Münchner Volkstheater:Frischer Wind auf der Bühne

Weg von den Brettern, die die Welt bedeuten. Oder zumindest München. Fünf junge Schauspieler verlassen das Münchner Volkstheater. Einige wollen ihr Glück beim Fernsehen versuchen.

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Volkstheater München

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Fünf von seinen 14 festangestellten Schauspielern verlassen zum Ende der Saison, das heute mit einem Sommerfest begangen wird, das Münchner Volkstheater. Für das von Christian Stückl geleitete Haus ist das gar nicht so ungewöhnlich - junge Schauspieler kann man nur eine gewisse Zeit halten. Erstaunlich jedoch sind die Parallelen: Alle fünf kamen direkt von der Schauspielschule ans Volkstheater, sie blieben vier beziehungsweise drei Jahre, sie suchen nicht unmittelbar ein neues Festengagement, sondern wollen über ihren Beruf nachdenken oder vielleicht einfach Geld verdienen. Und das geht beim Fernsehen besser als am Theater.

Protokolle: Egbert Tholl; Foto: Stephan Rumpf

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Stefanie Schadeweg "Vier Jahre sind eine lange Zeit; fürs Volkstheater auf jeden Fall. Und so langsam bin ich auch nicht mehr radikal jung. Aber es war für mich eine tolle Zeit. Ichkonnte viel spielen, viele tolle Stücke, da konnte ich mich gar nicht beklagen. Aber irgendwann dachte ich mir: Ich brauche mal ältere Kollegen, ich will auch mal wieder Bälle fangen, ich will noch etwas lernen. Natürlich habe ich hier in den vier Jahren auch viel gelernt und konnte mich austoben, aber irgendwann wollte ich noch etwas anders mitkriegen. Und das ist jetzt der Punkt. Jetzt ziehe ich nach Hamburg, da leben meine Freunde, und die Familie ist nicht weit weg. Aber für das nächste halbe Jahr habe ich noch einen Teilzeitspielvertrag hier, ich spiele ja in ein paar Stücken, die noch weiter laufen. Schon deshalb wollte ich nicht sofort ins nächste Engagement springen. Es war sehr intensiv, sehr eng hier; ich habe keine Ahnung, was andere Theater machen. Das muss ich mir erstmal anschauen, bisher weiß ich noch nicht, wohin. Das nächste Haus muss nicht das größte Staatstheater sein, sondern ich muss von dem begeistert sein, was an einem Haus gemacht wird. Als Theaterstadt hat mir München gut gefallen. Um sieben sieht man die Leute ins Theater strömen. Das Publikum ist sehr offen, es kommt auf einen zu, manchmal wurde ich auf der Straße angequatscht - das war immer sehr nett und herzlich. Aber manchmal fehlt mir das Alternative, das Experimentelle hier. Und auch für mich muss ich jetzt schauen, was ich von dem Beruf will. Bin ich immer noch idealistisch oder reicht es mir, dass ich mein Gehalt kriege?"

Foto: Volkstheater

Volkstheater München

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Markus Brandl "Ich will jetzt beim Film ein bisschen Geld verdienen, weil ich vor einer Woche Vater geworden bin und mich meinen Pflichten stelle. Ich habe in den vier Jahren am Volkstheater wahnsinnig viel gearbeitet, auch kleinere Rollen gespielt und musste dafür manchmal Angebote fürs Fernsehen absagen. Die Zeit hier war aufregend, spannend und schön, mit vielen Aufs und Abs. Manchmal hätte ich mir mehr Rock'n'Roll gewünscht; der Herzschlag war gut, aber manchmal hätte man ihn ein bisschen hochtunen können. Das schönste Erlebnis war für mich, neben der Reise mit dem 'Brandner Kaspar' nach Rio, die 'Lulu'. Und zwar eine vielleicht zwölfte oder 14. Vorstellung. Am Anfang war ich unglaublich nervös gewesen, aber nach dieser Vorstellung eben habe ich einen wahnsinnigen Applaus bekommen und viel positive Resonanz von Kollegen. Da dachte ich mir: Jetzt bin hier ich angekommen. Außerdem hat es Spaß gemacht, mit Brigitte Hobmeier zu spielen, auch wenn es ihr vielleicht umgekehrt keinen gemacht hat. In dieser Vorstellung hat sich auf der Bühne irgendetwas Privates miteingeschmuggelt, das hat mich irgendwie befreit - und dadurch war es ein richtig guter Abend. Ich weiß noch nicht, ob ich ohne Applaus gut leben kann, aber ich spiele ja die Stücke, in denen ich drin bin, noch weiter, also den 'Brandner Kaspar', 'Sommernachtstraum', 'Don Karlos' und 'Macbeth'. Und wenn sich noch etwas ergeben würde, wäre ich jetzt, nach dieser Pause - ich habe vier Monate kein Stück gemacht -, nicht abgeneigt, wieder eine Kleinigkeit am Volkstheater zu spielen."

Foto: Volkstheater

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Benjamin Mährlein "Ich gehe, weil mir die Zeit, die ich hier bin, ein bisschen lang vorkommt. Ich kam schon 2003 als Gast, ein Jahr später war ich fest am Volkstheater. Jetzt habe ich das Gefühl, etwas Neues machen zu müssen. Jetzt will ich meinen anderen Interessen nachgehen, neben der Musik das Zeichnen, das wegen der Schauspielerei lange brach lag. Das Zeichnen betreibe ich momentan mit ernsthaften Eifer, mache Anatomiestudien - das ist sehr faszinierend. Wenn man gut Menschen zeichnen will, sollte man das beherrschen. Ich liebäugele damit, auf die Kunstakademie zu gehen, aber das will ich eigentlich gar nicht laut sagen, weil ich schon einmal sagte, ich gehe auf die Filmhochschule, und machte es dann doch nicht. Ich will das Schauspielen nicht aufgeben, schließlich war ich ja auf der Schauspielschule, aber ich möchte nicht nur Schauspieler sein. Hinter der Bühne kann auch ganz schön viel Frust herrschen; dabei habe ich mich selber ertappt, beim langen Warten auf einen kleinen Auftritt. Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass ich mit der Schauspielerei einmal berühmt werde. Außerdem regt mich im Theater vieles ästhetisch auf, die Bühnenbilder oder Kostüme. Schon früh habe ich mir Gedanken darüber gemacht, dass es in diesem Beruf sehr hart sein kann und dass man vielleicht ganz schön rumkrebsen muss, vor allem, wenn man eine Familie ernähren muss. Nach einem Rollentraining mit Jörg Hube sagte der einmal zu mir: 'Du wirst es immer schwer haben auf dem Theater.' Da ist es gut, mit dem Zeichnen noch etwas anders machen zu können."

Foto: Volkstheater

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Elisabeth Müller "Nach vier Jahren ist es Zeit zu gehen. Als Schauspieler ist es ja immer so, dass man am Anfang nicht lange bleibt. Ich bin ja noch keine 50, habe noch keine Kinder. Außerdem gehört es vielleicht zur Philosophie des Volkstheaters, dass immer wieder Leute gehen und kommen. Jetzt gehe ich nach Hamburg, wo ich auch auf der Schauspielschule war. Ich will aber nicht sofort wieder in ein Festengagement, mache zunächst als Gast ein Stück in Leipzig, will in der kommenden Spielzeit ein wenig frei arbeiten und dann schauen, was sich ergibt. Vor der Unsicherheit habe ich keine Angst. Unsicherheit hat immer zwei Seiten: Wenn man sich gut fühlt, findet sie man genial und glaubt, dass man so viel weiterkommt. Nach einem schlechten Vorstellungsgespräch und wenn es auch noch regnet, ist das natürlich ganz anders. Als ich hier anfing, dachte ich: O mein Gott, wird das immer so schwierig sein? Die Premiere ist immer so aufregend. Eigentlich kann ich es doch ganz gut, aber dann kommt die Premiere, und auf einmal ist alles weg und ich bin schrecklich nervös. In dieser Saison bei 'Macbeth' und davor bei 'Das Fest' fing es langsam an, dass ich für mich selbst das Gefühl hatte, selber die Zügel in der Hand zu halten. Da glaubte ich, verstanden zu haben, was es bedeutet, als Schauspieler zu arbeiten. Das ist ein schönes Erlebnis, das ich, neben einigen schönen Arbeiten und Begegnungen vom Volkstheater mitnehme. Das Haus zu verlassen war gar keine große Überlegung, sondern eher wie eine Naturgegebenheit, so wie im Frühling die Bäume anfangen zu blühen und im Herbst die Blätter wieder fallen."

Foto: Volkstheater

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Timus Isik "Ich habe lange überlegt, aber nun verlasse ich das Volkstheater nach drei Jahren, weil ich als freier Schauspieler nach Berlin gehen, mich dort auch in der freien Szene umschauen und ausprobieren will, ob beim Film etwas möglich ist für mich. Das ist der Plan. Ein paar schöne Sachen musste ich in letzter Zeit absagen, weil ich ja immer am Volkstheater spielen musste. Und so viel Sicherheit bietet das Festengagement auch nicht, wenn man bedenkt, dass man sich ja in München eine Wohnung leisten muss. Mit ein paar Drehtagen im Monat geht es einem in Berlin viel besser. Außerdem möchte meine Freundin auch wieder arbeiten; die ist Tänzerin, und da gibt es in Berlin einfach mehr Möglichkeiten. Es stimmt schon, dass ich eine gewisse Zeit brauche, bis ich zu meiner Kraft finde. Es wurde also immer besser. Aber zu Beginn, als ich den Woyzeck spielte, meine erste Rolle am Theater überhaupt, hatte ich diese Kraft noch nicht. Gleichzeitig war es natürlich unglaublich, in eine neue Stadt, zu neuen Kollegen zu kommen und gleich eine solche Rolle zu spielen, auch wenn es dann nicht das Beste war, was ich hier gemacht habe. Mein spannendstes Erlebnis am Volkstheater war, 'Das große Sterben' zu proben und bei der Generalprobe gesagt zu kriegen, dass wir es nicht spielen, weil die Aufführung abgesagt wird. Wir hätten es einmal gerne gespielt, um zu gucken, was dann passiert. Diese Proben waren so aufreibend, ich habe mich selbst noch nie so mit den Nerven am Ende erlebt. Aber gleichzeitig war es sehr spannend. Diese Erinnerung ist mir immer noch sehr präsent."

Protokolle: Egbert Tholl, Foto: Volkstheater (SZ vom 18.7.08/sueddeutsche.de/pir)

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