Münchner Weihnachtsmärkte:Diese Christkindlmarkt-Stände überraschen

Weihnachtsmärkte breiten sich in München inflationär aus - das hat aber auch einen Vorteil: Man findet dort viel mehr als Glühwein- und Bratwurst-Stände. Sechs Beispiele.

Von Franz Kotteder

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Schmuckfoto München Zentrum

Quelle: Florian Peljak

Weihnachtsmärkte haben bei vielen nicht den besten Ruf. Das liegt auch an ihrer inflationären Ausbreitung im öffentlichen Raum - überall dort, wo ein paar Quadratmeter freigeräumt werden können, stellt man Ende November Buden auf, um heimelige Adventsstimmung zu verbreiten. Allerdings oft mit mehr als unzureichenden Mitteln, besonders in Zeiten des Klimawandels. In manchen Jahren fühlt man sich bei Temperaturen zwischen zehn und zwölf Grad ja fast wie in einer Freiluftsauna mit einem Aufguss aus Hektolitern von heiß gemachtem Südtiroler Bauerntod (Südhang, bestenfalls aus dem Vorjahr), Orangensaft und Rum, angereichert durch ein kräftiges Aroma von Currywurst und Senf.

Soweit das Klischee, das oft genug der Wirklichkeit entspricht. Andererseits hat die Inflation der Weihnachtsmärkte auch eine gewisse Vielfalt mit sich gebracht. München steht genau genommen kurz davor, die Eröffnung des ersten "Weihnachtsmarkts für Weihnachtsmarkthasser" zu feiern. Bis es so weit ist, lohnt sich aber durchaus ein Blick auf die normalen Weihnachtsmärkte, die bisweilen Überraschungen bergen.

Viele von ihnen sind ja schon auf ein spezielles Zielpublikum zugeschnitten. Der Schwabinger Markt an der Münchner Freiheit etwa ist bekannt dafür, dass es dort vorwiegend Kunsthandwerkliches gibt. Auch Tollwood bietet nicht nur Räucherstäbchen und Eso-Kitsch en masse; die Öko-Bewegung ist längst in der Mitte der Bevölkerung angekommen - so wie Teile der Grünen ja inzwischen fast schon FDP-Politik machen, nur halt biologisch abbaubar. Und selbst am Marienplatz gibt es inzwischen ein eigenes Bio-"Christkindlbier", von Haderner Bräu nämlich. Die SZ stellt sechs Stände vor, die zeigen, dass man auf Christkindlmärkten mehr finden kann als Glühwein und Bratwurst.

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Hochprozentig

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Quelle: SZ

Der Stand ist eigentlich eine Küchenanrichte aus den Fünfzigerjahren und diente schon einmal im Kinofilm "Die wilden Kerle" als Verkaufswagen. Drinnen steht Franziska Ganzer, 33, gelernte Bühnenbildnerin. "Den Schnaps brennt der Papa", erzählt sie, "der hat das Brennrecht und hat auch seinen Brennmeister gemacht." Daheim in dem kleinen Ort Münchham bei Simbach am Inn entstehen seit mittlerweile 20 Jahren die Obstbrände, die man auf www.brandacht.de und jetzt auch im Märchenzelt des Märchenbazars auf dem alten Viehhofgelände trinken und erwerben kann.

Unter dem Markennamen "Brand°8" gibt es feine Destillate von Zwetschge über Apfel und Kirsche bis hin zu Quitte und Holler, praktisch alles aus eigenem Anbau. Schwester Katharina, eine ausgebildete Kommunikationsdesignerin, kümmert sich ebenso wie Franziska um die Vermarktung. Auf den Viehhof sind sie über gute Bekannte gekommen. Das alles ist im Wesentlichen eine Gaudi, das merkt man Franziska Ganzer sofort an: "Ein richtiges Geschäft ist das nicht", sagt sie und lacht, "wir machen das eher so als Hobby."

Märchenbazar, Tumblingerstraße 29, Montag bis Donnerstag 16 bis 23 Uhr, Freitag bis 1 Uhr, Samstag 11 bis 1 Uhr, Sonntag 11 bis 21 Uhr

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Wärmend

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Quelle: SZ

Der Filzpantoffel an sich hat nicht den besten Ruf. Er steht für Spießertum und Unbeweglichkeit, aber das ist falsch. In Wirklichkeit halten Filzpantoffeln selbst an kältesten Wintertagen die Füße angenehm warm. Und seitdem man es sich auch als Kunststudent, Werbemensch oder als Sozialpädagoge mal gemütlich machen darf, solange man das nur, wie die Dänen, "Hygge" nennt, liegen Filzpantoffeln wieder schwer im Trend.

Der Münchner Marko Schuster hat dies früh erkannt und eine Firma namens "Felt 4 Melt" gegründet, zu Deutsch: "Filz zum Dahinschmelzen", mit der er auch einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt am Sendlinger Tor hat (im Bild Verkäuferin Marie Simmat). Eigentlich ist die Firma das Ergebnis einer siebenjährigen Motorradtour nach Neuseeland, denn auf dem Rückweg stieß Schuster in Nepal auf handgefertigte Filzpantoffeln und beschloss, sie auf Weihnachtsmärkten zu verkaufen. Seither findet die Produktion von Schuhen, Taschen, Mützen und anderen bunten Dingen aus Filz weltweit statt: Die Schafwolle kommt aus Neuseeland, die Stofffarbe aus der Schweiz, und in Nepal wird gefilzt - ohne Kinderarbeit.

Weihnachtsmarkt am Sendlinger Tor, täglich von 10.30 bis 21 Uhr

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Unterhaltsam

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Quelle: SZ

Zwei Meter fünfzig auf zwei Meter fünfzig - dazwischen spielt sich die ganze Welt ab. Denn so groß ist die Bühne von Kurt Zettl, der seit 15 Jahren mit seinem "Münchner original altbayerischen Kasperltheater" unterwegs ist und seit zwei Jahren auch dreimal die Woche um 15 Uhr auf dem Haidhauser Weihnachtsmarkt gleich hinter dem Kinderkarussell seine Bühne aufbaut. Der 46-Jährige war früher mit seinem Vater unterwegs, der ein begeisterter Puppenspieler war. Der ist inzwischen gestorben. Der Sohn führt mit seinem Bruder die Familientradition fort.

Am Weißenburger Platz freilich spielt er sämtliche Rollen alleine und ist ein bisschen stolz darauf, wenn die Zuschauer erstaunt sind, weil die Stimmen der verschiedenen Figuren so unterschiedlich klingen. 20 Minuten lang dauert das Weihnachtsstück mit Kasperl, Seppl und dem Nikolaus sowie dem Räuber, bei dem die Kinder gute Ratschläge geben dürfen. Auch am Heiligen Abend spielt Zettl. "Der gestohlene Christbaum" heißt das Stück, und man darf schon verraten, dass es trotz aller Dramatik gut ausgehen wird.

Weihnachtsmarkt am Weißenburger Platz, Theatervorstellungen am Montag, Mittwoch und Freitag um 15 Uhr, außerdem an Heiligabend um elf Uhr

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Pünktlich

Manfred Aleithe verkauft seine Echtzeituhr mit Münchner Türmen exklusiv auf dem Blutenburger Weinhnachtsmarkt in Schloss Blutenburg

Quelle: SZ

Eigentlich verblüffend, dass da vorher noch keiner draufgekommen ist: einen Kalender zu machen mit den schönsten Türmen einer Stadt, bei denen auch noch die Turmuhren die richtige Zeit anzeigen. Manfred Aleithe aus Freiburg produziert solche Kalender, mit echtem Uhrwerk, echten Uhrzeigern sowie zwölf Motiven für jeden Monat, die links den Turm und rechts die Uhr zeigen, die dann auch die Echtzeit angibt. "Der erste war mal ein Weihnachtsgeschenk für meinen Vater", erzählt er, "und noch am Weihnachtsabend sind wir draufgekommen, dass man das ja auch für verschiedene Städte machen kann."

In diesem Jahr gibt es neben Kalendern für Freiburg, Hamburg und Berlin auch einen für München für 39 Euro. Die Monate zeigen zum Beispiel die Frauenkirche, den Alten Peter und das Isartor, das so zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine funktionierende Turmuhr bekommt - die echte geht seit Jahren falsch. Manfred Aleithe verkauft den Kalender nur an diesem Wochenende auf dem Blutenburger Weihnachtsmarkt und sonst über seine Website www.echtzeit-kalender.de.

Blutenburger Weihnacht, Schloss Blutenburg, Freitag 13 bis 20 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 20 Uhr

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Liebevoll

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Quelle: SZ

Carmen und Werner Frank machen seit vielen Jahren erotische Skulpturen. In diesem Jahr sind die beiden Künstler aus Haidhausen zum ersten Mal auf dem schwul-lesbischen Weihnachtsmarkt Pink Christmas am Stephansplatz vertreten. "Normalerweise machen wir Frauenskulpturen", sagt der bildende Künstler Frank, 52, "aber für Pink Christmas haben wir natürlich extra noch einen Mann hergestellt." Die beiden haben keine Galerie, sondern verkaufen fast ausschließlich auf Märkten oder über private Empfehlungen und ihre Website www.mosaik-frank.de.

So sind sie das ganze Jahr über "zwischen München und Hamburg" gut unterwegs. Frank zeigt sich aber besonders beeindruckt vom Publikum und den Kollegen bei Pink Christmas: "So nette Leute trifft man selten, die Stimmung hier ist wirklich umwerfend." Für ihre Arbeiten, sagt er, brauche man ein offenes und tolerantes Publikum, das finde man hier natürlich eher als anderswo. "Und dann ist Weihnachten das Fest der Liebe, da schenkt man sich schon mal Kunst, wo es genau darum geht." Die Plastiken kosten zwischen 300 und 1500 Euro.

Pink Christmas, Stephansplatz, Montag bis Freitag 16 bis 22 Uhr, Samstag und Sonntag 12 bis 22 Uhr

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Kunterbunt

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Quelle: SZ

Volker Flach ist eigentlich Restaurator. "Aber einmal im Jahr sperre ich meine Werkstatt zu und stelle mich in meinen Stand auf dem Marienplatz", sagt er, "und das seit 38 Jahren." Stand Nummer 77 steht im südöstlichen Teil nahe dem Alten Rathaus. Flachs Sortiment ist vielseitig, ähnlich wie der Standlbetreiber selbst, der praktischerweise an Fremdsprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch beherrscht, was bei den vielen Touristen kein Fehler ist.

Sein Angebot ist sehr liebevoll zusammengestellt und ein bisschen wohl ein Spiegelbild eigener Interessen. Zum Beispiel hat Flach eine große Kollektion aus roten Wachsmodeln, die als Baumschmuck dienen. Die hat er selbst gegossen, die Formen von Hand in Birkenholz geschnitzt, insgesamt 150 verschiedene Model. Es gibt hohe Literatur von Rilke über Hesse bis Marc Aurel, Kunstpostkarten aus Museen, nostalgische Adventskalender, Guckkastenkrippen, weihnachtliche bairische Volksmusik auf CD, Engelchen aus Glas, einen Faksimile-Druck der Partitur von "Stille Nacht" und viele andere hübsche Dinge, die man sonst nicht auf einem Weihnachtsmarkt findet.

Christkindlmarkt auf dem Marienplatz, Montag bis Samstag 10 bis 21 Uhr, Sonntag 10 bis 20 Uhr

© SZ vom 8. Dezember/haeg
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