Nach dem Urteil:Plaketten und Zonen

CSU und SPD lesen das Urteil anders als die Opposition

Von Andreas Schubert

Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs wird das Rathaus in der nächsten Zeit ordentlich beschäftigen. Denn die Vorgabe des Gerichts ist klar: Um die Stickstoffoxidbelastung zu senken, muss bis August der Entwurf eines Konzepts vorliegen, bis Ende des Jahres muss es fertig sein. Das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) vertritt den Standpunkt, dass es derzeit keine ausreichenden Rechtsgrundlagen für Dieselfahrverbote gibt. Eine solche wäre etwa die viel diskutierte blaue Plakette. Umweltreferentin Stephanie Jacobs erklärt, man müsse dieses Thema genauso angehen wie Feinstaub und die Umweltzone durch neue Plaketten verschärfen. Sie sieht den Bund in der Pflicht, eine "verhältnismäßige und vollziehbare Plakettenlösung" zu schaffen.

Auch in der Rot-Schwarzen Rathauskoalition ist man dieser Auffassung. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärt, es brauche dringend entsprechende rechtliche Voraussetzungen, deshalb sei der Freistaat gemeinsam mit dem Bund aufgefordert, möglichst schnell diese Voraussetzungen zu schaffen. Er spricht sich für Übergangsregelungen aus, insbesondere für den gewerblichen Verkehr. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl stimmt der Erklärung zu, dass die rechtlichen Grundlagen fehlten, spricht sich ebenfalls für die blaue Plakette als einzig wirksame und durchsetzbare Maßnahme sowie für Ausnahmen aus und ergänzt: "Dieses Urteil begründet kein Münchner Dieselfahrverbot ab 2018." Das Konzept sei als "Handlungskonzept für die Zukunft" gedacht.

Die Fraktion Grüne-Rosa Liste dagegen drängt auf schnelles Handeln. Abzuwarten, bis der Bund etwas unternehme, sei nicht der richtige Kurs, meint Fraktionschef Florian Roth. "Es muss ein vollziehbares Konzept für Fahrverbote her", sagt er. Er vertritt eine andere Lesart des Urteils. Schon jetzt seien Fahrverbote möglich, auch ohne Bundesgesetz. Zur Erinnerung: Schon im September vergangenen Jahres hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärt, Fahrverbote seien laut Bundesimmissionsschutzgesetz schon jetzt möglich - nicht ohne sich dann gegen solche Verbote auszusprechen. Ohne Verkehrsverbote sei eine Reduzierung der Belastung durch Stickstoffdioxid (NO₂) der Stadt aber kurzfristig nicht möglich, argumentieren die Grünen. Sie sprechen sich in einem Antrag für eine "Umweltzone Plus" aus, die mindestens im Bereich der heutigen Umweltzone liegen soll. Dabei sei auch die Ausweitung der Zone, etwa auf den Mittleren Ring selbst, zu prüfen. Weil bei den N0₂-Werten die Jahresmittelwerte zählen, sei ein zeitlich begrenztes Fahrverbot nicht sinnvoll. Doch auch die Grünen sprechen sich für Ausnahme- und Übergangsregelungen aus, zudem fordern sie weitere NO₂-Messtationen im Stadtgebiet.

Aber das reicht für die Grünen nicht aus. Die Forderungen des Bürgerbegehrens "Reinheitsgebot für saubere Luft" nach dem bis zum Jahr 2025 insgesamt 80 Prozent des Verkehrs aus abgasfreien Fahrzeugen, ÖPNV, Fuß- und Radverkehr bestehen soll, müssten ebenso schnell umgesetzt werden - und dessen Ziele im nächsten Verkehrsentwicklungsplan formuliert werden. Wichtig sei es, sagt Stadtrat Paul Bickelbacher, mit den Maßnahmen sofort anzufangen.

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