Münchner Start-up:Dieser Mann soll die Bahn pünktlicher machen

Münchner Start-up: "Was die im Silicon Valley können, das kann ich auch", dachte Andreas Kunze bei seiner ersten Reise in die amerikanische Start-up-Szene.

"Was die im Silicon Valley können, das kann ich auch", dachte Andreas Kunze bei seiner ersten Reise in die amerikanische Start-up-Szene.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Das Start-up von Andreas Kunze entwickelt intelligente Sensoren - die Deutsche Bahn erhofft sich damit eine Menge Geld zu sparen, und sie könnte pünktlicher werden.
  • In die Firma investieren vor allem Unternehmer und Fonds aus dem Silicon Valley. Entschieden aber wird in München-Sendling.
  • Seit Mitte Mai haben sich bei dem Unternehmen mehr als 1000 Menschen beworben.

Von Pia Ratzesberger

Es war auf dieser einen Feier, irgendwo im Piemont. Andreas Kunze versprach sich nicht viel von diesem Abend, irgend so ein Familienfest eben. Gutes Essen, vielleicht auch zwei, drei gute Gespräche. Doch an der Geburtstagstafel seiner Tante saß ihm ein älterer Herr gegenüber. Kunze kannte ihn nicht, doch dieser Herr wird ihn später am Abend einladen, ins Silicon Valley. Er wird ihn wochenlang in einem Apartment über seiner Garage schlafen lassen, er wird irgendwann in Kunzes Firma einsteigen, von der Letzterer an jenem Abend noch nicht einmal wusste, dass er sie je besitzen wird.

Dieser Herr auf dem Stuhl gegenüber ist Andreas von Bechtolsheim. Ein deutscher Unternehmer, der als einer der Ersten in Google investierte. Ein Milliardär, der nun auch auf Konux vertraut. Auf eine Gruppe junger Unternehmer im Münchner Süden, die intelligente Sensoren entwickeln und denen Investoren wie Bechtolsheim insgesamt mal eben mehr als neun Millionen US-Dollar überlassen haben.

Andreas Kunze geht entlang an den durchsichtigen Boxen, in der ehemaligen Zigarettenfabrik trennen kaum Wände. Nur Glas überall, beschrieben mit Zahlen, wie in A Beautiful Mind, dem Film, in dem Mathematikgenie John Nash seine Formeln an Fensterscheiben bannt. Nur, dass es hier um Sensoren geht, nicht um Spieltheorie. Sensoren, die am besten einmal die gesamte Verkehrsindustrie verändern sollen. Wenn schon eine Firma gründen, dann so richtig. Kunze sieht aus, wie ein junger Typ im Alter von 25 Jahren eben aussieht, mit seinen glatten Gesichtszügen und den blonden Haaren würde man ihn an der Supermarktkasse vielleicht sogar nach dem Ausweis fragen. Aber er spricht nicht wie 25, gerade war ja auch "Board Meeting, also mit dem gesamten Vorstand".

Während andere sich mit ihrer Masterarbeit abmühen oder mit dem ersten Job, verantwortet Kunze mit seinen Mitgründern Dennis Humhal und Vlad Lata seit zwei Jahren diese Firma, mittlerweile haben sie mehr als 30 Mitarbeiter. Er streckt den Rücken durch beim Laufen, Schultern zurück, Haltung bewahren. Auch wenn die Menschen hier jung sind, Ende zwanzig, um die dreißig, ist das kein Studenten-Club. Manche haben für Konux ihre feste Stelle aufgegeben, in Vorständen, bei McKinsey. Sie glauben daran, dass aus diesem Start-up ein internationales Unternehmen erwachsen wird, am liebsten natürlich das mächtigste am Markt. Bewerbungen bei Konux seit Mitte Mai: 1431. "Ich weiß, wenn das hier scheitert, bin ich fucked", sagt Kunze und legt einen kleinen silbernen Kasten auf den Tisch. "So richtig."

In diesem silbernen Kasten sind mehrere Beschleunigungssensoren verpackt, die sollen Verkehrsunternehmen wie der Deutschen Bahn irgendwann in Echtzeit melden, wo im Land welche Weichen gewartet werden müssen. Die Züge sollen pünktlicher über die Gleise rollen, Bahnchef Rüdiger Grube hofft, damit eine Menge Geld zu sparen.

Kunze klappt seinen Laptop auf, das erste Bild: ein Selfie mit Grube im Silicon Valley. Nächstes Foto, er und Mitgründer Lata mit Helm auf den Gleisen. Drüben in einem der anderen Glaskästen bewachen seine Kollegen am Bildschirm gerade die zweite Testphase an den Weichen, starren auf die Glasscheiben, beschmieren sie mit noch mehr Zahlen. Jeder sieht in dieser Halle, wer mit wem spricht, wer an was arbeitet. "Transparenz verhindert Misswirtschaft", sagt Kunze. Ein Satz, den wohl auch ein mittelständischer Unternehmer mittleren Alters sagen würde.

Wenn man mit dem eigenen Geld spielt, "killt das dein Ego"

Der junge Unternehmer aber trägt Jeans, schwarzes Sakko, ein schwarzes T-Shirt von der Stange. Nur weil er jetzt Geld habe, müsse er es ja nicht ausgeben. Kunze weiß genau, was viele denken, wenn sie hören, dass er an der Universität in Stanford war, dann auch noch die Geschichte mit Bechtolsheim auf dieser Party, schon klar, wo der Junge herkommt.

Manche hätten ihm unterstellt, dass Bechtolsheim sein Onkel sei, Kunze schüttelt den Kopf, nur noch absurd. Seine Mutter ist Buchhalterin, sein Vater Beamter. Abitur am Adolf-Weber-Gymnasium, Schnitt so mittelmäßig. "Ziemlich normal alles", sagt Kunze. Er lächelt. Er weiß natürlich auch, dass diese Geschichte besser ankommt, als wenn Daddy Unternehmer wäre. Die ersten Prototypen der intelligenten Sensoren haben sie damals an der Technischen Universität München (TUM) gebaut, er hat Wirtschaftsinformatik studiert, ging später nach Stanford. Letztendlich schmiss er seinen Master aber für Konux. Wenn, dann richtig.

Andreas von Bechtolsheim, der Mann von damals auf der Feier, ist mittlerweile Vorbild. Auch, weil er sich trotz seiner Milliarden "immer noch in einer Schlange bei McDonald's anstellen würde". Bechtolsheim lebt im Valley, ist aber am Ammersee aufgewachsen, studierte an der TUM. Vielleicht sind ihm deshalb Ideen aus der Heimat so willkommen, vielleicht lud er Kunze deshalb auf der Feier damals nach Palo Alto ein.

An einem Tag die Woche bleibt das Büro leer

Wie er den altgedienten Investor während des Essens beeindruckt hat, weiß Kunze selbst nicht so genau, "wir haben uns halt gut unterhalten". Man muss vielleicht dazusagen: gut unterhalten über Datensysteme. Kunze fährt auch heute immer wieder ins Valley, dort hat seine Firma einen zusätzlichen Sitz, wegen der ganzen amerikanischen Investoren. In einem Haus, "ungefähr so wie in dem Facebook-Film". Aber nicht dort, sondern in Sendling wird entschieden.

Kunze geht hinüber in die Küche, einen kleinen Raum mit Kaffeemaschine, einem abgewetztem Sofa, an die Wand ein Albert Einstein gesprüht, der die Zunge bleckt. Wüsste man nicht, dass Kunze, Humhal und Lata hier mal eben ein Sensorensystem erschaffen wollen, mit dem Verkehrsunternehmen Millionen sparen sollen - das Ganze wäre auch ein nettes Kollegstufenzimmer. Kunze brüht einen Kaffee auf, schwarz, einer von vielen am Tag. Sie haben jetzt beschlossen, dass sie einmal in der Woche nicht hierher ins Büro kommen, sagt er. Sei ja doch gut, auch mal zur Ruhe zu kommen. Nicht immer nur Extreme.

Er weiß noch, da gab es diesen Tag im Februar, die Firma Linkedin hatte ihre Umsatzerwartungen gesenkt, die Aktien fielen um mehr als 40 Prozent, sie waren ganz unten und Kunze war es auch. Wenn manche seiner Fonds in das Karrierenetzwerk investiert hatten, seien sie nun vielleicht abgeschreckt von neuen Projekten. Kunze schlief nicht mehr. Er starrte auf die Aktienkurse. Es gab nur noch diese eine Frage: "Wie reagieren meine Fonds?"

Jeden Fehler notiert Kunze, jeden Tag

In Konux hat unter anderem der deutsche MIG Fonds investiert sowie der UnternehmerTUM-Fonds. Das meiste Geld aber kam aus den USA, etwa von New Enterprise Associates, einem Fonds aus dem Silicon Valley. Letztendlich hat sich Kunze damals umsonst gesorgt, nach dem Absturz dieser Aktien gab nur einer etwas weniger Geld, am Ende war der Batzen noch immer viel größer als erwartet. Wäre vielleicht einen Eintrag in seiner Fehlersammlung wert.

Kunze sitzt im Konferenzraum, wo er gerade noch mit seinem Vorstand tagte, kaltes Licht aus Röhrenlampen, die Front verglast. Er öffnet ein Dokument auf seinem Computer, all seine Fehler der vergangenen Monate, immer nach dem gleichen Schema sortiert: Was lief falsch, was war das Ergebnis und was das "Learning"? Jeden Tag füllt er dieses Dokument mit neuen Zeilen, wie andere ein Tagebuch, jeden falschen Satz in einem Gespräch, jede falsche Entscheidung in einer Konferenz notiert er.

Vielleicht ist so viel Akribie aber auch nötig, wenn man mit 25 Jahren eine Firma führt. Kunze hat ja in all das hier, in die Fabrikhalle, die Sensoren und die Leute auch sein eigenes Geld gesteckt, hat eigens einen Kredit bei der Bank aufgenommen. Wenn man nicht nur mit dem Geld anderer spiele, sondern mit dem eigenen, "killt das dein Ego", sagt Kunze. Vor ihm der silberne Kasten. Wenn das hier scheitert, ist er fucked. So richtig.

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