Nach Knoblochs Kritik:Stolpersteine-Hearing spaltet die Koalition

Stolpersteine

Ein Stolperstein an der Von der Tann Strasse 7 in München.

(Foto: Stephan Rumpf)

Charlotte Knobloch nimmt nun doch nicht am Stadtrats-Hearing zum Thema Stolpersteine teil. Während OB Reiter an der Veranstaltung festhält, zweifelt die CSU mittlerweile an deren Sinn. Die Stimmung im schwarz-roten Rathausbündnis ist gereizt.

Von Dominik Hutter

Das geplante Stadtrats-Hearing über Stolpersteine zieht Konflikte im schwarz-roten Rathausbündnis nach sich. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) reagierte am Mittwoch gereizt auf eine Aussage des Zweiten Bürgermeisters Josef Schmid (CSU), der die Veranstaltung ohne die Teilnahme von Charlotte Knobloch für sinnlos erklärt hatte.

Eine solche Erklärung gebe weder die Meinung des Oberbürgermeisters noch die abgestimmte Meinung im Ältestenrat oder den fast einstimmigen Stadtratsbeschluss wieder, wetterte Reiter. Insofern sei es überraschend, dass sich Schmid nun offenbar in einem persönlichen Statement und gegen seine bisherige Haltung gegen das Hearing ausgesprochen habe.

Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, hatte zuvor in einem persönlichen Gespräch mit Reiter ihre Teilnahme an dem Hearing endgültig abgesagt. Der OB will ihre schriftliche Stellungnahme nun selbst vortragen. Schmid hatte allerdings zuvor erklärt, dass eine solche Veranstaltung ohne Knobloch ein falsches Signal aussende, da ein derart sensibles Thema im Konsens aller demokratischen Kräfte der Stadtgesellschaft diskutiert werden müsse. Und dazu gehöre "selbstverständlich und an vorderster Stelle die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde".

Ohnehin hält es Schmid für undenkbar, gegen die Bedenken von Holocaust-Opfern in München Stolpersteine zu verlegen. "Ein Erinnerungsort, der Gräben aufreißt statt sie zu schließen, würde sein Ziel von vornherein verfehlen." Knobloch, die als Kind den Holocaust überlebt hat, hatte in einem Schreiben an Kulturreferent Hans-Georg Küppers das Hearing als "entwürdigendes Schauspiel" bezeichnet.

Aus Sicht der Mehrheit hat sich die Situation verändert

Der Stadtrat hatte 2004 beschlossen, auf öffentlichem Grund keine Stolpersteine zuzulassen - maßgeblich war damals die Meinung der Kultusgemeinde, die keine Mahnmale will, die man mit Füßen treten kann. Das für den 5. Dezember angesetzte Hearing war von den Grünen initiiert und vom Stadtrat beschlossen worden. Aus Sicht der Mehrheit hat sich die Situation inzwischen geändert, weil aus zahlreichen Orten Erfahrungen mit Stolpersteinen vorliegen.

Florian Roth, der Fraktionschef der Grünen, reagierte mit einem offenen Brief auf Knoblochs Bedenken. Es gebe zahlreiche Holocaust-Überlebende, die sich vehement für Stolpersteine ausgesprochen hätten. Es sei Anliegen des Stadtrats, die Debatte "auf sensible Weise und ohne Verletzungen" zu führen, versicherte Roth. Das Hearing werde "mit höchstem Respekt vor den widerstreitenden Meinungen" ablaufen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: