Nachlass Moshammer:Das schwierige Vermächtnis einer Kunstfigur

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Sechs Wochen nach der Ermordung zeigt sich, dass Rudolph Moshammer wirklich vermögend war - nur sein Alleinerbe hat nichts davon.

Von Christian Mayer

Was bleibt, wenn ein Mensch stirbt? Er hinterlässt eine Familie oder Freunde, und die haben ihre persönlichen Erinnerungen. Oder er besitzt ein öffentliches Ansehen, das über den Tod hinaus verwaltet werden muss - dann lebt der Name des Verstorbenen in einer Stiftung weiter, in seinen Werken oder in den Geschichtsbüchern; wenn er Glück hat, wird eine Straße nach ihm benannt.

Moshammers Bungalow in Grünwald (Foto: Foto: dpa)

Manchmal bleibt auch etwas Geld übrig oder ein Vermögen, verbunden mit einem Testament, über das sich die Erben im besten Fall auch freuen.

Wenig davon trifft auf Rudolph Moshammer zu. Der Mann scheint sogar nach seinem Tod keine Gewissheiten zuzulassen, und das schließt sein Erbe ein. Sicher, er hat eine gut frisierte Hundedame namens Daisy hinterlassen, über deren Launen und Vorlieben die Republik bestens informiert ist. Auch über seinen Mörder, der nach dem Geständnis in der JVA Straubing auf seinen Prozess wartet, wissen die Ermittler inzwischen einiges.

Aber enge Vertrauenspersonen, die sich um Moshammers Erbe kümmern und den wilden Gerüchten Einhalt gebieten, sind nicht in Sicht. Fast scheint es, als habe der Modehändler nur Leute gekannt, die mit ihm geschäftlich zu tun hatten - nach dem dröhnenden Ende herrscht weitgehend Sprachlosigkeit.

Auch deshalb blühen die Spekulationen bis hin zur Vermutung, Rudolph Moshammer, der in ersten hysterischen Nachrufen noch als Millionär durchgegangen war, sei in Wahrheit pleite gewesen, seine Boutique "Carnaval de Venise" in der Maximilianstraße ein schlecht laufender Gemischtwarenladen, den der 64-jährige Selfmademan zuletzt nur durch Werbung und gut bezahlte Fernsehauftritte finanzieren konnte. Alles nur Gerüchte? Wie immer bei Moshammer ist die Wirklichkeit eine schwierige Sache.

Alleinerbe zögerte lange

In einem Punkt besteht seit dieser Woche endlich Klarheit: Moshammers Alleinerbe, der Münchner Geschäftsmann Dr. Walter Käßmeyer nimmt das Erbe an. Die sechswöchige Frist, in der er das Erbe hätte ausschlagen können, läuft am Wochenende ungenutzt ab. Käßmeyer, der in den Boulevardblättern zu Unrecht als "Immobilien-Tycoon" bezeichnet wird, hat lange gezögert. Schließlich fungiert er lediglich als eine Art "Vermächtnis-Verwalter", wie es sein Sprecher formuliert.

Für die Anwälte und Steuerprüfer Käßmeyers war es zunächst einmal eine wahre Detektivarbeit, sich einen ersten Überblick über die Erbmasse zu verschaffen. Nicht zuletzt, weil sich wichtige Dokumente im versiegelten Haus in Bogenhausen befanden und keine Kontenvollmacht vorlag.

Erschwert wird die Angelegenheit dadurch, dass der Mann, der am besten Bescheid weiß, nichts mehr sagen kann: Moshammers Buchhalter und Steuerberater ist nach schwerer Krankheit in der vergangenen Woche verstorben.

Was also bleibt von Moshammers Vermögen? Zum einen das äußerlich eher bescheidene 220 Quadratmeter große Reihenmittelhaus in Grünwald, das man nur mit einem ausgeprägten Hang zur Übertreibung als "Villa" bezeichnen kann. Es ist nach SZ-Informationen schuldenfrei; allerdings dürfte es nicht einfach werden, Interessenten für eine Immobilie zu finden, die Schauplatz eines grausamen Mordes war. Zumal in Grünwald eine Vielzahl ähnlicher Objekten auf dem Markt sind.

Das Geschäft in der Maximilianstraße (Foto: Foto: ap)

Sollte das Haus verkauft werden, dann will der Alleinerbe den Erlös nicht für sich behalten, sondern mit dem Geld Verbindlichkeiten erfüllen, die sich aus den Nachlässen ergeben. Das allein dürfte sehr teuer werden.

Leibrente für den Chauffeur

Zweitens: Moshammers langjähriger Chauffeur Andreas Kaplan wird die ihm zugedachte Eigentumswohnung in Harlaching ganz im Sinne des Testaments erhalten, die Immobilie ist ebenfalls schuldenfrei. Der Modehändler hat in einer Klausel verfügt, dass sein Chauffeur keine Erbschaftssteuer zahlen muss. Außerdem erhält Kaplan, dem die Ehre zuteil wird, sich um die elfjährige Daisy bis zu ihrem Dahinscheiden zu kümmern, eine Leibrente von 1500 Euro im Monat.

Drittens erhalten auch die Münchner Obdachlosen Geld, das relativ bald fließen könnte. Dabei handelt es sich um die 45 000 Euro aus dem Erlös einer Versteigerung des Auktionshauses Sotheby; dort hatte Moshammer 2002 ein Hemd aus dem Besitz Napoleons zu Geld gemacht - ein früheres Geschenk eines Gönners, das er nun den Mittellosen zum Geschenk macht.

Auch der Verkauf von Moshammers drei Rolls Royce soll an die Obdachlosen der Zeitschrift Biss gehen. Dass sich die Autos tatsächlich in Moshammers Besitz befanden, ist nun gesichert. Es gibt bereits erste potenzielle Käufer, die regelmäßig bei Käßmeyers Presseleuten anrufen, weil sie sich für die Statussymbole interessieren.

Juwelen der Mutter werden verkauft

Was für Moshammers Immobilien und Autos gilt, trifft auch für die Juwelen aus dem Besitz von Else Moshammer zu, die ihr Sohn in einem Tresor aufbewahrte: Über die Art und Weise des Verkaufs ist noch nicht entschieden.

Die Perlenketten, Broschen und Ringe, mit denen die lebenslustige alte Dame gerne bei gesellschaftlichen Anlässen glänzte, sollen jedenfalls möglichst gewinnbringend verkauft werden - zu Gunsten der Obdachlosen. Insgesamt könnte eine sechsstellige Summe für die Obdachlosen zusammenkommen.

"Für diese Großzügigkeit könnte ich ihn jetzt noch küssen", freut sich Hildegard Denninger, Geschäftsführerin der Zeitschrift Biss. Doch Denninger will keinesfalls Erwartungen wecken, die hinterher dann doch nicht in Erfüllung gehen: "Wir sind unserem Gönner dankbar genug. Er hat unser Projekt schließlich in München bekannt gemacht - und zu seinen Lebzeiten bereits 70 000 Euro gespendet."

Dass Moshammer zuletzt kurz vor dem Ruin gestanden habe, kann also getrost ins Reich der Mythen verwiesen werden. Sicher, die Boutique in der Maximilianstraße machte nach einer erfolgreichen Zeit in den siebziger und achtziger Jahren kaum mehr Gewinne. Aber der Aufsteiger aus einer verarmten bürgerlichen Familie, dessen Vater als einsamer Alkoholiker starb, war noch immer einigermaßen wohlhabend, obwohl sein Reich längst zu bröckeln begonnen hatte.

Hypothek auf der "Hundskugel"

Andernfalls wäre die "Hundskugel", Münchens angeblich älteste Gaststätte, die Moshammer 1983 erwarb, nicht mit einer schweren Hypothek belastet. Auch diese Information liegt der SZ vor. Ein weiteres Problem, mit dem Moshammers alter Freund und Geschäftspartner Käßmeyer nun fertig werden muss: Schließlich hat Moshammer festgelegt, dass der Wirtin die Pacht zu Lebzeiten nicht erhöht werden darf, die Kosten für Buchhaltung und Verwaltung trägt ebenfalls der Vermieter.

Ein schwieriges Erbe mit unabsehbaren Risiken für den "wahren Freund" Käßmeyer, der zurückgezogen lebt, keine Interviews gibt und eher widerwillig die ihm zugedachte Rolle erfüllt. Denn der Mann, der den beruflichen Aufstieg Moshammers seit den sechziger Jahren tatkräftig förderte und an der Boutique "Carnaval de Venise" beteiligt war, muss ja nicht nur die Vermächtnisse bedienen. Er muss zudem Erbschaftssteuer bezahlen, die Kosten der Beerdigung tragen und für den Verwaltungsaufwand eines komplizierten Erbes aufkommen.

Die bizarre Warenwelt

Schon in den nächsten Tagen wird die Abwicklung von Moshammers bizarrer Warenwelt über die Bühne gehen. Alle Produkte aus seinem Laden in der Maximilianstraße können Interessenten von morgen an über das Internet-Auktionshaus Ebay ersteigern. Ein Verfahren, mit dem der Erbe möglichst rasch die Berge von Krawatten, Sakkos, Parfüms, CDs oder Bücher los werden kann - insgesamt 3000 Mosi-Artikel.

Die wirklich interessanten Sammlerstücke, etwa Möbel und Kunstwerke aus seinem Haus und der Wohnung in der "Hundskugel", sollen dagegen diskret verkauft werden. "Wir wollen keinen Devotionalienhandel", heißt es aus dem Umfeld des Erben.

Allein schon, um die rege Nachfrage nach einzelnen Wertgegenständen nicht noch anzuheizen. "Schon jetzt rufen ständig Leute bei uns an, die irgendwelche Kerzenständer oder Lampenschirme aus Moshammers Erbe kaufen möchten", sagt Käßmeyers Sprecher.

Und dann ist da noch die Sache mit den Erinnerungen. Auch die sind, wie bei einer Figur wie Rudolph Moshammer nicht verwundert, längst auf dem Markt. "Mama und ich" heißt das 150-Seiten-Werk, in dem der Autor Auskunft über seine schwierige Jugend gibt und über die vielen Freundschaften schwadroniert, die ihn aus seiner Sicht mit berühmten Menschen wie Arnold Schwarzenegger, Thomas Gottschalk oder der Fürstin Marianne zu Sayn-Wittgenstein verband.

Kein Bestseller

Moshammers Verleger Herbert Fleissner hat natürlich längst zwei weitere Auflagen der süßlichen Hommage drucken lassen, und er will auch weiter gute Geschäft mit seinem Autor machen. Ein Bestseller ist Mosi aber nicht, er dümpelt mit Auflagen von 5000 Stück im unteren Mittelfeld der Promi-Bekenntnisse. Deshalb hat sein Verlag die mit dem Modehändler in freundlicher Abneigung verbundene Society-Lady Maja Schulze-Lackner damit beauftragt, den großen Moshammer-Roman zu schreiben. Wenn der noch jemanden interessiert.

Und am Ende der Verwertungskette gibt es die Filmrechte, auch dafür behält sich die Verlagsgruppe Langen Müller Herbig das Titelrecht vor. "Bei uns haben sich sogar schon Moshammer-Doubles gemeldet, die rasend gerne in die Rolle schlüpfen möchten", sagt Fleissner. Angeblich interessieren sich "namhafte" Produktionsfirmen für den Aufstieg und Fall einer Münchner Kunstfigur.

Vielleicht ist das Kapitel erst dann abgeschlossen, wenn Fiktion und Wirklichkeit endgültig auf der Leinwand verschmolzen sind - und das Erbe bis auf die letzte Krawatte verteilt ist.

© SZ vom 02.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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