Nach Skandal um Jugendhilfezentrum:Geschlossenes Heim steht weiter leer

Jugendhilfezentrum in der Scapinellistraße in Pasing, 2012

"Gebaute Pädagogik" hieß es bei Eröffnung des Jugendhilfezentrums in Pasing. Trotz eines 3,50 hohen Zaunes konnten Jugendliche entweichen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Vor knapp einem Jahr wurde die Einrichtung für schwerst verhaltensauffällige Jugendliche wegen unhaltbarer Zustände dicht gemacht. In diesem Herbst sollte der fünf Millionen teure Neubau in Pasing wieder in Betrieb gehen. Doch die Stadt hat dafür noch keinen Träger gefunden.

Von Jutta Czeguhn

Der 3,50 Meter hohe Zaun, der das Jugendhilfezentrum in der Scapinellistraße 17 nach Westen hin abschließt, ist nach innen gebogen. Seit bald einem Jahr hat niemand mehr versucht, diesen sogenannten "Besteigschutz" zu überwinden. So lange schon steht der fünf Millionen teure Neubau in Pasing leer. Im Herbst sollte die Schutzstelle für schwerst verhaltensausfällige Jugendliche eigentlich wieder eröffnet werden. Doch laut Jugendamtschefin Maria Kurz-Adam wird das Haus erst im ersten Halbjahr 2014 wieder Jugendliche aufnehmen - wenn ein neuer Träger gefunden ist.

Wiederholte "Entweichungen" und eine ganze Reihe anderer "besonderer Vorkommnisse" führten im Dezember 2012 dazu, dass das Haus nur acht Monate nach der Eröffnung schließen musste. Der städtische Jugendhilfeverbund "Just M" hatte sich mit dem Modell-Projekt eines geschlossenen Zentrums für Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren in folgenschwerer Weise übernommen. Vom Start im Frühjahr 2012 weg war gleich an mehreren Fronten schiefgelaufen, was schief gehen konnte: Es fand sich zu wenig Personal mit ausreichender Erfahrung im Umgang mit extrem aggressiven Jugendlichen. In der Anfangszeit gab es im Team eine hohe Fluktuation und viele Ausfälle wegen Krankheit. Wie eine Untersuchung zutage brachte, die in diesem Sommer dem Jugendhilfeausschuss vorgelegt wurde, waren die Mitarbeiter "sehr belastet und verunsichert".

Von "Eskalationen" ist die Rede, aber auch von "großen technischen Schwierigkeiten und baulichen Problemen". Notfallknöpfe und die Telefonanlage hätten nur unzureichend funktioniert. Und über den Zaun, der anfangs noch nicht mit dem Übersteigschutz ausgerüstet war, seien Jugendliche sogar im Beisein von Pädagogen geklettert.

Mit dem neuen, dem freien Träger soll nun alles besser laufen. Die Bewerbungsfrist, sagt Maria Kurz-Adam, sei Mitte September abgelaufen. Welche und wie viele Bewerber zur Auswahl stehen, darüber möchte sie sich nicht äußern. Man sei nun in der Auswertungsphase, die Entscheidung über den neuen Betreiber werde voraussichtlich Anfang kommenden Jahres fallen. "Der neue Träger wird sich auf unsere Rahmenbedingungen einlassen müssen", erklärt Kurz-Adam. Dazu gehörten vor allem die geschlossene Unterbringung für grundsätzlich nicht mehr als drei Monate und die enge Zusammenarbeit mit der Heckscher-Klinik.

Die Nachfolger von "Just M" könnten nun aus den Problemen der Anfangszeit lernen. "Und auch aus dem, was wir gut gemacht haben." Das Jugendhilfezentrum mit den insgesamt 14 Plätzen, das in seiner kurzen Betriebsphase insgesamt 23 Jugendliche durchlaufen haben, steht nicht nur wegen seines geschlossenen Konzepts, sondern auch wegen der hohen Bau- und Betriebskosten weiterhin in der Kritik. Von Unterhaltskosten bis zu 350 Euro täglich pro Bewohner ist die Rede.

Aktuell müssen sich die Verantwortlichen dafür rechtfertigen, dass es sich die Stadt offenbar leisten kann, eine fünf Millionen Euro teure Immobilie mehr als ein Jahr leer stehen zu lassen. Maria Kurz-Adam spricht von einem "relativ überschaubaren Defizit", was den Unterhalt während der Leerstandsphase angeht. Die Lüftungs- und Heizungsanlagen würden regelmäßig gewartet, zudem fänden im Gebäude hin und wieder Besprechungen statt.

Und natürlich habe man sich Gedanken gemacht über eine Zwischennutzung. Kurz-Adam spricht von "Abwägungsprozessen". Der Charakter des Gebäudes als "Schutzstelle" mit all seinem relativ hohen sicherheitstechnischen Standards erweise sich da als problematisch. Abgesehen vom hohen Zaun seien da die Fenster, die sich nicht öffnen ließen, die nach unten gedrehten Türklinken. Nicht jedem Menschen könne man so ein geschlossenes Setting zumuten, sagt Kurz-Adam. Das Haus für eine Zwischennutzungsphase umzubauen, sei wiederum wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen. Zudem geht die Jugendamtsleiterin davon aus, dass es im kommenden Jahr mit dem neuen Träger einen "fließenden Start" geben werde.

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