Nachruf:Brückenbauerin

avital

Avital Ben-Chorin 2009 in München, wo seitdem das Arbeitszimmer ihres Mannes steht.

(Foto: Robert Haas)

Avital Ben-Chorin ist 94-jährig gestorben

Von Monika Maier-Albang

Es gibt diese Menschen, die einem auf Anhieb sympathisch sind. Und die eine Ausstrahlung haben, die nicht nur von Worten getragen wird, sondern vom ganzen Wesen, das ein freundliches, den Menschen zugetanes ist. Avital Ben-Chorin war so ein Mensch. Eine warmherzige, aufgeschlossene und lebensbejahende Frau. Wobei man als Nachgeborene ja immer Mühe hat zu begreifen, wie jemand, der so viel Grausamkeit erlebt hat, in der Lage ist, das Erlebte in Liebe umzuwandeln.

Avital Ben-Chorin, geboren als Erika Fackenheim 1923 in Eisenach, war die Frau des Schriftstellers Schalom Ben-Chorin. Der war einst Münchner, emigrierte 1935 nach Jerusalem, wurde Journalist, vor allem aber ein unermüdlicher Vorkämpfer für den Dialog mit dem Land, mit dem viele Juden nach dem Holocaust nichts mehr zu tun haben wollten.

Avital und Schalom Ben-Chorin, die in Jerusalem mit Har-El die erste Reformsynagoge gründeten, leiteten die ersten offiziellen israelischen Jugenddelegationen nach Deutschland. Und sie trafen sich, so lange es ihre Kräfte zuließen, im Land der Täter mit Schülern, um zu erzählen von der Shoa, die Avital beide Eltern und den Großvater nahm. Nach München kam sie regelmäßig, auch noch nach dem Tod ihres Mannes 1999, um mit Jugendlichen zu diskutieren. Sie selbst überlebte, weil sie 1936 ohne die Eltern nach Eretz Israel, in das Gelobte Land, ausgewandert war.

Das Verhältnis zu München, der Geburtsstadt ihres Mannes, war Avital Ben-Chorin so wichtig, dass sie nach seinem Tod das komplette Arbeitszimmer des Religionsphilosophen der Stadt vermachte. 2009 siedelten Schalom Ben-Chorins Bücher, seine Sessel und Regale ins Stadtarchiv in Schwabing um. Seitdem finden hier Veranstaltungen statt, jeden Mittwochvormittag ist der Raum für Interessierte auch so geöffnet.

Mit Avital Ben-Chorin sei nun, wie schon mit dem Tod von Max Mannheimer, "eine Brücke" weggebrochen, sagt Tobias Raschke vom Ben-Chorin-Freundeskreis. Im Alter von 94 Jahren ist Avital Ben-Chorin vergangenen Freitag gestorben. Am Schabbatabend zu sterben, gilt im Judentum als "Tod der Gerechten". Es gibt ein Foto von ihr, das sie am Vortag noch mit ihrer Tochter Ariela in der zu Sukkoth aufgebauten Laubhütte zeigt. Lachend.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: