Nach Amoklauf am OEZ:Waffenhändler-Prozess: Nebenkläger lehnen Richter erneut ab

  • Der Prozess um den Waffenhändler Philipp K. hat an Schärfe gewonnen: Nebenklage und Staatsanwaltschaft giften sich an.
  • Vier Anwälte der Nebenklage stellten zudem erneut einen Befangenheitsantrag gegen die Strafkammer.
  • Die weigere sich, K.s Taten als Beihilfe zum Mord einzustufen. K. verkaufte dem Amokläufer vom OEZ die Waffe, mit der dieser neun Menschen tötete.

Von Susi Wimmer

Tag 13 im Prozess um den Waffendealer Philipp K. begann mit einem Eklat: Vier Anwälte der Nebenklage beantragten erneut, die Strafkammer unter Vorsitz des Richters Frank Zimmer wegen Befangenheit abzulehnen. Das Gericht versperre sich in hartnäckiger und rechtswidriger Weise, eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord in Betracht zu ziehen, so die Begründung. Philipp K. hatte im Darknet dem Münchner Attentäter David S. eine scharfe Waffe verkauft. Mit dieser hatte der 18-Jährige im Juli 2016 am Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen erschossen.

Wusste Philipp K., dass der Münchner Schüler mit der Glock 17 einen Anschlag plante? Ein Großteil der Nebenklagevertreter in dem Prozess würde diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Gerade in den letzten Tagen hätten sich neue Hinweise durch Zeugenaussagen ergeben, die dies bestätigten. Doch bislang wurden die Anträge der Nebenklage, auch eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord zu erwägen, allesamt vom Gericht abgelehnt.

Zudem werfen die Nebenklageanwälte der Kammer vor, sich der sachgerechten Aufklärung zu versperren. Bereits am ersten Verhandlungstag hatten drei Anwälte der Nebenklage das Gericht für befangen befunden. Anwalt Yavuz Narin warf der Kammer "abfällige, zynische und pietätlose Bemerkungen" über die Familien der Opfer vor. Die zuständige Kammer zur Überprüfung der Befangenheit lehnte den Antrag jedoch ab.

In den letzten Verhandlungstagen hatte eine Familie aus Nordrhein-Westfalen ausgesagt. Sohn Uwe F. und seine heutige Ex-Frau Elke hatten im Darknet Waffen gekauft. Die Eltern sowie eine Tochter bezeugten, dass Schwägerin Elke am Tag des Attentats zu ihnen gekommen sei und behauptet habe, sie hätte von den Anschlagsplänen gewusst und den Täter sowie den Waffenverkäufer sogar über einen Mittelsmann im Netz mit dem Namen "blab" im Schießen angeleitet. Sie habe von der Waffe Glock gesprochen, von einem Einzeltäter, dass muslimische Bürger das Ziel sein sollten und dass extra der Jahrestag von Breiviks Attentat gewählt worden sei. Sie habe also Täterwissen gehabt.

Der Angeklagte hatte zum Prozessauftakt den Verkauf der Glock eingeräumt, über seine Verteidiger aber kund tun lassen, dass, wenn er gewusst hätte, zu was die Waffe verwendet werde, er sie nicht verkauft hätte. Die sei, so meinen einige Nebenkläger, eine reine Schutzbehauptung. Aus Chats im Darknet von Philipp K. gehe hervor, dass ihm das egal war. "Was du genau mit den Waffen machst, ist deine Sache", schrieb er einem Kunden. Nach dem Waffenkauf und der Order von mehr Munition hatte David S. sogar angekündigt, im Urlaub in Österreich mit der Waffe rumballern zu wollen, und wenn noch Munition übrig sei, werde er "Kanaken abknallen".

Wesentlich in dem Prozess sind sicherlich die Ermittlungen im Darknet. Die Plattform, auf der Philipp K. seine Verkäufe getätigt hatte, wurde mittlerweile geschlossen. Dort war auch der mysteriöse "blab" unterwegs, offenbar ein Web-Freund des Waffendealers. Anwalt Narin beantragte erneut, die Akten in das Verfahren einzubeziehen, die eventuell Hinweise auf die Identität von "blab" geben könnten. In dem Netzwerk allerdings surften nicht nur Waffennarren und dubiose Gestalten, sondern auch Ermittler.

Der Prozess wurde unterbrochen

Laut Yavuz Narin hatten sie sogar Kontakt mit dem späteren Attentäter, als dieser auf der Suche nach einer Waffe war. Wie weit die Ermittler bei ihren anonymen Recherchen im Netz gegangen sind, wer eventuell als V-Mann oder V-Frau der Polizei dort unterwegs war, auch darüber hätten die Anwälte gerne Auskunft. Die Auswertungen der Chats in dem ausgehobenen Waffenforum könnten ebenfalls Erkenntnisse für das Verfahren in München bringen, so die Anwälte.

Der Prozess wurde am Donnerstag unterbrochen und soll mit einer Entscheidung über den Befangenheitsantrag am Freitag, 6. Oktober, fortgesetzt werden. Der Ton im Gerichtssaal indes hat an Schärfe gewonnen. Staatsanwaltschaft und einige Nebenklageanwälte giften sich an, die Anwälte des angeklagten Waffendealers verhalten sich relativ ruhig, ihr Mandant äußert sich ohnehin nicht, und Richter Frank Zimmer ist bemüht, mit stoischer Gelassenheit die Flut an Beweisanträgen der Nebenklage zu sortieren.

Und, der Eindruck drängt sich den Zuhörern auf, er ist bemüht, den Prozess möglichst schnell zu Ende zu bringen. Die Staatsanwaltschaft möge sich auf die Plädoyers vorbereiten, hieß es am Mittwoch. Nach dem Befangenheitsantrag und diversen weiteren Anträgen zu Ermittlungen und Zeugenbefragungen wurden nun fünf weitere Verhandlungstage anberaumt.

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