Nach Goldgrund-Aktion:Zimmer in München frei

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Nachdem Goldgrund-Aktivisten ein Haus besetzt haben, will die Stadt München konsequenter gegen Leerstände in eigenen Immobilien vorgehen. OB Ude geht hart mit seiner Verwaltung ins Gericht. Der Fall Pilotystraße wird nun möglicherweise auch rechtliche Konsequenzen haben.

Von Karoline Meta Beisel und Silke Lode

Die jüngste Aktion der Goldgrund-Aktivisten in einem Haus an der Pilotystraße hat zu einer Debatte um den Leerstand in städtischen Gebäuden geführt. Die Aktivisten hatten mit einer Besetzung des Hauses am Sonntag darauf aufmerksam gemacht, dass hier städtischer Wohnraum zum Teil schon seit Jahrzehnten leer steht - und das in bester Lage. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) reagierte empört auf den Fall: "Jeder Leerstand, der keine Begründung wie eine anstehende Sanierung hat, ist ein Skandal."

Der Fall Pilotystraße wird möglicherweise auch rechtliche Konsequenzen haben. "Eine Wohnung steht schon seit den Siebzigerjahren leer", berichtete Ude. Heute stehen fünf von sechs Wohnungen leer - ohne Grund und ohne eine Entscheidung der zuständigen Stiftungsverwaltung, was mit dem Haus geschehen soll.

In den Augen Udes könnte das eine Ordnungswidrigkeit sein, zumal der Stadtrat bereits 2002 den Auftrag gegeben habe, das Haus zu sanieren. Das Personalreferat prüft nun, ob dienstliche Verfehlungen vorliegen. Zudem hat Ude den Fall an die Stiftungsaufsicht beim Regierungspräsidium übergeben, da durch die entgangenen Mieteinnahmen eventuell auch der Stiftungszweck missachtet wurde.

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Im Sozialreferat, das über die Stiftungsverwaltung für das Haus zuständig ist, gibt man sich zerknirscht. Es sei "bedauerlich", dass das Haus - bis auf eine Wohnung - so lange unbewohnt geblieben sei. Bis Ende November werde man einen Entscheidungsvorschlag erarbeiten, wie es mit dem Haus langfristig weitergehen soll. Grundsätzlich sei dort eine Generalsanierung nötig, die man erst angehen könne, wenn auch die letzte Mieterin ausgezogen sei.

CSU-Fraktionschef und OB-Kandidat Josef Schmid findet Udes Haltung befremdlich: "Sich jetzt auf die Seite der Betroffenen zu stellen, finde ich aberwitzig. Er ist doch der Chef der Verwaltung, da kann er doch die Schuld nicht anderen geben!" Das Problem der Leerstände sei lange bekannt, außerdem leide die ganze Immobilienverwaltung der Stadt seit der Neustrukturierung unter Missmanagement.

Was den konkreten Fall des Hauses in der Pilotystraße angeht, hält Schmid wenig von spontanen Zwischennutzungen: "Man muss die Häuser ja nicht luxussanieren, es reicht doch, wenn die wieder gut bewohnbar sind." Die CSU schlägt vor, das Haus schnell zu sanieren und wieder an Familien zu vermieten: "Wir brauchen auch Wohnraum für Bürger, die nicht mehr als sieben oder acht Euro pro Quadratmeter zahlen können", sagt Schmid.

SPD und Grüne wollen das Problem grundsätzlicher angehen und haben beantragt, dass der Stadtrat jedes Quartal von den zuständigen Stellen über Leerstände informiert wird, um so schneller reagieren zu können. Die Grünen nehmen die Debatte zum Anlass, auch die Leerstände und die illegale Untervermietung in privaten Wohnungen, etwa als Ferienwohnungen, anzugehen: Bürger müssten besser darüber informiert werden, wohin sie sich wenden können, wenn ihnen in der Nachbarschaft eine leer stehende Wohnung auffällt.

Auch auf Facebook haben inzwischen Münchner begonnen, auf einer eigenen Seite Leerstände zu sammeln. Für die grüne OB-Kandidatin Sabine Nallinger liegt der Fokus aber klar auf dem städtischen Wohnraum: "Als Stadt müssen wir Vorbild sein in allen sozialen Fragen, also auch beim Leerstand. Ich bin sehr verärgert, wie das in der Pilotystraße gelaufen ist."

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Auch der Mieterverein ist sauer über die Untätigkeit: "In einer Stadt wie München, in der bezahlbarer Wohnraum wirklich knapp ist und in der immer wieder betont wird, wie wichtig die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist, ist es doch blanke Ironie, dass hier Wohnungen in städtischer Verwaltung leer stehen!", sagt Anja Franz, die Sprecherin des Vereins. Leerstand sei auch ein Fall von Zweckentfremdung. Für die Ahndung solcher Fälle ist die Abteilung Wohnraumerhalt zuständig, die zum Sozialreferat gehört - also eben dem Referat, dass auch für die Stiftungsverwaltung der Pilotystraße 8 verantwortlich ist.

Eine Verquickung, die nicht nur der Mieterverein, sondern auch die FDP unglücklich findet. Bereits nach der Goldgrund-Aktion in der Müllerstraße im März habe man sich erkundigt, ob in Fällen städtischen Leerstands Bußgelder verhängt werden könnten. Das sei von der Stadt verneint worden, weil "die Bußgeldbehörde derselben Funktionseinheit angehört wie die betroffene Stelle", zu deutsch: weil die Stadt sich nicht selbst bestraft. Man könne nur "nachhaltig ermahnen". Die FDP will jetzt von OB Ude wissen, ob er seine Sozialreferentin ermahnt.

© SZ vom 24.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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