Nach den Festnahmen:Warum die beiden Männer unter Terrorverdacht standen

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  • Am Donnerstag wurden zwei Männer festgenommen, weil sie angeblich eine "schwere, staatsgefährdende Gewalttat" planten und Kontakte zur IS-Terrormiliz unterhalten haben sollen.
  • Einen Tag später ist klar: Der Verdacht war schlichtweg falsch.
  • Weil Journalisten von dem Verdacht erfahren hatte, griffen die Ermittler schon früher zu.

Von Susi Wimmer, München

So schnell wie der Zugriff erfolgt war, so schnell waren die mutmaßlichen Terror-Verdächtigen auch schon wieder frei: Am Freitagvormittag ordnete die Staatsanwaltschaft an, den 46-jährigen Iraker und einen 29 Jahre alten Nigerianer aus dem polizeilichen Gewahrsam zu entlassen.

Tags zuvor waren die Männer festgenommen worden, weil sie angeblich eine "schwere, staatsgefährdende Gewalttat" planten und Kontakte zur IS-Terrormiliz unterhalten haben sollen. Der Tipp auf die beiden Männer kam nach SZ-Informationen vom Bundesnachrichtendienst (BND). Und so wie es aussieht, war er schlichtweg falsch.

Der Hinweis auf die festgenommenen Männer solle aus den USA gekommen und dann über den BND und das Bundeskriminalamt (BKA) an das Landeskriminalamt (LKA) gegangen sein, heißt es in Justiz- und Polizeikreisen. All das sei erst am Donnerstagnachmittag passiert.

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Vor ein paar Wochen allerdings waren dem BKA Namenslisten von IS-Kämpfern zugespielt worden; die vorübergehend verhafteten Männer könnten mit Personen von dieser Liste in Kontakt stehen, lautete der Verdacht. Die beiden leben seit einigen Monaten in einem Asylbewerberheim in Mittelstetten im Landkreis Fürstenfeldbruck. Die Unterkunft und deren Bewohner gelten als völlig unproblematisch, die Asylbewerber seien im Ort bestens integriert, sagte Bürgermeister Andreas Spörl am Tag nach dem Polizeieinsatz.

Der begann am Donnerstagnachmittag mit einer Observierung der beiden Männer durch das LKA. Sie waren gerade in München mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, fuhren mal in die eine Richtung, stiegen aus und fuhren wieder in die andere Richtung.

Warum die beiden Männer dann festgenommen wurden

Die Ermittler fanden das sehr verdächtig - hätte ja sein können, dass die beiden die Polizisten erkannt hatten und sie abhängen wollten. Die Betroffenen sollen später bei ihrer Befragung freilich eine ganz simple Erklärung für ihren Zickzack-Kurs geliefert haben: "Wir kennen uns mit den Verkehrsmitteln hier nicht so gut aus."

Noch während die LKA-Ermittler die Männer beobachteten, kam den Behörden eine Anfrage von Journalisten in die Quere, die offenbar Wind von der laufenden Observierung bekommen hatten. "Wir wollten nicht, dass die Männer von einem Verdacht erfahren und dann eventuell untertauchen", sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch.

Also griffen die Polizisten zu. Der eine Verdächtige war schon mit S-Bahn und Bus zurück auf dem Weg nach Mittelstetten. Dort griffen Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) den Mann beim Aussteigen aus dem Bus auf, vor den Augen mehrerer Schulkinder. Der zweite Mann wurde gegen 17 Uhr in einer Spielothek an der Goethestraße festgenommen.

Was folgte, war Nachtarbeit: Dolmetscher wurden einbestellt, die Handys und Tablets der Männer sichergestellt und gesichtet. Eine Einheit rückte an und durchsuchte die Zimmer in der Asylbewerberunterkunft. Und am Ende der Nacht war klar: Da ist nichts. Keine verdächtigen Gegenstände, die auf Sprengsätze schließen ließen, keine Telefonate zu IS-Terroristen, nur zwei Männer, die artig alle Fragen beantworteten und sich äußerst kooperativ zeigten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigte den Einsatz am Freitag dennoch: "So verhalten sich die Sicherheitsbehörden: Im Zweifel eher früh zugreifen als zu spät." Oberstaatsanwalt Steinkraus-Koch sagt, irgendwann hätte man die Männer ohnehin überprüft und befragt.

© SZ vom 09.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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