Nach Amoklauf:Wie es im McDonald's am Olympia-Einkaufszentrum weitergeht

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Die Filiale hat wieder geöffnet, es soll ein Schritt zur Normalität sein. Doch wie normal geht es schon zu, elf Wochen nach dem Amoklauf? Ein Besuch.

Von Christoph Koopmann, München

Viele der Blumen sind mittlerweile verwelkt, das rote Glas einiger Grabkerzen ist gesprungen. Das Plüschfell der Eisbären, Pinguine und Häschen in Miniatur ist verfilzt. Passanten eilen an den spontan eingerichteten Gedenkstätten vorbei, nur einige wenige halten kurz inne. Hier am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in Moosach erschoss ein 18-Jähriger am 22. Juli neun Menschen und später sich selbst. In der McDonald's-Filiale am OEZ tötete er fünf Jugendliche.

Das Schnellrestaurant blieb nach dem Amoklauf wochenlang geschlossen. Am Sonntag eröffnete es in neuem Gewand wieder. Es soll ein Schritt zurück zur Normalität sein. Ein Symbol dafür, dass man sich von solch furchtbaren Taten nicht einschüchtern lässt. Doch wie normal geht es schon zu am OEZ, knapp elf Wochen danach?

"Es fühlt sich schon merkwürdig an, wieder hier zu sein", sagt Deniz. Es ist ihm anzusehen, dass er sich hier vor dem Einkaufszentrum nicht sonderlich wohl fühlt. Unablässig tippelt der 16-Jährige vom einen Fuß auf den anderen, vergräbt die Hände in den Taschen seiner schwarzen Steppjacke. Er war vor zweieinhalb Monaten dabei. Nur Minuten bevor der Täter den McDonald's stürmte, hatte er noch dort gegessen. "Ich war grade rausgegangen und rüber ins Einkaufszentrum, da habe ich von hinten Schüsse gehört", erzählt er.

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Danach hat er sich versteckt und abgewartet, bis es vorbei war. "Ich war einfach schockiert, als ich realisiert habe, was da gerade passiert", sagt Deniz. 80 Tage später ist er zum ersten Mal seitdem hier. Wieder hat er bei McDonald's gegessen, für ihn ist es eine Art Trauma-Therapie. "Ich habe lange überlegt, ob ich das schon schaffe", sagt er, "aber das Leben muss ja weitergehen."

So denken auch die Betreiber des Schnellrestaurants. McDonald's ließ die Filiale an der Hanauer Straße komplett umbauen, nichts sollte hier mehr an den Tatort vom 22. Juli erinnern. Ein neues, elektronisches Bestellsystem steht jetzt im Eingangsbereich, der wie der Rest des zweistöckigen Restaurants mit moderner Holzoptik neu gestaltet wurde. "Für uns war zügig klar, dass wir wieder eröffnen werden. Allerdings war ebenso klar, dass es nicht in der damaligen Form, sondern mit neuem Gesicht sein würde", sagt Unternehmenssprecher Philipp Wachholz.

Betritt man die umgebaute Filiale jetzt, fühlt es sich tatsächlich nicht so an, als sei hier noch vor wenigen Wochen irgendetwas Außergewöhnliches passiert. Der Gastraum ist mittags um zwölf zu gut zwei Dritteln gefüllt, man hört viel zu laute, heitere Gespräche, Schmatzen, das beständige Zischen von Fritteusen und Grills. Äußerlich lässt sich hier niemand etwas anmerken. Aber dennoch ist klar: "Für niemanden, der dabei war, ist dies einfach. Deshalb haben wir umgehend nach dem Vorfall eine psychologische Betreuung für die Mitarbeiter organisiert. Dieses Angebot besteht, solange es Bedarf gibt", sagt Wachholz.

Einige Mc Donald's-Mitarbeiter konnten trotzdem nicht wieder am OEZ arbeiten, zu traumatisch war der Amoklauf. Sie werden jetzt in einer anderen Filiale eingesetzt. "Der Weg zurück zur Normalität ist sicherlich nicht einfach. Die Wiedereröffnung ist ein wichtiger Schritt dahin, den sich auch viele gewünscht haben", sagt Wachholz.

"Ich bin am Arsch", konstatiert der Obsthändler platt

Normalität, das wünscht sich auch Faruk Sazil. Er betreibt zwischen Schnellrestaurant und U-Bahn-Station einen Obststand. Auch er war beim Amoklauf vor Ort, nur die Scheibe einer Telefonsäule bewahrte ihn vor einem Querschläger aus der Waffe des Täters. Er konnte nicht erst elf Wochen warten, ehe er wieder an den Tatort zurückkehren musste. "Irgendwie muss ich ja meine Frau und mein Kind ernähren", sagt der 31-Jährige.

Aus Angst vor diesem Ort, und weil der Eingang zur U-Bahn-Station nebenan lange gesperrt war, blieben so gut wie alle Kunden weg. Die Folgen des Amoklaufs hätten ihn finanziell ruiniert, sagt Sazil. "Ich bin am Arsch", konstatiert er platt. Er erhofft sich Hilfe von der Stadt, an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will er in den nächsten Tagen schreiben. Sollte sich die Situation nicht bessern, will er mit seinem Stand weg vom OEZ. Doch ein bisschen Hoffnung hat er noch, dass hier bald alles wieder so ist wie früher: "Dass der McDonald's wieder geöffnet hat, ist als Symbol sehr gut. Mal schauen, ob die Leute sich jetzt wieder hierher trauen." Sazil muss jetzt weiterarbeiten, sich um die wenigen Kunden kümmern. Vorher nippt er noch an seinem Becher Kaffee, den hat er vom McDonald's nebenan.

Auch im OEZ selbst, wo der Amokläufer einen Menschen getötet und viele weitere verletzt hatte, geht vieles wieder seinen gewohnten Gang. Vor einigen Wochen begann das Einkaufszentrum, wieder Werbung zu schalten. Am Haupteingang gehen die Kunden direkt an Blumen, Kerzen und Kuscheltieren vorbei. Drei Jungs in Trainingsjacken und Turnschuhen bleiben stehen, ein, zwei Minuten lang. Bald soll am OEZ eine Gedenkstätte an die Opfer erinnern, die nicht verwelkt und vergilbt. Bis Ende Oktober entscheide der Stadtrat wohl darüber, wie die Ausschreibung für das Mahnmal ablaufen soll, sagt ein Sprecher des Kulturreferats. Bereits zum ersten Jahrestag des Amoklaufs soll es eine würdige Gedenkstätte geben.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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