Nachruf:Ein reiches Künstlerleben

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Dirigent Jaroslav Opela ist im Alter von 81 Jahren gestorben

Von Wolfgang Eitler

Kennen Sie den? Fast jedes Gespräch hat Jaroslav Opela mit einem Witz begonnen. Aber der Dirigent und ehemalige Direktor des Bayerischen Rundfunkorchesters in München ist kein Witze-Reißer gewesen, sondern ein Erzähler. Er wusste um die Bedeutung und Facetten von Ironie und Selbstironie. Seine Art des Erzählens passte zu der Erkenntnis über die Gegensätze in der Welt und über die eigene Begrenztheit. Jaroslav Opela ist am vergangenen Wochenende im Kreise seiner Familie im Alter von 81 Jahren nach kurzer Krankheit gestorben.

Jaroslav Opela stammt aus Mährisch Ostrau, das an der Grenze zu Polen liegt. Er studierte an der Janáček-Akademie der Musischen Künste. 1958 wurde er Dirigent und Leiter der tschechoslowakischen Staatlichen Philharmonie. Die Karriere in der Heimat schien vorgezeichnet. Aber er opferte sie seiner Sehnsucht nach Freiheit. Noch vor dem Prager Frühling, den die Sowjetunion 1968 mit Waffengewalt niederschlug, flüchtete er 1966 nach Deutschland.

Er wurde Meisterschüler von Franco Ferrara und Rafael Kubelík, der ihn zum Bayerischen Rundfunk holte. Von 1992 bis 2000 war er Direktor des Münchner Rundfunkorchesters, wo er auch mit Sir Colin Davis und Leonard Bernstein eng zusammenarbeitete. Als Dirigent war Jaroslav Opela international tätig. Die kurze Zeit von 1971 und 1982 als Chef des National Symphony Orchestra in Seoul prägte ihn in seiner kosmopolitischen Überzeugung. Außerdem lehrte er von 1986 bis 1995 als Dozent an der Hochschule für Musik und Theater München. Er leitete das dortige Hochschulorchester. 45 Jahre führte er das Symphonieorchester Wilde Gungl München, das 1864 von Franz Strauß gegründet worden war und das ihn 2014 zum Ehrendirigenten ernannte. Das Musizieren mit Laien, sein pädagogischer Ethos und das Interesse für lokale Kultur komplettierten das umfassende Engagement des Künstlers. Ohne ihn gäbe es die Symphonische Sommernacht des Kulturkreises Röhrmoos als wichtige Konzertreihe nicht.

Jaroslav Opela wusste, was es heißt, ein Flüchtling zu sein. Als er 1966 aus der damaligen Tschechoslowakei in den Westen floh, arbeitete er zunächst bei Nürnberg als Wäscher der US-Armee. Die musikalische Karriere war unterbrochen und schien sogar gefährdet zu sein, bis eine Big Band der Armee dringend einen Dirigenten suchte und vom Wäscher erfuhr, der ein Musiker ist. Diese Geschichte erzählte Jaroslav Opela auch deswegen gerne, weil sie philosophisch zur grundlegenden Frage nach dem Verhältnis von Schicksal und Zufall führte. Damit auch zu den Problemen der Planbarkeit des Lebens. Der Künstler war ein Anhänger der Aufklärung durch Vernunft. Scheitern samt Humor inklusive.

Noch wenige Wochen vor seinem Tod schrieb er an seine Tochter Déesirée und seinen Sohn Rafael begeisterte E-Mails über einen Besuch in New York mit Ehefrau Eva. Kurz nach der Rückkehr wurde eine sehr schwere Krankheit diagnostiziert. Man kann nur von ganz wenigen Menschen in einem Alter von 81 Jahren sagen, dass sie mitten aus dem Leben gerissen wurden. Bei Jaroslav Opela war es so.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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