Frauen im Pop:"Als Sängerin wirst du da draußen unterschätzt"

Frauen in der Musikbranche (im Bild Yael Coen vom Duo Lola Marsh) sehen sich häufig mangelndem Respekt ausgesetzt.

Yael Coen von Lola Marsh auf der Manic Street Parade: Können Frauen nur ins Mikro hauchen? Derartigen Vorurteilen sehen sich viele in der Musikbranche ausgesetzt.

(Foto: Catherina Hess)

Keine Ahnung von Technik, und höchstens dazu da, backstage Essen aufzufüllen: Frauen in der Musikbranche müssen sich häufig mit Vorurteilen herumschlagen. Wie man das System ändern könnte.

Von Michael Zirnstein

So etwas passiert höchstwahrscheinlich nicht beim Klangfest München, aber bei anderen Festivals hat Julia Viechtl sich schon oft schwach anreden lassen müssen. Als sie noch mit ihrer Band Fertig, Los! auf Tour war, kam es vor, dass ihr im Backstage-Bereich irgendwer anschaffte: "Kannst du mal den Käse auffüllen!" Blieb sie ruhig, sagte sie: "Nee, ich bin Musikerin." Und hörte dann ein erstauntes: "Was, du bist Sängerin?" - "Nein, ich spiele Bass."

So berichtete Julia Viechtl es bei der Klangfest-Podiumsdiskussion zum Thema: "Frau Macht Musik". Auch in dieser männerdominierten Branche haben durchaus viele Frauen das Sagen, werden aber oft nicht ernst genommen, weiß Julia Viechtl nicht nur aus früherer Erfahrung, sondern auch als Ratgeberin und Netzwerkerin der städtischen Fachstelle Pop.

Veronika Bittenbinder konnte das auf dem Podium im Gasteig bestätigen. Als Sängerin erfülle sie zwar das Klischee, räumte sie ein, aber darüber hinaus schreibe sie Songs, manage ihre eigene Band Bittenbinder, organisiere Auftritte - "aber vor Konzerten werde ich dann gefragt: ,Mit wem kann ich über die Technik reden?' - ,Na, mit mir!'" Innerhalb ihrer Band klappe das Miteinander der Geschlechter auf Augenhöhe, als weiblicher Boss ist sie nicht nur akzeptiert, sondern auch erfolgreich.

Im Sommer veröffentlichen Bittenbinder auf dem Münchner Label Millaphon das zweite Album "Mehr Liebe", das sie auf dem Klangfest in der Blackbox erstmals präsentierten - die Musikerin war schließlich nicht nur zum Reden da. Und doch war ihr schon bei der Diskussion klar, dass einige Männer im Publikum ihr höchstens zutrauen, in ein Mikro zu hauchen. "Als Sängerin wirst du da draußen unterschätzt."

Aufklärung und Information ist der Mehrwert des Klangfestes, zu dessen neunter Auflage wieder Tausende in den Gasteig geströmt sind. Nicht nur, dass hier Bands und Solokünstler aus Pop, Rock und Jazz auf vier Bühnen bei freiem Eintritt acht Stunden lang 32 Konzerte spielten. Überdies interviewten Journalisten alle Musiker vor Publikum, und auf einer kleinen Messe präsentierten Plattenfirmen, Instrumentenhersteller und selbst die Münchner Stadtbibliothek (mit Noten und Fachliteratur) ihren Beitrag fürs Musikgeschäft. Michèle Claveau war in diesem CD-Salon sogar zwei Mal vertreten: als Chefin des Weltmusik- und Jazz-Labels GLM und als Geschäftsführerin der Business-Akademie Ebam. Seit 30 Jahren ist sie im Musikgeschäft aktiv.

Freilich waren bei Branchentreffs stets die Männer in der Übermacht, aber sie habe sich behauptet, man höre ihr zu. Schwieriger als sie auf der Verwerterseite hätten es die Musikerinnen. Wenn die eine Familie gründen wollen, brechen sie oft die Karriere dafür ab, weiß Claveau: "Was passiert sonst, wenn sie auf Tour gehen? Da müsste man eigentlich jemanden mitschicken, der auf das Kind aufpasst." Die Anregung von Moderator Frank Sollmann, in städtischen Kitas Plätze für durchziehende Musikerinnen freizuhalten, ist da wohl Zukunftsmusik.

Aber durchaus werden Frauen in der Musikwelt gezielt unterstützt. Desirée Vach, Gründerin des Labels Snowhite Records und Vorstandsvorsitzende des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen, der das Klangfest zusammen mit dem Kulturreferat veranstaltet, berichtete von ihrem Mentorinnen-Programm in Berlin: Zehn Einsteigerinnen wurden zehn erfahrene Frauen zur Seite gestellt. "Vorbilder sind wichtig", sagte sie.

Dem konnte Julia Viechtl beipflichten, das Mentorinnen-Programm wünsche sie sich auch für die Fachstelle Pop - momentan wird es aber nur vom Berliner Pendant, dem Music Board, unterstützt. In ihrer Anlaufstelle im Feierwerk legt Viechtl Wert auf Angebote für Frauen. "Man muss Diskriminierung von Anfang an bekämpfen", sagte sie. Dass auch Mädchen sich für Technik interessieren, stellte Viechtl wieder mal beim "Girls Day" fest, wo Mädchen in so genannte Männerberufe hineinschnuppern konnten - im Feierwerk in den des Tontechnikers. "Das Interesse an Details war viel größer als sonst bei den Männern", sagte Viechtl, "von wegen Frauen und Ponys. Es braucht eben Vorbilder."

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