Münchner S-Bahn: Tunnel-Gutachten:Vorteil für die zweite Röhre

Es ist die "Stunde der Entscheidung". Ein Nordtunnel für die Münchner S-Bahn sei nicht wirtschaftlich, heißt es in einer neuen Studie. Ein "Experten-Hearing" im Landtag soll Klarheit schaffen.

D. Hutter

Die zweite S-Bahn-Röhre hat sich auch im Vergleich mit dem Nordtunnel als die bessere Variante durchgesetzt. Eine Studie des Freistaats, die auf Wunsch Stammstrecken-kritischer Landtagsabgeordneter erstellt wurde, beziffert den Nutzen-Kosten-Faktor des umstrittenen Tieftunnels zwischen Laim und Ostbahnhof auf den im Nahverkehr beachtlichen Wert von 1,7. Der Nordtunnel dagegen kommt je nach Variante nur auf 0,9 bis 1,1 - bei deutlich höheren Kosten.

"Nun muss endlich die Stunde der Entscheidung kommen", mahnt Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), der sich durch das Ergebnis in seiner seit Jahren vertretenen Haltung bestätigt fühlt. "Ich denke, dass inzwischen alle erdenklichen Varianten gutachterlich untersucht sind". Weitere Verzögerungen dürfe es nicht geben. Der grüne Landtagsabgeordnete Martin Runge will dagegen auch das Ergebnis dieser Studie nicht akzeptieren. Das Papier sei "voller Fehler."

Das Gutachten, das an diesem Donnerstag im Landtag vorgestellt wird, berücksichtigt erstmals den Verkehrswert sowohl für die S-Bahn als auch für die Anbindung des Flughafens.

Bislang war der zweite Stammstreckentunnel ausschließlich der S-Bahn, der Nordtunnel dagegen der Flughafenanbindung zugerechnet worden. Da aber beide Bauwerke beiden Zwecken dienen sollen, haben die Experten diesmal eine Art "All-Inclusive"-Wert errechnet.

Demnach kommt der zweite Stammstrecken-Tunnel, durch den neben zusätzlichen S-Bahnen auch ein Flughafen-Express sowie diverse Regionalzüge rollen könnten, den Freistaat deutlich billiger als das Konkurrenzprojekt Nordtunnel - obwohl Letzteres für die Studie bereits auf eine preisgünstigere Variante reduziert wurde.

Schuld am besseren Abschneiden des Stammstrecken-Tunnels sind den Gutachtern zufolge dessen höhere Attraktivität für die Fahrgäste, kürzere Reisezeiten zu den meisten Zielen sowie die niedrigeren Kosten: 2,935 Milliarden Euro.

Wunschträume

Die wichtigsten Bestandteile für eine Flughafenanbindung auf der Ost-Trasse via Ismaning sind in dieser Summe schon enthalten: der viergleisige Ausbau zwischen Daglfing und Johanneskirchen (allerdings ohne Tunnel), ein zweiter Flughafenbahnhof sowie der Schienen-Lückenschluss in Richtung Ostbayern.

Der Nordtunnel dagegen würde auf 3,0 bis 3,73 Milliarden Euro kommen - wobei die preisgünstigste Version nach Einschätzung der Deutschen Bahn eher einem Wunschtraum denn verkehrspolitischer Realität entspricht. Sie wäre zudem nicht für Fernzüge geeignet. Berücksichtigt man die Preiskalkulation der Bahn - konkret geht es um die Zahl der Gleise zwischen Pasing und Hauptbahnhof - sowie die notwendigen Vorleistungen für den Fernverkehr, rutscht der Nutzen-Kosten-Faktor für den Nordtunnel auf 1,0 oder darunter.

Dies reicht nicht aus, um den Einsatz öffentlicher Gelder zu rechtfertigen: Denn der Faktor muss stets höher als 1 liegen. Der Wert 1,0 bedeutet, dass für jeden investierten Euro ein volkswirtschaftlicher Nutzen von einem Euro entsteht - das wäre ein Nullsummenspiel. Bei 0,9 entsteht sogar ein finanzieller Schaden, denn dann bringt jeder Euro nur 90 Cent Nutzen.

Der Nordtunnel wurde vom Münchner Planungsbüro Vieregg-Rößler entworfen - nicht zuletzt, um auf einer möglichst direkten Route ICEs gen Flughafen führen zu können. Er besteht in seiner abgespeckten Version aus einer viergleisigen Röhre, die westlich des Hauptbahnhofs beginnt und quer durch Schwabing und Freimann zum DB-Nordring führt. Geplant sind vier unterirdische Stationen: Hauptbahnhof, Pinakotheken, Münchner Freiheit und Parkstadt Schwabing.

Über den DB-Nordring könnten S-Bahnen und Airport-Züge dann die Trasse der S8 zum Flughafen erreichen. Ursprünglich war im nördlichen Abschnitt eine Neubaustrecke über Garching geplant. Dies aber würde nicht nur die Kosten in die Höhe treiben, sondern auch die Fahrgastzahlen der erst vor wenigen Jahren eröffneten U6 dezimieren.

Das Gutachten wird beim heute stattfindenden Experten-Hearing im Landtag offiziell vorgestellt. Bei der Mammut-Veranstaltung beantworten 22 Experten einen aus 125 Einzelpunkten bestehenden Fragenkatalog zu den Themen zweite S-Bahn-Stammstrecke, Flughafenanbindung und Bahnknoten München allgemein. Dabei spielt auch der bereits in einer früheren Studie durchgefallene Südring eine Rolle.

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