Museumscafés:Kunstvolle Pausen

Oft entspannend, manchmal ernüchternd - Impressionen aus den Münchner Museumscafés.

Harald Eggebrecht

Plötzlich, unvermittelt ergreift uns ein archaisches, animalisches Verlangen. Nicht nach Madame Pompadours zierlicher Lässigkeit, wie François Boucher sie so entzückend malte. Eher schon packt es einen beim Anblick von Ferdinand Hodlers traurig dasitzenden langbärtigen "Lebensmüden": Der Magen knurrt, und die Zunge klebt trocken am Gaumen. Hunger und Durst lenken alle Aufmerksamkeit von den Gemälden ab.

Dabei geht doch ins Museum, so die allgemeine Ansicht, wer Anregung, Wissensvermehrung, geistige Nahrung sucht. Das schließt aber einen Espresso, einen Apfelkuchen, ein Mineralwasser, auch einen kleinen Weißen oder Roten nicht aus.

In der Neuen Pinakothek trollt man sich dann ins Untergeschoss ins Greco hinab. Das Lokal lässt sich auch unabhängig vom Museum besuchen. Ein richtiges, etwas dunkles Bistro und Restaurant, dessen Service allerdings nicht der Qualität der in der Gemäldegalerie gezeigten Werke entspricht.

Am schönsten ist es, an heißen Tagen draußen am kühlen Wasser, im Burggraben des Alexander-von-Branca-Baus zu sitzen. Einen Saft trinken, die Augen schließen, dem Plätschern des Wassers lauschen und ein bisschen dösen - danach kann man mit neuen Kräften wieder einsteigen. Oder man kommt hierher, um einfach die Atmosphäre zu genießen bei Pasta und Wein, wenn am Nachbartisch in Katalogen geblättert und über Kunst geplaudert wird.

Müde Augen

Beine und Augen werden irgendwann müde, ob einer nun bei Dürer, Rubens, Rembrandt und anderen Meistern in der Alten Pinakothek vorbeischlendert, oder ein anderer seine Schaulust an den Hüftschwüngen und der meist appetitlichen Nacktheit viktorianischer Akte stillt in der Ausstellung "Prüderie und Leidenschaft" im Haus der Kunst.

Auch wen in der Hypo-Kunsthalle das Fernweh überfällt bei Emil Noldes vielfältigen Ansichten aus Neuguinea und dem Bismarckarchipel, wie er sie auf seiner Südseereise 1913/14 so schnell wie möglich hintuschte, denkt nach etwa anderthalb Stunden an eine Pause. Erst recht der typische Münchentourist, wenn er sich zwischen den zahllosen Wundern der Technik, wie sie das Deutsche Museum von der Urzeit bis in die modernste Mikroelektronik bietet, die Füße platt gelaufen hat.

Niemand sollte aber Haute Cuisine in den heiligen Museumshallen erwarten, auch nicht Wiener Kaffeehaus-Gemütlichkeit. Meistens sind die Theken und Espressomaschinen in irgendwelche Ecken geschoben, oder werden unpersönliche Leerflächen bestuhlt zur kleinen Pause zwischendurch.

Im Deutschen Museum gibt es gleich sechs Lokalitäten vom großen Selbstbedienungsrestaurant bis zur kleinen Kaffeebar bei den alten Flugzeugen, vielleicht die hübscheste Stelle, um etwas zu trinken.

Das größte Lokal verströmt nämlich den trostlosen Charme und die abgestandenen Gerüche einer Großkantine. Unattraktiv dunkel präsentiert sich die Snackbar, während immerhin das kleinere Etablissement im dritten Stock trotz des Warmhaltemiefs einen tollen Blick über München und die Isar gewährt.

Trockene Torten

Allerdings nur für Stehende, denn im Sitzen verhindert die unglückliche Fensterunterteilung Panoramafreuden. Nostalgische Gefühle bereitet aber der nette alte Mitropa-Speisewagen im Freigelände vor der Windmühle.

Während die Alte Pinakothek Tische und Stühle in einem nicht sehr anheimelnden Schlauchraum links der pompösen Eingangshalle aufgestellt hat - für einen schnellen Kaffee reicht es -, präsentiert die Kunsthalle ein jederzeit zugängliches Café vor den Ausstellungsräumen. Das ist ganz flott als Galeriebistro mit Kunstlicht aus tropfenförmigen Lampen geraten.

Die Speisekarte kündet von Wok-Gemüse und anderen Kleinigkeiten, die aber nichts rausreißen. Das Kuchenangebot wäre ausgezeichnet, doch leider trocknet die Lichtanlage in der Vitrine die Oberschichten der Torten bei längerem Stehen aus.

Natürlich gelten die Öffnungszeiten der Institute auch für die Lokale. Was bei den meisten auch nicht weiter stört. Wohl aber im Haus der Kunst, das bis zehn Uhr abends offen hat, dessen zwei Ausschankstellen aber schon um sechs Uhr schließen. Also abends, wenn es am schönsten in Ausstellungen ist, sollte einer vorsichtshalber Proviant und Getränke mitbringen.

Die Münchner Favoriten aber sind das Lenbachhaus und die unübertreffliche Glyptothek, deren Cafés Tag und Nacht geöffnet sein müssten, so anziehend und faszinierend sind sie. In der Malerfürstenvilla tummeln sich nicht nur Blaue-Reiter-Fans, sondern viele Studenten aus der nahen Technischen Universität und der Musikhochschule.

Wie Senatoren sitzen

Hier nervt keine Mensastimmung, drückt keine falsche Feierlichkeit, sondern an den kleinen Tischen regt sich echtes Leben. Und Kuchen, Espresso und die kleinen Gerichte schmecken gleich noch besser. Schließlich die Glyptothek: Nicht, dass die Gastronomie irgendwie bedeutend wäre, aber der Innenhof lockt als sonnenbeschienene Oase antikischer Ruhe.

Bei Regen ergötzt einen das göttliche Nickerchen des Barberinischen Faun; man erweist römischen Honoratioren die Ehre und hockt schließlich nicht in irgendwelchen Kasematten oder zugigen Gängen, sondern in der Aura klassischen Altertums, gleich um die Ecke in der Nähe der kämpfenden Ägineten, und letztlich in der Gesellschaft von Senatoren, Kaisern und Göttern.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: