Münchner Stadtrat:Bunte Mischungen

Münchner OB-Kandidaten

Rot-Grün? Schwarz-Grün? Oder gar Schwarz-Rot? Dieter Reiter, Josef Schmid und Sabine Nallinger.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Im neuen Stadtrat reicht es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Grün. Sowohl SPD als auch CSU bräuchten mindestens einen der Kleinen für eine Mehrheit - doch nicht jedes dieser Patchwork-Bündnisse würde funktionieren.

Von Peter Fahrenholz und Dominik Hutter

Die Münchner Wähler haben den neuen Oberbürgermeister vor eine schwierige Aufgabe gestellt: Denn weder reicht es für Dieter Reiter mit Rot-Grün plus Rosa Liste, noch kann Josef Schmid zusammen mit den Grünen regieren (die Rosa Liste würde bei dieser Konstellation nach bisheriger Aussage nicht mitmachen).

Beide Bündnisse kommen, den OB mitgerechnet, nur auf 40 Stimmen - eine zu wenig. Gebraucht werden deshalb ein oder mehrere Partner für ein Patchwork-Bündnis, wie fest oder locker dieses am Ende auch geknüpft ist. Dieter Reiter würde sich dabei als OB mit Rot-Grün-Rosa bedeutend leichter tun als Josef Schmid mit Schwarz-Grün. Denn Rot-Grün ist ein eingespielter politischer Block, es sind die beiden erklärten Wunschpartner, auch die Kooperation mit der Rosa Liste ist langjährig erprobt und gefestigt. Da fällt es leichter, einen zusätzlich Partner mit an Bord zu nehmen.

Einzelkämpfer bringen nur hauchdünne Mehrheit

Die SPD will bei der Suche zunächst mit den Kräften sprechen, die mindestens zwei Sitze haben, denn das Bündnis mit einem Einzelkämpfer brächte nur eine hauchdünne Einstimmen-Mehrheit. "Ich würde mir schon wünschen, dass wir zwei oder drei Sitze über den Durst sind", sagt der Münchner SPD-Chef Hans-Ulrich Pfaffmann. Und wer käme da zuallererst in Betracht? "Da fallen mir die Linken und die ÖDP ein", so Pfaffmann.

Josef Schmid täte sich bei der Bündnissuche wesentlich schwerer. Denn Schmid müsste überhaupt erst einmal die Grünen auf seine Seite ziehen, was nach derzeitigem Stand ziemlich unwahrscheinlich ist. Denn so gut die persönlichen Beziehungen zwischen Schmid und der grünen Frontfrau Sabine Nallinger auch sein mögen, an der Basis der Grünen stößt eine Liaison mit der CSU bislang auf keinerlei Gegenliebe. Falls sich das nach einem längeren Diskussionsprozess ändern sollte, wäre Schwarz-Grün in jedem Fall ein riskantes Experiment. Da noch einen dritten Partner zu integrieren, macht die Sache noch wackliger. Schmid dürfte deshalb im Falle seiner Wahl zum OB schnell auf die Konstellation zusteuern, die ihm in jedem Fall eine stabile Mehrheit garantieren würde: Schwarz-Rot.

Für die CSU hätte Schwarz-Rot aber auch für den Fall einen enormen Reiz, dass Reiter neuer OB wird. Denn dann erhielte die CSU zum ersten Mal seit 1990 den Posten des Zweiten Bürgermeisters und käme auch bei den nächsten Referentenwahlen zum Zuge (die Amtszeit der meisten Referenten endet Mitte 2016). Damit wäre die CSU für mindestens acht Jahre in die Stadtregierung eingebunden - eine Wohltat nach den langen Oppositionsjahren.

Die Bündnisoptionen im Überblick

Mit einem schwarz-roten Bündnis wiederum würde sich die SPD weit schwerer tun. Denn die große Mehrheit der SPD tickt eindeutig rot-grün. Sollte Dieter Reiter als OB bei der Suche nach neuen Patchwork-Partnern scheitern, müsste er erst viel interne Überzeugungsarbeit leisten, um die Genossen zum Schwenk Richtung CSU zu bringen. Durchaus denkbar, dass genau wie auf Bundesebene in dieser Frage ein Mitgliederentscheid gebraucht wird. Falls Reiter OB wird, ist die große Koalition wohl erst die letzte Option. Sie käme erst dann zum Tragen, wenn zuvor alle anderen Sondierungen gescheitert sind. Die Eignung der Kleinen als Bündnispartner ist indes höchst unterschiedlich, wie die folgende Übersicht zeigt.

FDP

Die Liberalen wirken nur mäßig interessiert an einem festen Bündnis. Schlechte Karten hat vor allem Rot-Gelb-Grün. "Eine Ampel kann ich mir momentan nicht vorstellen", sagt Spitzenkandidat Michael Mattar. Letztlich aber will man sich keinem Gesprächsangebot verschließen. Nur: "Wir werden uns nicht billig verkaufen." Sowohl die SPD als auch die Grünen müssten den Liberalen an entscheidenden Stellen entgegenkommen - beim Thema Verkehr etwa, bei dem die FDP nur schlecht mit den Grünen kann, oder auch bei den Stadtwerken, deren Öko-Investitionen weitab der Heimat bei den Liberalen auf Missfallen stoßen. Aber auch mit der CSU gibt es an einigen Stellen Reibungspunkte, bei der Nachverdichtung etwa. Die FDP kann sich eher ein System der wechselnden Mehrheiten vorstellen, bei dem je nach Thema entschieden wird. Derzeit basteln die Liberalen ein einem großen Oppositionsbündnis, das auch den Kleineren den Weg in die Fachausschüsse ebnen würde. Dafür kommen beispielsweise die Freien Wähler in Frage oder die ÖDP, nicht aber die Linken. "Mit den Freien Wählern haben wir die größte Übereinstimmung".

Freie Wähler

Vorkämpfer Johann Altmann ist erklärtermaßen offen für Gespräche sowohl mit der SPD als auch mit der CSU - wenn die sich melden. Allerdings dürfe das eigene Programm nicht zu kurz kommen, was schwierig werden könnte, da bei jeder denkbaren Konstellation die Grünen mit im Boot wäre. Und die wären wohl von Altmanns Vorstellung nur wenig begeistert, den Mittleren Ring noch an weiteren Stellen zu untertunneln und darauf zu achten, dass der Autoverkehr nicht zu kurz kommt. In der Wohnungspolitik der Freien Wähler steckt ein bisschen CSU und ein bisschen SPD. Einerseits sollen die Gartenstädte verschont bleiben, woanders aber darf man ruhig in die Höhe bauen.

Linke

Die grüne Spitzenkandidatin Sabine Nallinger hat sich bereits nach der Telefonnummer ihres Linken-Pendants Brigitte Wolf erkundigt. Einen direkten Kontakt zum Thema Bündnis aber hat es noch nicht gegeben. Bislang ist noch nichts in den Parteigremien besprochen, die Pragmatikerin Wolf kann sich aber durchaus eine Koalition mit SPD und Grünen vorstellen - wenn es thematisch stimmt. Dazu müssten die beiden Partner den Linken entgegenkommen, bei Arbeitnehmerfragen etwa oder dem Erhalt der Notfallversorgung in den Kliniken. Ein Zusammengehen mit der CSU kann sich Wolf nicht vorstellen.

ÖDP

Die ÖDP hat ein paar zwischenmenschliche Probleme mit den Grünen, nach Auskunft von Stadtchef Thomas Prudlo sollte ein Bündnis daran aber nicht scheitern. Berührungsängste gibt es weder mit der SPD noch mit der CSU. Allerdings gibt es einige rote Linien, die bei der ÖDP nicht überschritten werden dürfen. Dazu zählen das Verbrennen von Steinkohle im Kraftwerk Nord ebenso wie das Festhalten am System der repräsentativen Demokratie. Große Projekte, Tunnel am Mittleren Ring etwa, will die ÖDP künftig von den Bürgern entscheiden lassen. Bei der Gesellschaftspolitik pocht die Partei auf einen Kurs der Mitte - eine klare Botschaft an die CSU und ihren Umgang mit Migranten. Auch die ÖDP träumt derzeit von einem Oppositionsbündnis, allerdings ohne die FDP.

Piraten/Hut/Bayernpartei

Die drei Einzelkämpfer kommen wohl eher für lose themenbezogene Bündnisse in Frage, eine Fünf- oder Sechs-Parteien-Koalition ist nur noch schwer zu steuern. Die Piraten wollen ohnehin erst einmal die Stichwahl abwarten, Hut versteht sich bewusst als Bündnis von Bürgerinitiativen und daher als Alternativentwurf zum Parteiensystem. Die Bayernpartei ist politisch ziemlich unauffällig, passt aber zweifellos deutlich besser zur CSU als zur SPD.

AfD und BIA

Mit den Rechtskonservativen und Rechtsradikalen will erklärtermaßen niemand im Stadtrat zusammenarbeiten. Sie scheiden als Bündnispartner aus.

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