Nach Aufruf zu Boykott:Umstrittene Wahl

Mitglieder des Migrationsbeirats warnen vor "Grauen Wölfen"

Von Thomas Anlauf

Kurz vor der Wahl des Münchner Migrationsbeirats an diesem Sonntag ist die Stimmung unter den Kandidaten aufgeheizt. Nachdem bekannt wurde, dass die Wahl möglicherweise aus dem Umfeld der als extrem nationalistisch geltenden "Grauen Wölfe" manipuliert werden sollte und es daraufhin aus dessen Reihen zum Boykottaufruf für in München lebende Türken kam, versuchten am Freitag Vertreter anderer Gruppierungen, Sachlichkeit in die Debatte zu bringen.

"Wahlboykott kann nicht der richtige Weg sein", sagte Hamado Dipama von der Liste "Aktiv International Solidarisch", der Mitglied im Migrationsbeirat ist. "Wir appellieren an alle Wähler, am 22. Januar zur Wahl zu gehen." Er sei froh, dass dank der Grünen im Stadtrat "vor der Wahl bekannt geworden ist", dass es möglicherweise Manipulationen bei der Briefwahl gibt. Dennoch "bedauern wir sehr, dass die einzige Möglichkeit, die wir als Migranten haben, an den demokratischen Strukturen teilzuhaben, in den Dreck gezogen wird", so Dipama.

Azad Yousuf Bingöl, ein in München geborener Kurde, warnte davor, dass die "Grauen Wölfe" nicht erst "ein Problem von heute" seien: "Sie werden seit vielen Jahren hier toleriert", so Bingöl, der für die Liste "Kurdistan" kandidiert. Immerhin seien Mitglieder der vom Verfassungsschutz beobachteten türkischen Organisation der "Grauen Wölfe" seit drei Wahlperioden im Migrationsbeirat vertreten. Dabei sei seit Jahrzehnten bekannt, dass sie eine paramilitärische Einheit in der Türkei darstellten und sie zahlreiche Verbrechen auch außerhalb der Türkei begangen hätten. Man müsse sich nun in München offen mit den "Grauen Wölfen" auseinandersetzen, sagte Bingöl, "sonst sind sie morgen für uns alle ein Problem".

Zu einem Eklat kam es, als bei der Pressekonferenz in den Räumen von "Bellevue di Monaco" an der Müllerstraße Levent Ekiz, Spitzenkandidat der "Neuen Europäer", auftauchte und lautstark Rederecht einforderte. Colin Turner, der zu der Konferenz einiger Listen für den Migrationsbeirat eingeladen hatte, lehnte das jedoch ab. Das sei so ähnlich, wie wenn die SPD auf Bundesebene zu einer Pressekonferenz einlade und Frauke Petry von der AfD würde dort auftreten und Rederecht verlangen, sagte Turner, der ebenfalls für den Migrationsbeirat kandidiert. Ekiz, der sich mit der Antwort jedoch nicht zufrieden geben wollte und weiterhin lautstark Rederecht einforderte, wurde daraufhin von Stadtrat Cetin Oraner (Linke) als "Faschist" bezeichnet. Der Hotelmanager rief die Polizei und erstattete Anzeige wegen Beleidigung. Er versicherte der Süddeutschen Zeitung, dass weder er noch ein anderer Kandidat auf seiner Liste zum Wahlboykott aufgerufen habe. Er selbst bezeichnete sich als Sozialist. In einer Erklärung zu dem Zwischenfall betont Oraner zusammen mit Parteifreunden dagegen: "Völlig absurd ist der Versuch der Rechten, sich selbst als Opfer darzustellen." Die rechten Kräfte wollten die Münchner türkischer Herkunft spalten. Weil der Verdacht im Raum steht, dass sich mehrere zur Wahl antretende Listen illegal Unterlagen von Wahlberechtigten beschafft haben ermittelt die Staatsanwaltschaft.

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