsehwettbewerb für Kinder- und Jugendprogramme, geht auf seine Initiative zurück.

1967 startete das "Telekolleg". Schüler konnten sich über das Fernsehen auf einen staatlichen Abschluss vorbereiten. Auch am Aufbau der Hochschule für Fernsehen und Film in München war Oeller beteiligt. Zunächst leitete er die Abteilung Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik, später bekleidete er auch das Amt des Präsidenten der Hochschule.

Streit mit der ARD gab es allerdings, als Oeller Ende der Siebzigerjahre das Studienprogramm des Bayerischen Fernsehens zum abendfüllenden Vollprogramm ausbauen ließ. Das bedeutete Konkurrenz für ARD und ZDF. Mit einem zugkräftigen Regionalprogramm, so urteilte damals etwa der Spiegel kritisch , wollten die Münchner beweisen, dass sie Land und Leute selbst mit Fernsehen versorgen und notfalls auch aus dem ARD-Verbund ausscheren könnten. In Anspielung auf den damals gerade aktuellen Trennungsbeschluss der CSU von der CDU und den folgenden Streit hieß es nun: "Kreuth im Äther."

Eine bewegte Berufslaufbahn

Dazu kam es nicht. Oeller habe das Studienprogramm zu einem bayerischen Vollprogramm mit den Schwerpunkten Kultur, Heimat und Welt reformiert, würdigt der Sender sein Wirken. Oellers "Absetzungs"-Politik und auch dieses Thema sind weitgehend in Vergessenheit geraten. Ende der Achtzigerjahre soll der Film-Großhändler Leo Kirch mit Schmiergeldern Verkäufe an das Bayerische Fernsehen getätigt haben. Auch Oeller soll verwickelt gewesen sein, wurde spekuliert.

Es war eine bewegte Berufslaufbahn.

Am Sonntag ist Helmut Oeller im Alter von 93 Jahren verstorben.

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