MVV-Tarife:Eine Frage des Preises

MVV

Schon heute zahlen MVV-Fahrgäste rund 40 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren.

(Foto: Symbolbild/dpa)

Die Preiserhöhung im MVV kommt, so viel ist sicher. Wie hoch sie ausfallen wird, ist noch unklar. Doch auch andere Großstädte sind nicht billiger - auf den ersten Blick. Denn vergleichen lassen sich die Tarife nur sehr schwer.

Von Marco Völklein

Nein, sagt Anja Smetanin aus der Berliner Zentrale des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), an einen bundesweiten Vergleich der Nahverkehrstarife habe man sich noch nicht gewagt. Überlegt hatten es die Tester zwar; schließlich vergleicht der ökologisch orientierte Verkehrsverband mittlerweile fast alles, was irgendwie mit umweltfreundlicher Mobilität zu tun hat. Die Fahrradfreundlichkeit der Städte zum Beispiel. Oder deren Umgang mit Fußgängern. Auf die Frage aber, ob der öffentliche Nahverkehr in München nun teurer oder billiger ist als in Berlin oder Hamburg - auf diese knappe Frage kann der Klub keine klare Antwort geben.

"Die Bedingungen in den Verbünden sind total unterschiedlich", erklärt Smetanin. Mal sei es in einer Stadt möglich, mit einem Ticket hin und zurück zu fahren, mal könne man nur im Kreis beziehungsweise in eine Richtung unterwegs sein, dafür aber beliebig umsteigen. Allein der Berliner Tarifverbund VBB benötigt 77 Seiten, um seine Preis-, Tarif- und Vertragsbedingungen darzustellen. Ganz abgesehen davon, dass auch noch die Dichte des Takts und des Haltestellennetzes, die Ausstattung der Fahrzeuge und viele andere Faktoren in einen Vergleich einfließen müssten.

So lässt sich etwa festhalten, dass ein Tagesticket in Berlin für 6,70 Euro zwar die ganze Stadt abdeckt; aufgrund der schieren Größe Berlins aber ist das Angebot, das der Fahrgast damit nutzen kann, weniger mit dem MVV-Tagesticket (Innenraum) für sechs Euro vergleichbar - sondern eher mit dem Tagesticket XXL für 8,10 Euro. Wer aber nur in den Münchner Stadtgrenzen unterwegs sein will, benötigt den XXL-Fahrschein schlicht nicht.

Die Strafe für Schwarzfahrer ist überall gleich

Hinzu kommen weitere Details, die sich in den Untiefen der Tarifwerke verstecken. Berlin etwa bietet eine Monatskarte für die Fahrradmitnahme an; München kennt das nicht. In Köln wiederum können sich die Fahrgäste entscheiden, ob sie auf einem Mehrpersonen-Tagesticket mit bis zu fünf Leuten fahren - oder anstelle eines Mitfahrers lieber ein oder zwei Velos transportieren wollen.

Der Frankfurter Verbund bietet Bahncard-Besitzern in ausgewählten Preisstufen Nachlässe; in München hingegen gewährt die Deutsche Bahn Abonnenten des speziell für Langstreckenpendler entwickelten Angebots "AboPlusCard" eine kostenlose Bahncard 25. "All diese Bedingungen beeinflussen den Preis", betont VCD-Expertin Smetanin. "Daher kann man nicht sagen: Berlin ist günstiger als München - oder umgekehrt." Unterm Strich, stöhnt ein Branchenkenner, sei eigentlich nur das "erhöhte Beförderungsentgelt" wirklich miteinander zu vergleichen, das Schwarzfahrern von Kontrolleuren abgeknöpft wird - und das beträgt bundesweit einheitlich 40 Euro.

Dabei beschäftigt viele Münchner die Höhe der Fahrpreise seit ein paar Wochen intensiv. Noch streiten sich die Fachleute darüber, was genau dazu geführt hat, dass die letzte Preiserhöhung mehr oder weniger "verpufft" ist, wie MVV-Geschäftsführer Alexander Freitag sagt. Das neue Studententicket und die flexiblen Gültigkeiten bei Wochen- und Monatskarten sollen schuld sein, glauben MVG-Chef Herbert König und S-Bahn-Geschäftsführer Bernhard Weisser.

Viel Geld, wenig Ergebnisse

Oder sind es doch eher die Rückgänge bei Einzelfahrten aufgrund vieler Baustellen und des milden Winters, wie Freitag sagt? Fest steht: Am Donnerstag wollen OB Dieter Reiter (SPD), Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und die Vertreter der umliegenden Landkreise eine Preiserhöhung beschließen, die nicht gerade moderat ausfallen wird. Auch weil die Erhöhung aus dem Dezember 2013 heuer laut den Unternehmen zu keinen Mehreinnahmen geführt hat. Zudem begründen König wie Freitag die Anhebungen unter anderem auch damit, dass die "durchschnittlichen Einnahmen je Fahrgast in München deutlich unter Bundeswert" liegen. Insbesondere bei den Wochen- und Monatskarten sehen sie Nachholbedarf gegenüber anderen deutschen Städten.

Unabhängige Untersuchungen liegen dazu allerdings kaum vor. Zuletzt hatte der ADAC im Jahr 2010 einen Versuch unternommen und mit seinen Partnerklubs einen europaweiten Vergleich gestartet. Die Tester werteten dabei in 23 Städten je 85 Einzelverbindungen aus und verglichen diese unter anderem mit der "Luftliniengeschwindigkeit". Geprüft wurden auch die Internetseiten, die Umsteigezeiten an den Knotenpunkten und die Ticketpreise - allerdings nur der günstigste Tarif aus Sicht eines Gelegenheitsfahrers.

Viele Pendler haben kein Verständnis

München landete damals auf Platz eins. "Schnelle Verbindungen vor allem innerhalb der Innenstadt, viele Informationen an Haltestellen und in Fahrzeugen, ein äußerst überzeugender Internetauftritt" - all das wurde von den Testern damals gelobt. "Nur bei den Preisen", resümierten die ADAC-Leute abschließend, "da leuchtete München nicht ganz so stark." Aber auch Köln und Hamburg schnitten kaum besser ab. Die Note "sehr gut" bei den Tarifen bekamen dagegen Städte wie Prag, Kopenhagen oder Helsinki, die auch im Gesamtranking noch unter den Top Ten waren. Die Preisunterschiede seien auch das Resultat von Subventionen durch den Staat oder die jeweiligen Kommune, hieß es damals beim ADAC. Daher habe man diese im Rahmen der Studie gar nicht erst untersucht.

Politische Folgerungen für die aktuelle Diskussion lassen sich daraus allerdings schon ziehen, findet Wolfram Liebscher vom Münchner Kreisverband des VCD. Er warnt die MVV-Entscheider vor einem allzu heftigen Preissprung. Zwei bis drei Prozent Zuwachs seien "angesichts der Konjunktur noch angemessen", sagt Liebscher. "Darüber hinaus aber könnte ein Kannibalisierungseffekt eintreten." Die Fahrgäste könnten verstärkt aufs Auto oder Fahrrad umsteigen. Die Folge: "Die Einnahmen würden wegen des Fahrgastschwunds sinken oder im besten Fall weiter stagnieren", sagt Liebscher.

Festzustellen sei aber auch, dass "trotz jährlich erhöhter Fahrpreise die Beförderungsqualität auf vielen Linien eher sinkt", fasst der VCD-Mann die Kritik der Fahrgäste zusammen. Massiv verspätete oder sogar ganz ausgefallene U- sowie S-Bahnen, unpünktliche Busse, überfüllte Trambahnen - für viele MVV-Kunden ist es nicht einsehbar, warum sie für ein aus ihrer Sicht ständig schlechter werdendes Angebot immer mehr bezahlen sollen. "Notfalls müssen die Stadt und die Landkreise mehr Geld zuschießen", fordert daher Liebscher. 2013 hatte die Stadt beschlossen, gut 2,4 Millionen Euro jährlich auszugeben, um die Verlängerung des Zehn-Minuten-Takts bei der Tram am Abend zu finanzieren. Unterm Strich, hieß es damals im Rathaus, habe sich so der städtische Zuschuss für den Nahverkehr in etwa verdoppelt.

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