Museum für Blinde:Pharaonen zum Anfassen

Blinde arbeiten an Audioguide

Livia Buoni-Hofmann ist blind, das Ägyptische Museum will ihr und anderen Sehbehinderten die Möglichkeit geben, Exponate anzufassen und zu erfühlen.

(Foto: Alexander Heinl/dpa)

Das Ägyptische Museum erweitert sein Angebot mit einem Audioguide für Blinde

Sabine Friedrich hat ihre Hände auf ein Tausende Jahre altes Abbild eines Pharaokopfes gelegt. Ihre Finger erkunden den alten Stein in Sekundenschnelle. Dass der Kopf laut den Umstehenden schwarz-weiß gesprenkelt ist, irritiert die 71-Jährige; die Oberfläche ist glatt, sie hatte ihn sich einfarbig vorgestellt. Selbst sehen kann sie ihn nicht, Sabine Friedrich ist blind. Im Staatlichen Museum für Ägyptische Kunst in München ist Friedrich Teilnehmerin eines Projekts, dass sie als Privileg wahrnimmt: Sie kann zahlreiche Exponate mit den Händen erkunden. Mit fünf weiteren Blinden sammelt Friedrich Eindrücke, die anderen Blinden einen eigenständigen Museumsbesuch per Audioguide möglich machen sollen.

Es ist das jüngste Projekt im Museum, um sich für Menschen mit Behinderung zu öffnen. Schon jetzt ist das Museum barrierefrei. Das Haus ist mit Fahrstühlen erschlossen, jeder Raum bietet eine Informationsleiste in Blindenschrift. Es gibt kostenlose Führungen zum Beispiel für Schwerhörige und Gehörlose oder auch für geistig Behinderte und psychisch Kranke, bei denen das emotionale Erleben im Vordergrund steht. Speziell für jugendliche Gehörlose gibt es eine Tablet-Führung mit Filmen in Gebärdensprache; zuletzt ist ein Rundgang für Gehörlose auf DVD erschienen, die das Museum gemeinsam mit der Autorin und Verlegerin Mona Horncastle produziert hat. Weitere Angebote sollen folgen.

Das Museum sei ein "herausragendes Beispiel" für Barrierefreiheit, weil hier an unterschiedliche Gästegruppen gedacht werde, sagt Rüdiger Leidner, der Vorsitzende des Vereins "Tourismus für alle" und Tourismus-Beauftragte des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands. Auch für Sehbehinderte und Blinde gibt es längst spezielle Führungen, bei denen die Teilnehmer ausgewählte Ausstellungsstücke anfassen dürfen. Mit dem Audioguide aber sollen Blinde künftig auch ohne eine solche Führung erahnen können, wie sich die altägyptischen Exponate anfühlen.

Dazu gehören auch Details, die Sehende nicht entdecken würden. "Ich habe nie darauf geachtet, dass Horus-Figuren - also Mischwesen aus Falken und Menschen - so aussehen und sich so anfühlen, als würden sie Knickerbocker tragen", sagt Mona Horncastle, die nach ihrer Arbeit für Gehörlose nun das Projekt Audioguide im Museum leitet. "Wir bekommen so für blinde Besucher besondere Informationen und Eindrücke, die man nur haben kann, wenn man die Exponate anfasst." Sie selber blicke inzwischen ebenfalls anders auf die Ausstellungsstücke, sagt Horncastle: "Ich glaube, dass ich deutlich sensibler und genauer geworden bin." Ende des Jahres soll der fertige Audioguide im Museum angeboten werden. Er richtet sich dann zwar zunächst an Blinde, könnte aber auch für Sehende eine Bereicherung sein.

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