Muffins'n'More:Kabinett der Kuriositäten

Muffins'n'More: Marina hat sich mit ihren selbstgemachten Kuchen und Küchlein nach kanadischem Rezept einen Ruf über die Stadtgrenzen hinaus erworben.

Marina hat sich mit ihren selbstgemachten Kuchen und Küchlein nach kanadischem Rezept einen Ruf über die Stadtgrenzen hinaus erworben.

Weiße Mäuse, vollbusige Plastikpuppen und exzentrische Schnäpse: Das Muffins'n'More ist nicht nur Oma-Café, Bluesbar und Drugstore, sondern auch ein ziemlich bizarres Museum.

Anna Fischhaber

Am Eingang grüßt eine lebensgroße Charlie-Chaplin-Figur, von der Decke winkt King Kong. In einem Glasschrank an der Hinterwand spielen vollbusige Plastikpuppen, aus den Boxen tönt Weltmusik - von asiatischem Pop bis zu bayerischem Jazz. "Die etwas andere Konditorei" nennen die Inhaber ihr Gastronomiekonzept und könnten kaum mehr untertreiben - das Muffins'n'More ist eine Mischung aus Bollywood und Bluesbar, aus delikatem Drugstore und exotischer Teestube, aus Omacafé und Szeneschuppen.

Angefangen haben JJ und Exfrau Marina Knauf-Eichmann mit einem Ofen, einer alten Nähmaschine, die als Theke diente, und selbstgebackenem Kuchen. In acht Jahren ist ihr kleiner Laden gewaltig gewachsen, auf nur zehn Quadratmetern treffen sich inzwischen so ziemlich alle Stile, die man sich vorstellen kann. Das Deutsche Museum hat technische Spielereien beigesteuert, Beate Uhse eindeutig männliche Kuscheltiere. Unzählige bizarre Ausstellungsstücke machen aus dem Lokal ein Kuriositätenkabinett, an dem man sich nicht satt sehen kann. Selbst auf der Toilette findet das Museum kein Ende: In einem Wandloch zwischen Damen- und Herrenabteil lebt eine Mäusefamilie - natürlich aus Plastik.

"Alle Völker sind hier herzlich willkommen, ein friedliches Miteinander vorausgesetzt. Gutes Benehmen erwünscht", heißt es in der Karte. Und wirklich finden im Muffins'n'More hinter dem Rotkreuzplatz, wo aufsehenderregende Bars Mangelware sind, ganz unterschiedliche Menschen zusammen: alternde Intellektuelle, die zum Kaffee und Kuchen kommen, Studenten, die das Muffins'n'More als einzige Szenebar Neuhausens lieben, und einsame Nachbarn, die an den pinken Holztischen das eine oder andere Bier kippen.

"Begegnungsstätte" nennt JJ das Muffins'n'More deshalb liebevoll. Doch nicht allen gefällt die extravagante Mischung. "Wären wir in Berlin, wäre das Lokal immer voll", sagt JJ. "Aber wir sind eben in München. Hier gibt es nur einen kleinen Kreis, der den Laden überhaupt versteht." Es seien schon Leute gegangen, nur weil der Dalai Lama neben dem Akt von Gerard Depardieu hängt. Vor allem die Neuhauser Nachbarn hätten so ihre Probleme mit der Erotik und Offenheit des Schaufensters. Doch JJ stößt eben gerne an Grenzen.

Kleiner Flutscher und Weihwasser

So wandlungsfähig wie ihre Gäste ist auch die Bar selbst. Tagsüber ist das Muffins'n'More vor allem Café. Dann gibt es zwölf verschiedene Käsekuchen mit allen erdenklichen Geschmacksrichtungen - von Mohn über Ingwer bis zu Whiskey. Und natürlich Muffins, Cheesecakes und Brownies nach dem Rezept von Marina. Die Konditormeisterin aus Toronto backt alles selbst. Der ziemlich moderne Flat-Screen im Schaufenster lässt einem mit Bildern von Riesentorten und Schokoladen-Paradiesen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wer in dem Kuriositätenkabinett Platzangst bekommt, darf die Küchlein auch mit nach Hause nehmen.

Am Abend verwandelt sich das Café in eine Bar. Statt Kuchen gibt es dann Chili con Carne - fast so scharf wie in Texas. An Stelle der 40 Teesorten werden an den drei hohen Tischen Flensburger Pils, Bölckstoff, Guinness, König Ludwig Dunkel und Franziskaner Weißbier serviert. Wer härteren Stoff bevorzugt, muss sich zwischen 60 verschiedenen Whiskeysorten entscheiden - oder sich mit ziemlich gewöhnungsbedürftigen Namen anfreunden: Die Schnäpse und Liköre im Muffins'n'More heißen Ficken, Eisprung, Kleiner Flutscher, Weihwasser oder auch Männer sind Schweine.

Statt der freundlichen Konditormeisterin herrscht am Abend der exzentrische JJ über das kleine Museum. Daran, dass er einst in einer Westernstadt als Bankdirektor gearbeitet hat, erinnern ein Bison-Schädel und die zwei schwarzen Hüte, die Bison wie Wirt stets tragen. An den Wänden hängen Fotos, die JJ mal als Mann, mal als Frau zeigen - in Sachen Wandlungsfähigkeit steht er seiner Bar und den Gästen in nichts nach. "Ich bin ein Zwitter", erzählt der Wirt. Sein größter Stolz: Die Barbies, die ab und an eine Metamorphose durchleben. Als Bush den Irak angegriffen hat, hat JJ sie alle bewaffnet. Einige der Puppen mussten stellvertretend für die vielen namenlosen Opfer sogar Körperteile lassen.

Inzwischen ist im Muffins'n'More der Friede zurückgekehrt. Die meisten der vollbusigen Plastikpuppen sind in den Schrank zurückgezogen, nur eine einbeinige Blondine und ein Totenkopf verleihen dem Schaufenster noch einen schön-schaurigen Touch. Einen Besuch ist die etwas andere Konditorei aber auch in ruhigeren Zeiten wert - und sei es nur wegen des leckeren Cheesecakes.

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