Musikalische Revue:Lieder des Lebens

Musikalische Revue: Tagsüber trifft man Sängerin Gabriele Misch häufig in ihrem Haus in Krailing an. Abends steht sie dann auf der Bühne und singt schon mal Lieder von Hildegard Knef oder Marlene Dietrich.

Tagsüber trifft man Sängerin Gabriele Misch häufig in ihrem Haus in Krailing an. Abends steht sie dann auf der Bühne und singt schon mal Lieder von Hildegard Knef oder Marlene Dietrich.

(Foto: Stephan Rumpf)

Gabriele Misch verwaltet gleich zwei künstlerische Erbschaften: Ihr Mann Günter Edin war Komponist, ihre Mutter Fini Busch bekannte Schlagertexterin

Von Gerhard Fischer

Gabriele Misch sagt, sie habe auf der Straße zufällig ihre Gedanken getroffen. "Ich hatte sie jahrelang nicht gehört", sagt die Sängerin auf der Bühne der Germeringer Stadthalle, "und jetzt sprachen die Gedanken zwei Stunden am Stück - von Kummer und von großem Glück." Sie habe nun alles erfahren und war verwundert, "wie fremd meine Gedanken mir waren". Und dann singt sie wieder, diesmal das "Lied des Lebens", in dem es darum geht, dass ihr die große Neugier geblieben sei. Der Abend in Germering ist eine Hommage an ihren verstorbenen Mann Günter Edin, dessen Bild mit auf der Bühne steht.

Gabriele Misch ist Sängerin, Schauspielerin, Autorin von Gedichten und Chansontexten - und sie verwaltet gleich zwei künstlerische Erbschaften. Die ihres Mannes Günter Edin, der ein Komponist war und 2016 gestorben ist. Und die ihrer Mutter Fini Busch, einer bekannten Schlagertexterin. Busch hat in den Fünfziger- und Sechzigerjahren viele Lieder verfasst, die man damals Evergreens nannte: "Seemann, deine Heimat ist das Meer", "Moonlight" oder "Ein Schiff wird kommen." Sie schrieb für Peter Alexander, Peter Kraus, Ted Herold oder Lale Andersen.

Misch ist gerade umgezogen. Mit ihrem Mann hatte sie in Germering gewohnt, jetzt ist sie zurück in Krailling, wo sie früher schon mal gelebt hat. Einige Tage vor dem Auftritt in Germering redet sie dort über den Umzug, über sich, über ihren Mann, über ihre Mutter - und es ist auffällig, wie unprätentiös Gabriele Misch das alles tut. Sie ist ein angenehmer, zurückhaltender Mensch, einmal sagt sie nebenbei und gar nicht kokett, sie sei "unbekannt" und "unprominent".

Gabriele Misch, 58, ist in München geboren, ihr Vater, von dem zunächst die Rede ist, war Musikproduzent. "Er hat Platten mit Fernsehhits herausgebracht, und als Teenager durfte ich das Titellied von Pippi Langstrumpf einsingen", erzählt sie. "Es gab dann leider einen Rechtsstreit zwischen ARD und ZDF, und die Platte war nur kurz auf dem Markt." Aber sie habe die erste Gage ihres Lebens bekommen. "100 Mark, damit bin ich shoppen gegangen."

Man ist dann schnell bei ihrer Mutter, bei Fini Busch, die 2001 gestorben ist. Misch ist 2006 zum ersten Mal mit Liedern von Busch aufgetreten, im Hofcafé in Gilching. Mit Moonlight, dem Seemann und dem Schiff, aber auch mit Songs, die nicht so bekannt sind, schließlich hat ihre Mutter gut 1600 Lieder geschrieben - über 400 zusammen mit dem Komponisten Werner Scharfenberger. "Viele dieser Lieder drückten ihre Sehnsucht nach jugendlicher Unbeschwertheit aus, die sie nicht haben konnte", sagt Gabriele Misch. Busch wuchs während des Zweiten Weltkriegs auf.

Misch geht in die Küche und holt Tee. An der Wand ihres Wohnzimmers hängt ein Bild mit einer blonden Frau. "Das Bild zeigt nicht mich", sagt sie, als sie zurückkommt, "aber ich habe es gemalt." Sie male nur für sich, nicht für die Öffentlichkeit. "Die Wohnung war leer", sagt Gabriele Misch, "da dachte ich, an die Wand muss ein Bild hin, und dann habe ich nachts angefangen zu malen."

Sie schenkt Tee ein. Dann geht es wieder um die Mutter. Misch erinnert sich, dass "ständig Künstler bei uns zu Hause waren: Peter Kraus, Lale Andersen, Connie Francis, Sepp Viehlechner, Hilde Ott und Thomas Wendlinger." Viele Aufnahmen seien im Wohnzimmer ihres Elternhauses, das ebenfalls in Krailling stand, abgenommen worden. "Da hatten sie dann die Augen zu und haben wichtig geschaut", sagt Gabriele Misch. "Vor allem die Männer." Gabriele Misch lacht nicht laut auf, als sie das sagt. Sie lächelt. Sie ist eher ein leiser Mensch.

Misch erzählt auch die Geschichte mit dem FC Bayern. "Meine Mutter hat den Bayern-Marsch geschrieben", sagt sie und rezitiert: "Dem FC Bayern sind wir treu, wir sind bei jedem Spiel dabei." Und dann seien die Mannschaft - mit Maier, Beckenbauer und Müller - und der Trainer Tschik Cajkovski nach Krailling gekommen. "Die Mutter hat ihnen Würstchen mit Kartoffelsalat serviert."

Gabriele Misch hat als Kind Klavier gespielt, und sie wollte als Erwachsene Eiskunstläuferin, Tänzerin, Sängerin oder Schauspielerin werden. Einmal, mit 13, waren ihre Gedanken dann ganz woanders. "Da wollte ich Wanderpredigerin werden - ich hatte was von Billy Graham gelesen", sagt sie. Graham war ein Pastor.

Gabriele Misch hat dann eine Schauspielausbildung gemacht - und wurde mit 17 schwanger. "Innerhalb von neun Jahren bekam ich vier Kinder", erzählt sie. Die Karriere musste warten.

Das Telefon klingelt. Gabriele Misch entschuldigt sich und geht ran. Sie bittet den Anrufer, später anzurufen. "Ich bin gerade beschäftigt", sagt Misch. Sie sagt nicht, dass sie interviewt wird.

Als Gabriele Misch um die 30 war, endete die Ehe mit ihrem ersten Mann, einem Zahnarzt. Sie machte nun eine Schauspiel-Ausbildung bei Eleonore Noelle und bekam am Theater Blaue Maus in Nymphenburg ihre erste Rolle: Sie spielte "Die jüdische Frau" von Bert Brecht. "Da bin ich an die Decke vor Freude", erzählt Misch. Sie habe dann öfter in der Blauen Maus gespielt, aber auch an anderen Theatern; Filmrollen habe sie "ganz, ganz selten" gehabt. Parallel habe sie ihre Musiksachen gemacht, und dann lernte sie ihren zweiten Mann kennen, einen Komponisten. "Das war natürlich ein Glücksgriff", sagt sie und lächelt. Die Sängerin und der Komponist, das passte.

Gabriele Misch ist schon seit Jahren mit musikalischen Revuen und Bühnenprogrammen unterwegs, sie tritt mit Liedern von Hildegard Knef oder Marlene Dietrich auf. "Und mein Mann hat Lieder für mich komponiert - zu meinen Texten", sagt sie.

Ein paar Tage nach dem Gespräch in Krailling tritt sie in der Stadthalle in Germering auf. Etwas mehr als 70 Zuhörer sind gekommen, auf den Karten, die auf den Tischen liegen, steht ein Gruß von Gabriele Misch: "Gemeinsam mit (dem Pianisten) Peter Wegele werde ich eine große Bandbreite der einfühlsamen, verträumten und auch witzigen Chansonmelodien präsentieren, die Günter Edin im Lauf der Jahre zu meinen Texten geschrieben hat - und auch einige seiner eigenen Texte und Chansons."

Gabriele Misch hat eine schöne, tiefe Bühnen-Stimme, man ahnt, wie gut wohl ihre Knef- und Dietrich-Abende funktionieren. Misch befasst sich in ihrem Programm mit der Liebe, manchmal tiefgründig, manchmal lustig, manchmal trocken, etwa als sie über den offenbar ignoranten Alois Kurze singt, dessen Gattin ging: "Hätte er sie nur ernst genommen, statt sie nur zu nehmen."

Man hört ihr gerne zu. Nur manchmal scheint es zu sein, als würde das, was Gabriele Misch im Alltag so auszeichnet - ihre zurückgenommene Art - auf der Bühne zum Nachteil: Zuweilen geht sie nicht genug aus sich heraus. Vielleicht sollte sie mal auftrumpfen, dafür ist die Bühne da. In ihrem letzten Lied an diesem Abend kommt sie diesem Euphoriezustand nahe - vielleicht weil ihr jene, über die sie singt, sehr nahe sind: die Künstler auf der Bühne. "Hier wird noch Kunst statt Quote gemacht", singt Gabriele Misch. "Jede Nacht spielen sie um ihr Leben!" Jetzt klingt sie wie ein Zirkusdirektor bei seinem Hereinspaziert. "Alles live!", ruft Misch. "Alles echt!"

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