Münchner Residenz:Söder eröffnet ein Museum - und sperrt es bald wieder zu

Kellerräume der Münchner Residenz, 2006

Aus dem Dunkel der Residenzkeller kommen manche Bronzeskulpturen nach ihrer Restaurierung wieder ans Licht.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der Münchner Residenz werden Renaissance-Bronzen von Weltrang aufgestellt. Wer sie sehen will, muss sich beeilen

Von Martin Bernstein

Bayerns Finanzminister Markus Söder ist ein geschichtsbewusster Mann. Am Mittwochvormittag eröffnet er im Vierschäftesaal der Münchner Residenz eine Sammlung historischer Kunstwerke von Weltgeltung. Gezeigt werden Bronzeskulpturen des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, als München ein Zentrum dieser Kunstgattung war. Die bedeutendsten Meister ihrer Zeit lebten und arbeiteten hier. Ihre Kunstwerke - davon wird noch zu sprechen sein - waren über die ganze Stadt verstreut.

Söder eröffnet ein Museum - und sperrt es bald wieder zu

Jetzt kommt, zumindest zum Teil, wieder zusammen, was einst zusammengehörte. Und wer hat's gemacht? Der Finanzminister, der zwar eigentlich und hauptsächlich im fränkischen Nürnberg residiert, der alten freien Reichs- und Kaiserstadt, der aber qua Amt als oberster Chef der Bayerischen Schlösserverwaltung auch Hausherr in der weiland herzoglich-kurfürstlichen Residenz zu München ist.

Und weil nun besagter Markus Söder ein Mann ist, dem es offenkundig nicht nur um den schönen Schein der im neuen Lichte glänzenden Bronzen geht, sondern der etwas vom geschichtlichen Werden und Wesen der Dinge versteht, eröffnet er am Mittwoch nicht einfach ein Museum - er lässt es knapp zwei Monate später auch gleich wieder zusperren.

Nicht etwa, weil die Skulpturen dann andernorts gebraucht würden - nein, sie werden in den Räumen bleiben, die der Weilheimer Allroundkünstler Hans Krumpper um 1600 für Herzog Maximilian I. geschaffen hat. Sehen aber dürfen sie dann (außer den Teilnehmern gelegentlicher öffentlicher Führungen) nur noch geladene Gäste rauschender Feste und illustrer Veranstaltungen in der Residenz. "Die Bronzesäle werden künftig als repräsentative Veranstaltungsräume zur Verfügung stehen", heißt es in der Einladung der Schlösserverwaltung.

Ausstellung nach historischem Vorbild

Und so greift Söder den Faden wieder auf, der vor mehr als 400 Jahren von Maximilian geknüpft wurde: Der Wittelsbacherspross drängte seinen Vater zur Abdankung, um die von jenem komplett zerrütteten Staatsfinanzen wieder ins Lot zu bringen, ließ dessen für den öffentlichen Raum geplante Kunstwerke aus Bronze hinter die sicheren Mauern der Residenz bringen und errichtete eine Herrschaft, die Historiker als "Frühabsolutismus" bezeichnen.

Nun muss man bei Söder deswegen nicht gleich an Spätabsolutismus denken, und zur Abdankung gedrängt hat er - zumindest bislang - auch noch niemanden. Doch sein Coup, die millionenschweren Bronzestatuen in der Münchner Residenz an einem Ort zusammenzuführen, wo sie als Staffage-Figuren für höfische Lustbarkeiten und zur Erbauung hochgestellter Gäste dienen, folgt durchaus dem historischen Vorbild.

Damit schließt sich vorläufig ein Kreis. Die Bronzefiguren sind am Ende einer langen Wanderschaft durch München wieder vereint. Am Anfang war ein Grab. Es sollte das Grabmal für Maximilians Vater, Herzog Wilhelm V., und dessen Frau Renata von Lothringen werden. Ein Grabmal, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte: Rund 20 lebensgroße Statuen aus Bronze sollten das Ensemble bilden, geschaffen von den größten Künstlern ihrer Zeit auf dem Gebiet, von dem in Florenz tätigen Flamen Giambologna und dessen Schülern Hubert Gerhard und Carlo di Cesare del Palagio.

Die beiden letzteren waren von den Fuggern nach Süddeutschland, von den Wittelsbachern dann nach München geholt worden. Sie konnten, was in dieser Epoche nur eine Handvoll Künstler derart formvollendet konnte - große Bronzefiguren in freier Bewegung modellieren, mit vielfältig gestalteten Oberflächen, realistischen Gesichtszügen, hell glänzende Abbilder von Menschen, Göttern, Heiligen.

Wenn Bronzegießen richtig gefährlich wird

Der Ruhm der Meister und ihrer Werke beruhte aber nicht nur auf den künstlerischen Qualitäten - ebenso großes Erstaunen der Zeitgenossen erzeugten die technischen Fertigkeiten, die bei der Schöpfung der Bronzen notwendig waren. Der Umgang mit dem mehr als 1000 Grad heißen flüssigen Material war eine höchst gefährliche Sache. Und der Arbeitsprozess langwierig und kompliziert. Ein entwerfender Künstler - beim Herzogsgrabmal war es Friedrich Sustris, auch er ein Flame - zeichnete, wie das Projekt aussehen sollte.

Auf der Basis dieses Entwurfs fertigte der Bildhauer ein Gussmodell: Über einen gebrannten Tonkern modellierte er die Figur - aus Wachs. Dieses Modell wurde mit Röhren versehen, durch die später das flüssige Metall hineingegossen wurde und Luft und geschmolzenes Wachs entweichen konnten. Dann wurde das Modell mit einem tonhaltigen Gussmantel umgeben. Beim Brennen des Tons schmolz das Wachs.

In den so entstandenen Hohlraum konnte die flüssige Bronze gegossen werden. Mehr als einmal flogen im 16. Jahrhundert derartige Konstruktionen den ausführenden Glockengießern um die Ohren, auch die Brandgefahr war enorm. War der Guss gelungen und der Metallkörper abgekühlt (und das konnte Wochen dauern), begann die Feinarbeit der Ziselierer und Goldschmiede unter Aufsicht des Bildhauers.

Kellerräume der Münchner Residenz, 2006

Bronzeplastiken im Abgußraum im Keller der Münchner Residenz.

(Foto: Stephan Rumpf)

Umplatziert, restauriert, kopiert: Figuren auf Wanderschaft

Das Riesen-Grabmal Wilhelms war nahezu fertig, als die Jesuiten, in deren Kirche Sankt Michael es aufgestellt werden sollte, ein deutliches "Nein!" sagten. Außerdem hatten Wilhelms Projekte das Herzogtum Bayern an den Rand des Staatsbankrotts geführt. Der Grabmalplan wurde aufgegeben, wenig später dankte Wilhelm zu Gunsten Maximilians ab. Und unter dessen Regentschaft begannen die Figuren zu wandern. Nur ein kleiner Teil, Giambolognas Kruzifix, eine trauernde Magdalena (ihr Schöpfer war der Schongauer Hans Reichle) sowie Gerhards Weihwasserengel blieben in Sankt Michael. Kniende Ritter kamen in die Frauenkirche.

Die Madonna erhob sich über die Stadt - sie krönt bis heute die Säule am Marienplatz. Andere Figuren kamen in die Residenz, wurden mal in Lustgärten aufgestellt, in Brunnen integriert, wieder um- und abgebaut. Eine Personifikation Bayerns landete schließlich auf dem Hofgarten-Tempietto.

Ihnen allen machte jedoch zuletzt die Luftverschmutzung arg zu schaffen. Mit Hilfe der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung wurden sie aufwendig restauriert. Im Erdgeschoss des Festsaalbaus der Residenz ist jetzt ein Teil von ihnen wieder vereint. An den alten Standorten stehen Kopien fürs Volk. Maximilian, der später als Kurfürst Karriere machte, hätte beides vermutlich gefallen.

"Gegossene Schönheit": Die neuen Bronzesäle in der Münchner Residenz sind vom 17. Dezember bis zum 14. Februar täglich von 10 bis 17 Uhr kostenlos zu besichtigen (Eingang vom Kaiserhof aus).

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