MVG:Münchner U-Bahn rauscht auf Prellbock - und niemand soll was mitbekommen

MVG: Der Unfall bei der U-Bahn dieses Typs ereignete sich in der Wendeanlage am Bahnhof Feldmoching.

Der Unfall bei der U-Bahn dieses Typs ereignete sich in der Wendeanlage am Bahnhof Feldmoching.

(Foto: MVG)
  • Der Unfall fand in einer Wendeanlage hinter dem Bahnsteig Feldmoching statt, also abseits des regulären Fahrgastbetriebs.
  • Passagiere waren nicht an Bord, lediglich die Fahrerin im Führerstand.
  • Die MVG bemühte sich, den Unfall möglichst nicht bekannt werden zu lassen.

Von Marco Völklein

Zwei DIN-A4-Seiten umfasst der Tagesbetriebsbericht der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) vom Donnerstag, 7. Mai 2015. In einem solchen Bericht fassen die Mitarbeiter alles zusammen, was so passiert an einem Tag in der Münchner U-Bahn.

Gleich um vier Uhr in der Früh kann ein Zug in Fröttmaning nicht eingesetzt werden, gegen 9.30 Uhr meldet eine U-Bahn am Stachus einen Türdefekt. So geht es weiter, um 14.20 Uhr stürzt ein Fahrgast auf einer Rolltreppe in Neuperlach Zentrum, später muss jemand aus einem Lift am Max-Weber-Platz befreit werden. All das sind alltägliche Vorfälle. Um 18.04 Uhr aber ist in dem Bericht der Eintrag "Zusammenstoß Prellbock" zu finden.

Das ist kein alltägliches Problem. Um diese Uhrzeit ist am 7. Mai der Zug 618 vom modernen U-Bahn-Typ C1 am Bahnhof Feldmoching auf einen Prellbock gerauscht. Das Ganze fand in der Wendeanlage statt, also abseits des regulären Fahrgastbetriebs. Passagiere waren demnach nicht an Bord, lediglich die Fahrerin im Führerstand. Die musste, auch das steht in dem Protokoll, nach dem Aufprall vom Krisen-Interventions-Team (KIT) versorgt werden, sie stand wohl unter Schock. Ein Sprecher der Berufsfeuerwehr bestätigt, dass an dem Abend im Mai 2015 Kräfte des KIT sowie ein Rettungswagen zum Bahnhofsareal in Feldmoching geeilt waren.

Bis heute hat von dem Unfall niemand außerhalb der MVG und der zuständigen Aufsichtsbehörde erfahren. Mehr noch: Aus jenem Tagesbericht, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, geht hervor, dass das städtische Verkehrsunternehmen bemüht war, den Unfall möglichst nicht bekannt werden zu lassen. So entschieden die Verantwortlichen am Abend des 7. Mai, dass der beschädigte Zug nach ein Uhr nachts, wenn der U-Bahn-Betrieb komplett ruht, von Feldmoching aus ins Depot nach Fröttmaning transportiert werden sollte.

Recht einsilbige Antworten und eine Rahmenstauchung

Um zu verhindern, dass jemand Fotos von dem Havaristen macht, wurden laut Bericht sämtliche Reinigungsarbeiten in den Bahnhöfen entlang der Überführungsstrecke eingestellt. An diversen Nachtbaustellen entlang der Strecke wurden zudem "Fremdfirmen ebenfalls zurückgehalten", heißt es weiter.

Wer die MVG auf den Vorfall anspricht, erhält recht einsilbige Antworten. Grundsätzlich kommentiere man "interne betriebliche Unterlagen, die ausschließlich für einen klar definierten Kreis von Betriebsbediensteten bestimmt sind, nicht", erklärt ein Unternehmenssprecher. Dies gelte insbesondere, "wenn wie im vorliegenden Fall die Persönlichkeitsrechte von Mitarbeitern betroffen sind". Denn als Ursache hat die MVG nach eigenen Angaben "menschliches Versagen" ausgemacht.

Man habe nach dem Vorfall den Zug "eingehend untersucht" und dabei festgestellt, dass "ein Bremsversagen oder ein anderer technischer Fehler als Ursache ausgeschlossen werden können", erklärt der Sprecher. Das bestätigt auch die Regierung von Oberbayern, der die technische Aufsicht über die MVG obliegt.

Die Technik in der Abstellanlage wie auch im Zug selbst habe "einwandfrei funktioniert", sagt ein Sprecher der Regierung. Es habe "zu keiner Zeit eine Gefahr für die Öffentlichkeit" bestanden, da sich der Unfall ja abseits des Fahrgastbetriebs ereignet hatte. "Deshalb sah die technische Aufsichtsbehörde auch keine Veranlassung, die Öffentlichkeit über das Ereignis zu informieren."

Die MVG erklärt zudem, es gebe keinerlei Bezug zu den anderen 17 Zügen der Baureihe C1 in ihrem Fuhrpark. Daher seien für diese U-Bahnen, die seit 2002 nach und nach in Betrieb genommen wurden, "keinerlei weitere Konsequenzen zu ziehen". Im Einsatz ist Zug 618 auch mehr als ein Jahr nach dem Unfall noch nicht: Laut MVG trugen die ersten beiden Wagen eine Rahmenstauchung davon. Sie würden derzeit repariert.

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