Münchner Straßen: Kazmairstraße:Schmuddelkind auf Sanierungskurs

Eine Straße putzt sich raus: Die Häuser in der Kazmairstraße im Münchner Westend werden nach und nach renoviert, aber es finden sich auch noch Spuren aus dem ehemaligen "Glasscherbenviertel".

Ingrid Fuchs

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Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Eine Straße putzt sich raus: Immer mehr Hausfassaden in der Kazmairstraße verschwinden wochenlang hinter Gerüsten, um sich dann in frischen Farben und fein säuberlich hergerichtet in das neue Straßenbild einzureihen. Noch vor einigen Jahren sprach man nur vom "Glasscherbenviertel", wenn man das Münchner Westend meinte. Doch das Schmuddelkind ist längst auf Sanierungskurs. Die Straße entspringt dem Alten Messeplatz, oberhalb der Theresienwiese, und ist gut einen Kilometer lang.

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Quelle: Ingrid Fuchs

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Ihren Namen hat die Kazmairstraße im Jahr 1878 erhalten. Er stammt von einem reichen Münchner Patriziergeschlecht, das im 14. und 15. Jahrhundert ziemlich einflussreich war. Ein Sprössling der Familie, Jörg Kazmair, saß im sogenannten "Inneren Rat" der Stadt und war über mehrere Jahre Bürgermeister. Macht und Reichtum zum Trotz, starb die Familie Kazmair um 1535 aus. Die Straße kann sich nach wie vor sehen lassen. Zwar galt das Viertel zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Arbeiterviertel, doch sobald man die Straße betritt und manche der Häuserfassaden sieht, denkt man automatisch an glanzvollere Zeiten.

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Insomnia, Drachenherz oder Bavaricoa heißen die Köstlichkeiten, an denen man im Café Cocoa als Schokoliebhaber nicht vorbeikommt. Bereit für eine Reise zurück in die Kindheit? Mehr als 20 Sorten Kakao stehen zur Verfügung, darunter exotische Mischungen mit weißer Schokolade und Rose, Hopfen und Malz oder einem Hauch Lavendel. Die Mischungen entstammen der Experimentierfreude von Michael Beck, der seit 1998 immer neue Rezepte austüftelt. Das Geschäft ist inzwischen ein gutes Stück gewachsen, das "Becks Cocoa" ist zwar auf Kakao spezialisiert, handelt aber auch mit Kaffee, Tee, Schokoladen und allem möglichen Zubehör. Zu kaufen gibt es die Sorten mittlerweile auch an zahlreichen anderen Orten, der "Ur-Laden" befindet sich aber in der Kazmairstraße 24. http://www.cafecocoa.de/

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Sauerbraten mit Spätzle oder Rindsbratwurst mit Sauerkraut und Schupfnudeln für 4,20 Euro: Zur Mittagszeit drängeln sich an der Theke der Metzgerei Sesto oft Anzugträger an Bauarbeiter, um werktags noch das begehrte Menüangebot zu ergattern. Entsprechend beschäftigt ist die ganze Familie Sesto. Vater und Sohn führen die Metzgerei in der Kazmairstraße 31 inzwischen seit fast zwölf Jahren - mit einer Extraportion Balkancharme http://www.metzgerei-sesto.de/

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Irgendwo hier muss es gewesen sein, in einem der Häuser dieser Kreuzung soll "der Monaco Franze" zur Welt gekommen sein. So zumindest beschreibt es Helmut Dietl, Regisseur der Kultserie aus den Achtzigern: ".. im Sommer des Jahres 1933 hineingeboren . . . zwischen Westend und Schwanthalerhöh', dort wo die Kazmair- der Ligsalzstraße begegnet." Dietl selbst ist zwar im oberbayerischen Wiessee geboren; der Darsteller des "Monaco Franze" jedoch, der Schauspieler Helmut Fischer, kam tatsächlich auf der Schwanthalerhöh´ zur Welt. Das Drehbuch zur Kultserie enthält viele biografische Details aus Fischers Leben.

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Quelle: Catharina Hess

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Im Familienrestaurant Müller & Söhne wird die Speisekarte jeden Morgen um halb elf neu geschrieben. Das Angebot richtet sich nach dem, was die Großmarkthalle in der Früh an italienischen Köstlichkeiten hergegeben hat. Zum Mittagstisch im retrofuturistischem Ambiete oder zu Kaffee und Kuchen an einem der Tische in der Sonne - das Italo-Feeling lockt vor allem junges Szenevolk zur Hausnummer 28.

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Westendradl, Westendmaus und Orient Imbiss - viel besser als die Namen dieser Läden es tun, kann man die Kazmairstraße und das Viertel drumherum eigentlich gar nicht beschreiben. Während sich hier hippe Fahrradnerds tummeln, um einen stilsicheren Untersatz auszuwählen (oder selbigen reparieren zu lassen), sitzen dort jene, die "schon immer" auf der Schwanthalerhöh´ wohnen. In friedlicher Nachbarschaft befindet sich nebenan ein Dönerladen - der steht für den hohen Ausländeranteil im Viertel.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Halb verfallen und hoffnungslos veraltet - der "Licht - Kraft - Radio"-Laden will sich eigentlich so gar nicht recht in die Reihe frisch sanierter Hausfassaden einfügen, aber vielen ist das verranzte Schaufenster inzwischen ein trauter Anblick geworden. In schwarz-weiß wird für Duschköpfe geworben, ein Schild in verblichenem Blau preist den "Schimmel-Stopp" an und Elektrogeräte werden auch feilgeboten - herrlich nostalgisch, den offen hatte der Laden schon Jahre nicht mehr. Hin und wieder wird gemunkelt, dass demnächst "irgendetwas neues" in und mit dem alten Geschäft passieren solle. Bis dato war das nicht der Fall - hoffentlich bleibt dieser spannende Blick ins Schaufenster längst vergangener Zeiten noch ewig erhalten.

Deutschlands schönster Kinderspielplatz, 2006

Quelle: lok

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Die Kazmairstraße führt direkt am Georg-Freundorfer-Platz vorbei und da befindet sich - seit 2006 ist es durch die Stiftung "Lebendige Stadt"  quasi amtlich bestätigt - Deutschlands schönster Kinderspielplatz. Wie im ganzen Viertel, passt sich auch das Angebot in der Kazmairstraße den Bewohnern an. Und die werden zumindest gefühlt immer jünger..

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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"Gänseblümchen" oder "Rumpelpilz"? Ist das Westend der Prenzlauer Berg Münchens? Klingelschilder für Meeres-, Igel-  oder Schneckengruppen verstärken das Bild. In den Innenhöfen und hinter Schaufensterscheiben ehemaliger Läden in der Kazmairstraße gibt es mindestesns vier Kinderkrippen  oder Tagesstätten.

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Seine großen Kinder vernachlässigt das Viertel jedoch auch nicht: Fast täglich finden sich - wiederum am Georg-Freundorfer-Platz - vorwiegend ältere Herren ein, um gemeinsames Gehirnjogging zu betreiben. Nur das mittlere Alter, die Jugendlichen, hat man von hier vertrieben. Nach einem Skate-Verbot sieht man nur noch selten Teenager auf dem Platz.

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Nein, hier versteckt sich keine Fahrradstation hinter Gartenzaun und Grünzeug.  An der Ecke zur Bergmannstraße befindet sich eine Diakoniestation. Die Mitarbeiter haben sich umweltfreundlicher Fortbewegung verschrieben. Egal ob Sommer oder Winter -  als "kleiner Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität auf der Schwanthaler Höhe", so heißt es auf der Homepage, werden für sämtliche Fahrten die Räder genutzt.

Die Geschichte der Diakonie, beziehungsweise ihres Trägers, dem evangelischen Verein München-Westend, reicht mehr als 100 Jahre zurück. Angefangen hat alles mit dem sozialen Engagement evangelischer Bürger um die Jahrhundertwende. Sie gründeten eine "Kinderbewahranstalt" und ein Altenheim, in den Folgejahren kamen immere weitere Projekte und Einrichtungen hinzu.

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Die Kazmairstraße putzt sich - wie eigentlich das gesamte Viertel - ordentlich raus. Schmucke Hausfassaden sind kein ungewöhnlicher Anblick mehr. Das Dilemma sind die steigenden Mieten. Seit sich einige große Firmen in der Gegend um die Kazmairstraße niedergelassen haben, ziehen die Preise immer weiter an. Der Status des Glasscherbenviertels ist schon längst vergangen, die Erinnerung daran geht bald mit.

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Quelle: Stephan Rumpf

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Hinter spiegelnden Schaufensterscheiben verbirgt sich die Werkstatt von Nicholas Gooch und Irina Feichtl.  Der Engländer und die Münchnerin haben seit rund dreieinhalb Jahren zusammen ein Atelier für Geigen- und Bogenbau in der Kazmairstraße 58. Die beiden haben sich an der Schule für Geigenbau in Newark on Trent in England kennengelernt, wo Gooch arbeitete und Feichtl studierte. Für das Projekt Selbstständigkeit haben sie sich nach verschiedenen Stationen München ausgesucht, auch wenn die Stadt kein leichtes Pflaster ist. In der Werkstatt restaurieren die beiden wertvolle Intrumente, bauen aber auch neue Geigen. Bis zu 200 Stunden arbeitet Gooch, bis eine Geige spielfertig ist. http://www.muenchen-geigenbau.com

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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An der Eingangstür prangen Aufkleber von Testergebnissen des Gault Millau und des Feinschmeckers, ein Gourmettempel in der Kazmairstraße? Tatsächlich, das Rüen Thain gehört zu Münchens besseren Thai-Restaurants, kostet aber auch entsprechend mehr. Im November 1990 hat Anuchit Chetah das Restaurant in der Hausnummer 58 eröffnet. Den Schwerpunkt der südthailändischen Küche bilden diverse Currys und Seafood - es werden aber auch spezielle Hirsch- und Kalbslebergerichte serviert. Falls Magen oder Geldbeutel nicht mitspielen, wartet schräg gegenüber das Kontrastprogramm...http://www.rueen-thai.de/

Kazmairstraße

Quelle: Ingrid Fuchs

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Das unscheinbare "Kazmair Stüber´l" gleicht seine Schwäche in der Zeichensetzung durch ein Großangebot an Unterhaltung aus. Mit Dart und Karaoke, Fußballübertragungen und Spielautomaten versucht die bayerische Boazn in der Kazmairstraße 83, Gäste anzulocken. Die Beschreibung im Internet klingt deshalb wohl auch sehr weit gefasst: "Die Getränkekarte reicht vom Bier bis zum Spezial Cocktail und für den kleinen Hunger wird natürlich auch gesorgt. Reinkommen und Spaß haben."

© sueddeutsche.de
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