Nach der Zinssenkung der Fed:"Die EZB muss nun Ruhe bewahren"

Um die US-Wirtschaft vor der Rezession zu schützen, hat die US-Notenbank zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage die Zinsen gesenkt. Diese Entscheidung wird kontrovers diskutiert.

Nach der Not-Senkung der vergangenen Woche hat die US-Notenbank die Zinsschraube am Dienstag ein weiteres Mal gelockert. Sie senkte den Leitzins um 50 Basispunkte auf drei Prozent, den niedrigsten Wert seit Juni 2005.

Nach der Zinssenkung der Fed: Ben Bernanke: Der Fed-Chef erntet für seine expansive Geldpolitik harte Kritik.

Ben Bernanke: Der Fed-Chef erntet für seine expansive Geldpolitik harte Kritik.

(Foto: Foto: RTR)

Obwohl die erneute Zinssenkung weltweit erwartet worden war, ist sie besonders in Europa nicht unumstritten. In Deutschland stößt die expansive Geldpolitik der Amerikaner teils auf scharfe Kritik. "Angesichts der realwirtschaftlichen Lage in den USA sind die starken Zinssenkungen der US-Notenbank übertrieben", sagte Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. Die US-Notenbank lasse sich von den Finanzmärkten treiben. Er glaube an eine Erholung der US-Wirtschaft: "Die konjunkturelle Entwicklung in den USA ist in der Vergangenheit oft unterschätzt worden." Im Gesamtjahr erwartet der Volkswirt ein deutliches Wirtschaftswachstum von rund 2,2 Prozent.

Auch deutsche Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter sieht die USA nicht in eine Rezession schlittern. Er kritisierte die Geldpolitik der US-Notenbank scharf. "Die jüngsten Konjunkturdaten signalisieren keine Rezession in den USA", sagte Walter der Berliner Zeitung. Daher seien die Zinssenkungen aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt. Nur, wenn "die Rezession da und die Inflation weg ist", sei der Schritt angebracht, sagte Walter.

"Wahrscheinlichkeit einer Rezession gesunken"

Für den Konjunkturchef des ifo-Instituts Kai Carstensen hat US-Notenbankchef Ben Bernanke hingegen genau richtig gehandelt. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Durch die Zinssenkung ist die Wahrscheinlickeit einer Rezession gesunken", sagte Carstensen zu sueddeutsche.de. Die jüngst veröffentlichten Konjunkturdaten zeigen eine deutliche Verlangsamung des Wirtschftswachstums. Die 4,9 Prozent im dritten Quartal 2007 schrumpften auf 0,6 Prozent im vierten Quartal - jeweils gegenüber dem Vorquartal auf das Jahr hochgerechnet. Auch Bundeswirtschaftminister Michael Glos hat die erneute Leitzinssenkung in den USA begrüßt. "Wir hoffen, dass das dazu hilft, dass es nicht zu einer Rezession in Amerika kommt", sagte er. Eine Rezession hätte letztlich auch Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und den hiesigen Arbeitsmarkt.

Der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts HWWI, Thomas Straubhaar warnt hingegen, dass die US-Notenbank die Fehler der Vergangenheit wiederholt, die zum Platzen der Immobilienblase geführt hätten. Durch die Zinssenkung würde "die Wirtschaft mit zu billigem Geld versorgt," so Straubhaar. "Kurzfristig mag die Zinssenkung helfen, vor allem die Börsenkurse zu stabilisieren," sagte er im Deutschlandfunk. Aber mittel- und längerfristig sei das keine gute Lösung.

Entwarnung für Deutschland

Vor dem Schreckgespenst Rezession muss man sich in Deutschland und Europa nicht fürchten. Darin sind sich die Experten einig. "Wir haben ein vergleichsweise stabiles makroökonomisches Umfeld", so Straubhaar. Daher könne man "mit der notwendigen Gelassenheit bei allen Schrecken für die Aktionäre" die Entwicklung an den Finanzmärkten betrachten. Auch der ifo-Experte Carstensen gibt für Deutschland eindeutig Entwarnung: "In Deutschland wird es erst recht zu keiner Rezession kommen," so Carstensen zu sueddeutsche.de. Negatives Wirtschaftswachstum erwarte er hierzulande weder 2008, noch im kommenden Jahr.

Dass das Wachstum in Deutschland durch sinkende Exporte auf jeden Fall einen Gang zurückschalten wird, erklärt Andreas Rees, Chefvolkswirt der HVB für Deutschland. "Der Rückgang bei Ausfuhren in die USA wird aber durch die steigenden Exporte in die Schwellenländer und nach Mittel- und Osteuropa deutlich gedämpft," sagte Rees zu sueddeutsche.de.

EZB soll nicht nachziehen

Angesichts der weiterhin guten wirtschaftlichen Daten und bestehender Inflationsgefahren sei eine Zinssenkung in der Eurozone derzeit nicht sinnvoll. Laut Experten werde die Europäische Zentralbank (EZB) der Fed daher nicht schnell folgen "Für die Europäische Zentralbank werden Zinssenkungen erst gegen Ende dieses Jahres ein Thema," so Deutsche-Bank-Mann Walter. Eine Zinssenkung hält auch Carstensen derzeit nicht für sinnvoll. "Die EZB muß nun Ruhe bewahren und soll auf keinen Fall nachziehen," rät der Experte. Denkbar sei eine Zinssenkung im Euroraum erst nach dem Abkühlen der Inflation im zweiten Halbjahr 2008. "Aber nur ein Viertel Prozentpünktchen," sagte Carstensen.

Die deutsche Exportwirtschaft warnte die EZB, der Fed übereilt zu folgen: "Die EZB sollte jetzt auf keinen Fall vorschnell handeln, sondern sich die Lage in Europa in aller Ruhe anschauen", sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes, Anton Börner, dem Tagesspiegel.

Gründe für wirtschaftspolitisches Eingreifen der europäischen Politiker nach dem Vorbild der USA sehen die Finanzexperten derzeit nicht. Mit Steuerentlastungen im Umfang von 150 Milliarden Dollar will US-Präsident Bush den stotternden Wirtschaftsmotor wieder zum Laufen bringen. "Jetzt hektische Pakete zu schnüren und eine Steuerreform zu machen, finde ich falsch und nicht notwendig," so Carstensen. Grundsätzlich seien Ausgabenkürzungen um die Wirtschaft krisenfest zu machen aber zu begrüßen. "Um die Konjunktur in Deutschland zu stabilisieren, sind auch Steuersenkungen eine Option", so Postbank-Volkswirt Bargel.

Für zusätzliches Wirtschaftswachstum sorgen laut HVB-Mann Rees bereits die steuerpolitischen Maßnahmen des Vorjahres - wie etwa die Senkung des Körperschaftsteuersatzes. "Insgesamt bringt uns das ein halbes Prozent beim BIP," so Rees zu sueddeutsche.de.

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