Museum:Der erste Gruß

Museum: Das Münchner Kindl wird 1881 erstmals zum Postkartenmotiv.

Das Münchner Kindl wird 1881 erstmals zum Postkartenmotiv.

(Foto: Stadtmuseum)

Tausende historische Ansichtskarten aus München hat das Stadtmuseum gesammelt - die älteste stammt von 1880

Von Tanja Schwarzenbach

Die Ansichtskarte aus Sizilien: Wetter und Meer sind ganz wunderbar! Aus Istanbul: Es ist heiß hier, jeden Tag fast 40 Grad! Von Korsika: Das Hotel ist toll und das Wetter ist auch super! Wer sich nun dabei ertappt fühlt, im Urlaub ähnlich tiefgründige Texte für Postkarten zu verfassen, kann sich mit dem Gedanken trösten, dass Ansichtskarten noch nie dafür gedacht waren, geistreiche Botschaften zu überbringen.

Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall: Bei den ersten Ansichtskarten, die es von München gab, war es fast unmöglich, selbst etwas darauf zu schreiben. Denn die komplette Vorderseite war für die Adresse vorgesehen und es war auch nicht erlaubt, dort etwas anderes unterzubringen. Das änderte sich erst 1905, als ein senkrechter Strich die Seite in zwei Bereiche trennte. Auf der Rückseite befanden sich - meist seitenfüllend - Motiv und Spruch. Die Platzknappheit hatte einen Grund, wie Herbert Wolf in seinem Aufsatz "Ansichtskarten mit dem Münchner Kindl" schreibt: Vor dem Ersten Weltkrieg hätten viele Bewohner, insbesondere vom Land, nicht besonders gut oder überhaupt nicht schreiben können. Die Postkartenverleger ließen auf den Ansichtskarten deshalb oft nur eine kleine Aussparung für eine Unterschrift, damit auch diejenigen sie kauften, die nicht schreiben wollten oder konnten.

Wenn die Karte doch einmal Platz bot für ein paar Zeilen Text, war darauf so was zu lesen wie: "Glücklich hier angekommen, Herzliche Grüße". "Es stand eigentlich immer das Gleiche drauf, und man erfährt im Grunde nichts", sagt Florian Dering, stellvertretender Direktor des Münchner Stadtmuseums, das eine ganze Sammlung historischer Postkarten mit München-Motiven beheimatet. Dort, ganz oben im Dachboden des Museums, blättert Dering amüsiert in einem Holzkasten mit alten Ansichtskarten. Denn die Lithografien auf den Karten aus den 1890er-Jahren greifen so ziemlich jedes Klischee auf, das man auch heute noch von den Münchnern kennt: Das alte Weib, das den saufenden Münchner Mann am Ohr packt und schimpft. Drei füllige Männer mit Bierkrügen in der Hand und über ihnen der Spruch: "Hier send ich 3 Münchner, kugelrund, Das Bier in München ist halt g'sund". Oder auch die Dame mit ausladendem Dekolleté, auf dem sich sogar eine Hofbräuhaus-Mass abstellen lässt.

"Bei dieser Karte würde sich heute wahrscheinlich sofort die Gleichstellungsbeauftragte melden", sagt Dering. "Ansichtskarten sind heute harmlos, früher wurden die Münchner darauf karikiert und die Karten hatten viel mehr Witz." Zeichnungen von Bierbäuchen, Masskrügen, dem Münchner Kindl und auch ein paar berühmten Gebäuden - darunter gerne jene der Brauereien und einschlägiger Lokale, sehr beliebt natürlich das Hofbräuhaus - zierten die Karten, die später auch handkoloriert wurden. Ansichtskarten mit Fotografien gab es erst Anfang des 20. Jahrhunderts.

Tausende historische Postkarten mit München-Motiv hat das Stadtmuseum im Laufe der Jahrzehnte angekauft, allein 1300 vom Oktoberfest, aber auch die älteste noch erhaltene Ansichtskarte aus München, die das Königshaus der Residenz zeigt. Dieses ist vergleichsweise klein abgebildet, der Text auf der Karte geschäftlichen Inhalts - womit die Karte, abgeschickt am 4. August 1880 nach Auscha in Böhmen, eher eine Art Übergang zwischen Post- und Ansichtskarte darstellt. Denn die Postkarte diente früher ausschließlich der Korrespondenz, ohne Zeichnungen darauf, während es sich bei der Ansichtkarte genau umgekehrt verhielt.

Ein Jahr später, im Jahr 1881, brachte der Münchner Verleger Ludwig Zrenner dann eine Ansichtskarte heraus, auf der die Schützenliesl und auch das Münchner Kindl abgebildet sind. Neu war nicht nur, dass damit das Münchner Kindl nach bisherigem Wissensstand zum ersten Mal auf einer Ansichtskarte zu sehen war, neu war auch die Beschriftung "Gruß aus München" - Zrenner gilt damit als Erfinder der "Gruß aus . . ."-Karten.

"Post- und Ansichtskarten waren ja etwas revolutionär", erzählt Dering, "denn vorher hatte man Briefe mit Siegelwachs verschlossen, damit man genau sehen konnte, ob die Sendung geöffnet wurde. Plötzlich aber konnte man auf der Postkarte alles lesen." Das habe zur Folge gehabt, dass wichtige Nachrichten weiterhin in Kuverts verschwanden. Und Banales auf den Post- und Ansichtskarten Platz fand. Im Grunde genommen wollte man dem Adressaten mit einer Ansichtskarte damals ja auch nur zeigen, wo man gerade war und wie es dort aussah. Oder auch: Wie sich die Münchner angeblich gaben, eben unverwechselbar, mit Bierbauch und Masskrug in der Hand.

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