Münchner Stadtpolitik:Lauter große Baustellen

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München geht es besser als fast allen anderen Städten. Trotzdem gibt es für die neue Mehrheit im Rathaus eine Menge zu tun. (Foto: Imago Stock&People)

Erst dauerte die Suche nach einer Mehrheit im Münchner Rathaus ewig, kurz darauf begannen schon die Pfingstferien. Ab nächster Woche kann nun der neue Stadtrat so richtig mit der Arbeit beginnen. Die SZ listet die wichtigsten Aufgaben auf.

Von Peter Fahrenholz, Dominik Hutter, Silke Lode und Marco Völkein

Kliniken

Bei keinem anderen städtischen Unternehmen muss der Stadtrat so dringend wegweisende Entscheidungen treffen. Wenn der Sanierungsplan für das Stadtklinikum nicht in den nächsten Wochen beschlossen wird, sind die fünf Krankenhäuser spätestens Anfang 2016 pleite. Ein neues Konzept für die Sanierung steht seit Ende Februar: etwa 2000 der 8000 Mitarbeiter sollen gehen, der Standort Thalkirchner Straße mit der Hautklinik soll aufgegeben und insgesamt 800 Betten abgebaut werden.

Zahlreiche Abteilungen werden laut Plan zusammengelegt, vor allem die Krankenhäuser in Schwabing und Harlaching würden daher deutlich schrumpfen. Neben dem Stellenabbau müssen die Mitarbeiter sich auch auf Lohneinbußen einstellen. Allen radikalen Kürzungen zum Trotz kostet die Rettung des Konzern nach derzeitigem Stand mehr als 700 Millionen Euro, ein Großteil der Investitionen fließt in neue Gebäude. Am 8. Juli entscheidet der Stadtrat, ob er die von der Boston Consulting Group erarbeiteten Pläne mitträgt.

Wohnen

Das ganz große Thema der Münchner Stadtpolitik hat aus der Rathaus-Perspektive einen ganz gehörigen Nachteil: Der Einfluss des Stadtrats ist begrenzt. Zwar sind die Weichen bereits gestellt, um den Wohnungsbau der städtischen Unternehmen und auch der Genossenschaften anzukurbeln - sie haben nun mehr Geld zur Verfügung, und die Stadt gibt Grundstücke notfalls auch unter Wert ab. Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen lässt sich damit aber nicht beheben, private Investoren müssen dazukommen.

Oft genug entsteht dabei der Eindruck, dass bei den Münchnern und ihren Behörden eher das Stadtbild und der Erhalt der privaten Idylle im Vordergrund stehen als die Wohnungsnot der anderen. Immerhin gibt es inzwischen eine Hebel, um die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu begrenzen - für viele kommt das um 20 Jahre zu spät. Das Glockenbachviertel oder Schwabing gelten längst als "durchgentrifiziert".

Kinderbetreuung

Die Stadt versucht zwar stets, das beruhigende Gefühl zu vermitteln, dass am Ende nahezu jeder einen Betreuungsplatz für sein Kind findet, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Kaum ein anderes Thema ist für die Betroffenen so zeitraubend, enervierend und glücksbehaftet wie die Kita-Suche. Sie gleicht der Reise nach Jerusalem, bei der am Ende mehr als nur ein Stuhl fehlt. Viele Eltern müssen die mühselige Prozedur gleich dreimal auf sich nehmen: Erst beim Krippenplatz für die ganz Kleinen, dann für den Kindergarten ab drei Jahren und später für eine verlässliche Nachmittagsbetreuung in der Grundschule.

Hier ist das Angebot noch trüber als bei den Kitas. Zwar will die Stadt endlich eine zentrale Anmeldung für die Kitas einführen und OB Dieter Reiter kämpft für eine Gehaltszulage für Erzieherinnen. Doch das wird alles nicht reichen, zumal sich das Problem durch den starken Zuzug nach München weiter verschärfen wird.

U-Bahnen

Einig sind sich SPD und CSU, dass sie die U 5 nach Pasing verlängern wollen - und zwar "unabhängig von ihrer Zuschussfähigkeit", also ohne dass Bund oder Freistaat den Bau finanziell fördern. Dazu allerdings müssten die Planer zunächst einmal konkrete Entwürfe vorlegen - und dann eine Baugenehmigung, den Planfeststellungsbeschluss, beantragen. Das dürfte aber noch Jahre dauern.

Ähnlich sieht es bei der U 4-Verlängerung nach Englschalking aus sowie bei der U-Bahn-Spange im Münchner Norden zwischen U 2 und U 6, deren Nutzen-Kosten-Verhältnis "neu bewertet" werden soll - wobei dies bereits gemacht wurde. Mit dem Ergebnis, dass sich die U-Bahn-Spange im Norden wohl nie und nimmer rechnen dürfte.

Trambahnen

Viel weiter gediehen sind die konkreten Planungen dagegen bei der Tram-Westtangente durch die Fürstenrieder Straße. Dort könnte der Stadtrat im Herbst den Startschuss geben für die Beantragung der Baugenehmigung - wenn er es denn will. Allerdings haben sich SPD und CSU darauf verständigt, die Trasse nur zu bauen, wenn "die Leistungsfähigkeit für den Autoverkehr möglichst unangetastet" bleibt.

Planer sagen allerdings, dass dies kaum möglich sein wird - schließlich benötigt die neue Tram eine separate Spur. Und die kann man realistischerweise nur auf Kosten des Autoverkehrs anlegen. Wie also die Entscheidung ausgehen wird, ist offen. SPD und CSU haben nur erklärt, dass sie "im Konsens" über das weitere Vorgehen entscheiden wollen.

Straßentunnel

Mitten in die Koalitionsgespräche im Mai platzte ein privater Investor mit dem Vorschlag, einen Straßentunnel an der Landshuter Allee zu errichten - und auf dessen Deckel Wohnhäuser zu bauen. Den Verhandlern von CSU und SPD gefiel der Vorschlag so gut, dass sie ihn prompt übernahmen: "Die Planungen hierzu müssen verwaltungsseitig innerhalb eines Jahres entscheidungsreif geprüft sein", heißt es in der Koalitionsvereinbarung. Den Auftrag dazu muss der Stadtrat aber erst noch erteilen.

Ebenso zu einem anderen Projekt: Für den geplanten Straßentunnel an der Tegernseer Landstraße haben sich CSU und SPD auf einen Bürgerentscheid verständigt. Wann und wie dieser genau durchgeführt werden soll - das müssen die Politiker und die Fachleute nun klären.

Radverkehr

Der schon vor der Wahl umstrittene Radweg in der Rosenheimer Straße soll gebaut werden - aber nur, wenn "die bestehenden Fahrspuren erhalten werden können", so die Einigung zwischen CSU und SPD. Konkret heißt das aber, dass Parkplätze und - nicht unerheblich - ein gutes Dutzend Straßenbäume wegfallen würden. Das dürfte noch zu Diskussionen führen.

Die Grünen haben bereits versucht, mit einem Stadtratsantrag Druck zu machen. Und: Umwelt- und Verkehrsverbände fordern, dass die Stadt nicht nur an der Rosenheimer Straße den Radlern mehr Platz einräumt; ähnlich dringend müssten die Politiker auch Lösungen unter anderem für die Dachauer Straße, Lindwurmstraße und Nymphenburger Straße finden.

Verwaltung

Diese Baustelle mit ihren 32 000 Mitarbeitern will OB Dieter Reiter sich sofort vorknöpfen. Zu deutlich waren die Probleme in den letzten Jahren: Städtische Wohnungen standen leer, im Kälteschutzprogramm sollten Bedürftige auf einmal keine Decken mehr bekommen, für den Kulturstrand wurde ein untauglicher Platz direkt neben einer Klinik ausgewählt, im KVR werden die Schlangen mit jedem neuen Einwohner länger und die Bearbeitungszeit für Bebauungspläne scheint trotz der Wohnungsnot endlos zu sein, da jedes Mal sieben Referate beteiligt sind.

Diese Liste ließe sich lange fortsetzen, auch weil die straffe Führung der Verwaltung in den letzten Jahren nicht unbedingt zu den Lieblingsaufgaben von Alt-OB Christian Ude gehört hat. "Es muss schneller gehen und der Service muss besser werden", gibt Dieter Reiter als Ziel für die anstehenden Reformen aus. Völlig offen ist, ob dabei Behörden zusammengelegt werden, neue Referate geschaffen oder zumindest Arbeitsgruppen ins Leben gerufen werden, die über der strengen Referatsstruktur stehen und so zeitfressende Schnittstellen überwinden könnten. Allerdings dürften die Rufe aus der Politik nach Abschaffung von Posten deutlich leiser werden, da SPD und CSU diese bereits untereinander aufgeteilt haben.

Personalien

Ein Problem haben die Großkoalitionäre bereits auf ungewöhnliche Art und Weise gelöst: Einen Wirtschaftsreferenten brauchen sie nicht mehr zu finden, weil Bürgermeister Josef Schmid das Amt quasi nebenher miterledigt. Im kommenden Jahr steht die Neubesetzung an der Spitze des Referats für Gesundheit und Umwelt an - eine schwierige Personalie, wenn man Kompetenz für die beiden ungleichen Fachgebiete gleichzeitig sucht.

Besonders knifflig ist die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für den allseits anerkannten Kreisverwaltungsreferenten Wilfried Blume-Beyerle, der 2016 geht. Die Not war bereits im vergangenen Jahr so groß, dass der Stadtrat den parteilosen Juristen bat, seinen eigentlich im Dezember anstehenden Ruhestand noch ein wenig aufzuschieben. Vertagt in die Zukunft, nennt man so etwas.

Und dann gibt es auch noch die Position des Stadtschulrats, die in einem Zwischenstadium der Koalitionsgespräche an die jetzige Dritte Bürgermeisterin Christine Strobl gehen sollte. Die Botschaft im Hintergrund lautet: Behördenchef Rainer Schweppe ist angezählt.

© SZ vom 18.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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