Münchner Soul:Pop aus Perlach

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Der Soul der Eisverkäuferin: Die Münchnerin Ania Jools ist nicht nur blond und hübsch, sondern kann auch singen. Nun bringt sie ihr Debütalbum heraus.

Bernhard Blöchl

Münchens neue Pop-Hoffnung hat einiges mit Claudia Koreck gemeinsam, der Dialekt gehört nicht dazu. "Ich bin in Perlach, aber nicht bairisch aufgewachsen", sagt Ania Jools, deren Eltern polnische Wurzeln haben.

Die Münchnerin Ania Jools ist nicht nur blond und hübsch, sondern kann auch singen. (Foto: Foto: oh)

Wegen ihres komplizierten Nachnamens war die Wahl des Künstlernamens Jools durchaus von Vorteil. "Anfangs habe ich nicht alles verstanden, was Claudia gesagt hat", sagt die zierliche Blonde und lächelt. Dass sich die beiden in den vergangenen Jahren oft begegneten, liegt vor allem an dem Mann, der beide Musikerinnen fördert: Gunnar Graewert.

Während der Münchner Komponist und Produzent Claudia Koreck zum Höhenflug verhalf ("Fliang"), feilte er parallel an der Karriere der Ania Jools, die zunächst als Background-Sängerin unter anderen bei der Songwriterin aus Traunstein Erfahrungen sammelte. Inzwischen ist Jools' Debüt-Album bei Sony erschienen, die Musik stammt von Graewert, die meisten Texte sind ebenfalls von ihm. Zwei Geschichten durfte auch Koreck beisteuern, ihre wohl ersten Lieder auf Hochdeutsch. Eins davon heißt "Bilder von ihr", die Platte "Bilder von mir".

Mentor an der Ukulele

Über die bayerische Mundart-Sängerin weiß man mittlerweile einiges, wer aber ist die Frau, die bislang eher im Hintergrund agierte? Zur Live-Präsentation der CD in einer Eisdiele im Tal trägt die 22-Jährige Jeans und Turnschuhe - "ich kann aber auch Heels anziehen", bietet sie den Fotografen an. Sie ist flexibel, das ist gut im Musikgeschäft. Claudia Koreck hat sich auch ins Publikum gemischt. Wenn sie nicht auf der Bühne steht, ist sie noch kleiner, als man dachte. Sie wippt im Takt und klatscht begeistert. Die Münchner Szene ist unter sich, und Ania Jools jubiliert ins Mikrophon: "An der Ukulele: Gunnar Graewert, mein Songschreiber, mein Produzent, mein Alles".

"Alles" bedeutet hier vor allem Entdecker. Der Münchner Musiker, Jahrgang 1974, hat Ania vor vier Jahren kennengelernt, als diese in Perlach fürs Abitur büffelte und in Coverbands sang. Graewert, so erzählt man sich, soll die junge Sängerin bei einem Auftritt erlebt und sie dann zufällig in jener Eisdiele wiedererkannt haben, wo nun die CD vorgestellt wurde. Ania Jools, die dort bis vor kurzem jobbte, reichte dem Produzenten Eis der Sorte "Pralines and Cream". Sie wiederum konnte der süßen Versuchung des Popgeschäfts nicht widerstehen.

Nun steht sie wieder in der kleinen Eisdiele und singt die Lieder ihrer ersten eigenen Platte. Die sommerliche Single "Amelie" zum Beispiel oder das soulige "Schön dich wiederzusehen". Leichte, handgemachte Popstücke sind das, mal rockig, mal bluesig, mal balladesk, stets luftig arrangiert und radiotauglich. Harmlos, aber schön.

Ania Jools genießt den Auftritt und strahlt. Das Markanteste aber ist ihre Stimme. Die ist sicher, variantenreich und tief, dabei nie dunkel oder rau. Eigentlich ist sie viel zu tief für ihre zierliche Erscheinung, aber genau das macht ihren Reiz aus. Ihr Gesangslehrer sah das anders: "Er wollte meine Stimme verändern", so Jools. Sie sei gut, aber zu hauchig, habe sie sich als Teenager anhören müssen. An ihrer Stimme hat sie nichts verändert. "Sie ist eben ein bisschen eigen."

Eigen genug für Gunnar Graewert. Der Produzent ("Young and Loud") arbeitet unter anderen mit den Bananafishbones zusammen, komponiert Melodien für Film und Fernsehen. Dass es mit Jools letztlich zum Vertrag mit dem Majorlabel Ariola-Sony gereicht hat, liegt wohl vor allem daran, dass das "Dreamteam" (Jools) nichts überstürzte. "Ich bin froh, dass wir die Zeit hatten, zu wachsen", sagt sie.

Blitzkarriere und Casting-Shows wie "DSDS" waren für sie nie ein Thema. Ihre musikalische Vita ist vorbildlich, fast ein bisschen streberhaft: Mit sechs Jahren stand Ania erstmals auf der Bühne, mit zehn fing sie an, Klavier zu lernen ("Chopin und klassische Sachen"), mit elf sang sie in ihrer ersten Band, mit 14 nahm sie Gesangsunterricht. Schon vor dem Abitur am städtischen Heinrich-Heine-Gymnasium in Perlach trat sie mit Coverbands auf - und dann kam Gunnar Graewert und kaufte Eis bei ihr.

Gunnar trifft ihre Gefühle

Ihr erstes gemeinsames Engagement hatten sie 2005 an der Seite von Mario Adorf: Mit dem Schauspieler sang Jools den Titelsong zum Kinofilm Es ist ein Elch entsprungen, Graewert schrieb Text und Musik. Er komponierte auch Songs für Jools, und irgendwann kam der Moment, als sich das Duo einig war: "Wir probieren es!"

Zwei Jahre lang bastelten die beiden an der Debütplatte, "unserer Platte", wie Ania Jools betont. Sie erzählte ihrem Mentor aus ihrem Leben, dem Alltag als Teenager, und der erfahrene Profi fasste die Geschichten der jungen Frau in Songtexte. "Er ist ein guter Zuhörer", sagt sie über ihn. "Gunnar trifft meine Gefühle immer und weiß auch oft, was ich denke." In ihren Songs geht es um Mädchenfreundschaften, Jugendthemen wie Online-Gemeinschaften ("Wir leben eher alleine / Lokalisten-Gemeinde"), aber auch um Trauer. In "Du lebst" hat sie den Tod für sie wichtiger Menschen verarbeitet. Es habe ihr geholfen, darüber zu reden.

Ania Jools, die noch bei ihren Eltern in Perlach wohnt, wie sie frei heraus erzählt, redet gerne, sie hat ein offenes Wesen. Und sie ist ein Gruppenmensch. "Musik ist erst gut, wenn viele Leute mitwirken", findet sie. An der Platte haben viele Leute mitgewirkt: Neben Graewert, Koreck, dem Modern String Quartett und weiteren Gastmusikern fällt vor allem der Name Frank Ramond im CD-Booklet auf.

Der Hamburger gehört zu den erfolgreichsten deutschen Produzenten der Gegenwart und legt unter anderen Roger Cicero und Ina Müller schöne Worte in den Mund. Und natürlich Annett Louisan. Das Duo Ramond-Louisan ist ein eingespieltes und erfolgreiches Team, es funktioniert nach einem ähnlichem Prinzip, wie sich Gunnar Graewert und Ania Jools ihre Arbeit teilen. Für die Perlacherin hat Ramond den Song "Fühl' das Leben nur bei dir" geschrieben.

Und so hat Münchens neue Pop-Hoffnung auch etwas mit Annett Louisan gemeinsam.

© SZ vom 11.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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