Muslime in München:Extremisten sind eine kleine Minderheit

Gebetsraum der Moschee in Pasing, 2011

Der Gebetsraum in der Moschee in Pasing.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Etwa 120 000 Muslime leben in der Stadt, die meisten stammen aus der Türkei und von der Balkan-Halbinsel. Ein Überblick über verschiedene Gruppierungen in München - und ein Einblick in sonst nahezu unsichtbare Räume.

Von Sarah Kanning und Jakob Wetzel

Die meisten Gebetsräume der Münchner Muslime sind im Stadtbild nahezu unsichtbar. Allein im Bahnhofsviertel gibt es ein knappes Dutzend. Doch das fällt allenfalls am Freitagmittag auf, dann strömen die Gläubigen zum Gebet. Im Münchner Stadtgebiet existieren mehr als 40 Moscheen und Gebetsräume. Berechnungen des Münchner Statistischen Amts zufolge lebten im Dezember 2013 knapp 121 000 Muslime in der Stadt, das entspricht etwas mehr als acht Prozent der Einwohner. Die meisten von ihnen haben türkische Wurzeln, die zweitgrößte Gruppe stammt aus Ländern der Balkan-Halbinsel. Dazu kommen zahlreiche kleinere Gemeinden aus dem arabischen Raum sowie von Iranern, Kurden, Afghanen und anderen.

Die Geschichte der Münchner Muslime reicht bereits Jahrhunderte zurück: Im 17. Jahrhundert ließ der bayerische Kurfürst Max Emanuel etwa 800 türkische Kriegsgefangene in die Stadt verschleppen. Einigen freilich gefiel es hier trotz Gefangenschaft so gut, dass sie bleiben wollten - selbst dann noch, als ihre Kameraden im Jahr 1699 heimkehren durften. Und so ließen sie sich in einem der damaligen Dörfer vor der Stadt nieder, in Haidhausen oder in der Au; sie mussten sich allerdings katholisch taufen lassen.

Die erste beständige islamische Gemeinde Münchens entstand erst 1951. Mehrere hundert Muslime aus der Sowjetunion waren nach dem Zweiten Weltkrieg in der Siedlung Ludwigsfeld am Stadtrand gestrandet, wo sie sich zur Gemeinde zusammenfanden. Später kamen zahlreiche Studenten nach München, in den Sechzigerjahren ließen sich viele Türken in der Stadt nieder, die als Gastarbeiter angeworben worden waren. Weitere Muslime kamen zum Teil als Flüchtlinge, etwa aus Afghanistan oder China. Viele Gruppen bildeten eigene Gemeinden.

Im Jahr 2007 gründeten die vier größten islamischen Organisationen in Deutschland den Koordinationsrat der Muslime: die Türkisch-Islamische Union der Anstalt der Religion (Ditib), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, der Verband der Islamischen Kulturzentren sowie der Zentralrat der Muslime in Deutschland. Sie alle sind von der Bundesregierung als Gesprächspartner anerkannt. Ditib beispielsweise, weil sie vom staatlichen Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei geleitet wird. Zu Ditib gehören im Münchner Umland zwölf Moscheen und Gebetszentren, davon vier im Münchner Stadtgebiet: in Sendling, Milbertshofen, Pasing und Allach. Insgesamt sind 1000 offizielle Mitglieder eingetragen. Aykan Inan, Regionalreferent und Landesbeauftragter für Ditib, schätzt allerdings, dass bis zu 10 000 Muslime in München die Freitagspredigten besuchten und die Dienste von Ditib in Anspruch nehmen.

Welche Gruppen wie eingeordnet werden

Extremistische Muslime bilden in München eine kleine Minderheit. Die größte vom Verfassungsschutz beobachtete islamistische Gruppe ist mit bayernweit 4700 Mitgliedern die Islamische Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG). Ihr werfen die Verfassungsschützer vor, die laizistische Staatsordnung in der Türkei durch eine islamische Staats- und Gesellschaftsordnung ablösen zu wollen. Selbst erklärt die Gemeinschaft, sie fühle sich "dem Wohl der Gesellschaften, in denen sie tätig ist, verpflichtet".

Das "Islamische Zentrum München" wiederum gilt als der ägyptischen Muslimbruderschaft nahestehend. Die Moschee in Freimann, eine parabelförmige Schalenkonstruktion mit 33 Meter hohem Minarett, wurde 1967 bis 1973 mit Unterstützung von 14 islamischen Staaten, darunter Libyen, errichtet. Bauherr und Träger ist die Islamische Gemeinschaft in Deutschland, die laut Verfassungsschutz die Muslimbruderschaft als Teil einer globalen "Islamischen Bewegung" vertritt. Mehrfach gab es in der Moschee Razzien der Polizei.

Die Al-Salam-Moschee und die Darul-Quran-Moschee schließlich werden der salafistischen Bewegung zugerechnet: als Plattformen für salafistische Vorträge und Islam-Unterricht. In der kommenden Woche etwa ist in der Al-Salam-Moschee ein Vortrag von Ahmed Abul Baraa angekündigt, einem Berliner Salafisten, dessen "Islam-Seminare" der Berliner Verfassungsschutz für problematisch hält und als "Beeinflussung mit extremistischem Gedankengut" bezeichnet. Der Imam der Darul-Quran-Moschee, Abu Adam, gilt in der Szene eher als isoliert. Er ist nach Leipzig umgezogen und kommt nur noch etwa zwei Mal im Monat nach München, um zu predigen.

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