Münchner Verlag:Traumberuf Autor

Im Internet kann jeder Autor werden und damit sein Geld verdienen - damit zumindest wirbt ein Münchner Verlag. Dort kann man Hausarbeiten, Forschungsarbeiten und Fachbücher hochladen. Reich werden hier aber nicht einmal die Bestsellerautoren.

Rani Nguyen

Mehrere Wochen war Damian Tylla, 25, Top-Autor - und hat so gerade einmal 160 Euro verdient. Seit März 2010 verkauft der Geschichts- und Theologiestudent aus Bochum seine Seminararbeiten über die Internetseite des Grin-Verlags. Etwa 45 Mal wurden seine Arbeiten nachgefragt, 3,50 Euro gibt es im Schnitt pro verkauftem Exemplar. Damian Tylla zählt laut Grin-Ranking damit zu den erfolgreichen Autoren, richtig zufrieden ist er aber nicht.

Bücher

Der Traum vieler: Bücher schreiben. Bei einem Print-Verlag verdienen Autoren derzeit noch deutlich mehr als bei Online-Verlagen.

(Foto: iStockphoto)

Knapp vier Millionen Euro hat Grin-Gründer Patrick Hammer, 37, seinen Autoren in den vergangenen 14 Jahren an Honoraren ausgezahlt. Das ist auf den ersten Blick sehr viel Geld. Umgerechnet hat jeder der rund 55.000 Autoren bis jetzt durchschnittlich aber gerade einmal 72 Euro verdient. Den größten Teil erhielten vermutlich Studenten wie Tylla. Mit 100.000 hochgeladenen Hausarbeiten, Referaten und Essays sind sie die aktivste Gruppe in der Community. Insgesamt gibt es bei Grin 130.000 Texte als E-Books, 70.000 davon kann man sich in gedruckter Form nach Hause liefern lassen.

Der Verlag will weiter wachsen und ist deswegen immer auf der Suche nach neuen Autoren. "Werden Sie mit Ihrem Text Autor bei Grin, damit sich Ihr Aufwand auch wirklich bezahlt macht", heißt es im Werbevideo auf YouTube. Die Autoren können Wunschpreise für ihre Werke angeben. Ob Grin diese berücksichtigt, ist jedoch eine andere Frage. Tatsächlich entscheiden Note, Umfang, Thema und Alter der Arbeit den Preis. Wer auf Grin veröffentlicht, erhält im besten Fall 40 Prozent des Verkaufspreises, manchmal nur zehn Prozent - abzüglich Mehrwertsteuer versteht sich. Den Löwenanteil streicht Hammer ein, er verdient offensichtlich deutlich mehr als die Autoren.

Die Idee zum Verlag

Im Jahr 1998, als Hammer selbst noch Student an der LMU ist, ruft er das Projekt ins Leben. Im Internet sucht er nach anderen Arbeiten, um zu sehen, wie eine Hausarbeit richtig geschrieben wird. Er wird nicht fündig im Netz. So entsteht die Idee zum Portal www.hausarbeiten.de, auf der Studierende seitdem ihre Arbeiten verkaufen können. Inzwischen ist der Grin-Verlag daraus entstanden. Auf www.grin.com können neben Haus- und Abschlussarbeiten Fachbücher aller Art publiziert werden, jeder kann zum Autor werden.

Zusammen mit seiner Schwester hat Hammer das Unternehmen aufgezogen. Die Eltern sponserten das Startkapital von 1000 Mark. Jahrelang diente sein neun Quadratmeter großes Zimmer im Studentenwohnheim als Firmenzentrale. Heute sitzt Hammer im Herzen Münchens, gleich um die Ecke vom Goetheplatz. An der Bürowand hängt das Logo mit den schwarz-weißen Quadraten und dem grünen Smiley - es ist mehrere Meter groß. Mehr als 20 Mitarbeiter hat Hammer hier beschäftigt.

Anfangs gehen Professoren gegen Hammer vor. Einige seiner Professoren wollen ihn sogar rausschmeißen, sagt er. Kritiker werfen ihm vor, Plagiate zu fördern. Aber das Argument zu seiner Verteidigung hat er sich mittlerweile zurechtgelegt. Aus Büchern könne man genauso abschreiben, sagt Hammer. Bei Grin abzuschreiben sei sogar am gefährlichsten, denn Google finde Plagiate sofort. Hammer stellt sich auf die Seite der Professoren. Verdächtige Arbeiten sendet er Dozenten kostenlos zu.

Jeder kann Autor werden

Heute veröffentlichen Dozenten sogar selbst ihre Arbeiten bei Grin. Wolf-Dieter Schmidt, 61, zum Beispiel. Der Ingenieur ist seit zehn Jahren Lehrbeauftragter im Bereich Elektrotechnik an der Hochschule Pforzheim. Vor drei Jahren veröffentlichte er seine Texte, seitdem wurden sie 343 Mal als Buch oder E-Book gekauft. Besonders gut laufe das Skript zu einer Elektronik-Vorlesung, bei der es um Leiterplatten geht. Obwohl das Thema technisch ist und er die Vorlesung nicht mehr hält, mache es zwei Drittel seiner Verkäufe aus.

Im vergangenen Quartal hat er 130 Euro umgesetzt, seine Werke wurden sogar im Ausland gekauft. Rund 1400 Euro machte er bis jetzt insgesamt mit seinen drei Werken. Das sind durchschnittlich vier Euro je Verkauf. Dafür, dass er kein Risiko eingehe und es nicht viel Aufwand erfordere, sei er mit dem Resultat zufrieden. Reich werden könne man damit natürlich nicht, gesteht er.

Hammer ist vermutlich noch zufriedener. Seit Ende 2003, als er kurz vor seinem Studienabschluss steht, wirft sein Projekt so viel ab, dass er davon leben kann. Seit der Gründung wachse der Verlag stetig, im vergangenen Jahr verkaufte er rund 250.000 Werke. Und Hammer will noch höher hinaus: In diesem Jahr hat er einen neuen Geschäftsführer an Bord geholt. Seit kurzem sind Grin-Werke auch über Amazon erhältlich. Und in Zukunft will Hammer den anderen Verlagen Konkurrenz machen und neben akademischen und fachlichen Texten schon bald auch Belletristik ins Sortiment aufnehmen.

Er plant sozusagen eine Demokratisierung des Schriftstellertums: Jeder, der einen Roman schreibt, soll in Grin einen Verleger finden. Jeder, der Spaß am Schreiben hat, kann sein Werk ohne Risiko veröffentlichen.

So wie Jürgen Wolsfeld, 43, aus Neuss, der mittlerweile in seiner Freizeit mehrere Fachbücher geschrieben hat. Der Rechtsanwalt kommt aus einer alteingesessenen Jägerfamilie. Als er vor zehn Jahren seinen Jagdschein machte, fand er kein Werk, das ihn zur Prüfungsvorbereitung zufriedenstellte. Jagdrecht sei Ländersache und daher von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, sagt er. So schrieb er kurzerhand ein Werk zum nordrhein-westfälischen Jagdrecht und ging zu Grin.

Sein Jagd-Nachschlagewerk, das er abends nach der Arbeit und am Wochenende geschrieben hat, kommt an. Seit 2008 hat er es etwa 130 Mal verkauft, besonders zum Jahresende zögen die Verkäufe an, viele machen den Jagdschein zu dieser Zeit.

Fünf Werke bietet Wolsfeld auf Grin an, darunter auch eine Seminararbeit aus dem Jahr 1994. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat er insgesamt rund 200 Exemplare auf Grin verkauft und damit 600 Euro verdient, im vergangenen Quartal nahm er 200 Euro ein. Das entspricht einem durchschnittlichen Verdienst von drei Euro je Verkauf. Mit Fachbüchern könne man zwar nicht reich werden, sagt er. Allerdings sei es für ihn motivierend, wenn Menschen seine Werke kaufen oder auf Amazon positiv bewerten.

Zum Leben reicht es nicht

Einige Autoren seien so erfolgreich, dass sie jeden Monat zwischen 500 und 1000 Euro umsetzen, sagt Hammer. Allerdings kommen selbst Wolf-Dieter Schmidt und Jürgen Wolsfeld, die Grin als besonders erfolgreiche Autoren an Süddeutsche.de vermittelt hat, bei Weitem nicht an diese Beträge heran. Wirklich reich wird man als Autor auf Grin also offenbar noch nicht. Bei einem Anteil von rund vier Euro pro Exemplar, muss man schon einige Werke verkaufen, um davon leben zu können.

Bei den herkömmlichen Verlagen sieht die Beteiligung am Verkaufspreis allerdings noch schlechter aus. Der Journalist und Autor Sascha Suden, 46, erhält vom Linde Verlag 80 Cent pro verkauftem Exemplar seines Gründer-Ratgebers "Hilfe, ich habe gegründet!". Insgesamt hat er bis jetzt aber viel mehr als die Grin-Autoren verdient. Wer Glück hat, profitiere sehr vom Marketing seines Verlags, sagt Suden. 4000 Euro hat er seit der Veröffentlichung im September 2010 mit seinem Werk umgesetzt.

Frischgebackene Doktoren allerdings, die ihre Dissertation publizieren wollen, müssen bei den herkömmlichen Verlagen tief in die Tasche greifen. Hier sind vierstellige Beträge im mittleren Bereich keine Seltenheit. Bei Grin können sie zum Nulltarif veröffentlichen. Allerdings bietet Grin nicht das Renommee eines alteingesessenen Verlages, nach dem viele Doktoren suchen.

Schnell, unkompliziert und kostenlos - das sind die Vorteile bei Grin. Wem es aber ums große Geld oder um Ruhm geht, der kommt derzeit um einen Print-Verlag nicht herum.

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