Münchner Residenz:Eine der bedeutendsten Schöpfungen des 19. Jahrhunderts strahlt wieder

Wiedereröffnung des Königsbaus der Residenz

Blick in den Thronsaal der Königin in der Residenz.

(Foto: dpa)
  • Mehr als zehn Jahre lang ist der Königsbau der Residenz saniert worden.
  • Bayerns erster König hatte die Errichtung des Gebäudes einst seinem kunstvernarrten und architekturverliebten Sohn Ludwig überlassen.
  • Der Rundgang ist durch die Wiedereröffnung des Königsbaus noch einmal reicher und vielfältiger geworden.

Von Gottfried Knapp

Um die stadträumliche Bedeutung und den historischen Rang des Königsbaus der Münchner Residenz zu begreifen, muss man in die Entstehungszeit dieses markanten Baukörpers zurückblenden, der zusammen mit dem Nationaltheater dem Max-Joseph-Platz sein einprägsames Aussehen gibt.

Bayerns erster König, der aus der Linie Pfalz-Zweibrücken stammende Max I. Joseph, hatte sich, als er nach München kam, vor allem um den Abbau der Stadtmauern und die Erweiterung des Stadtgebiets nach Norden und Westen gekümmert. Das mächtige neue Hoftheater, das am Eckpunkt der Residenz auf dem Gelände des ehemaligen Franziskanerkloster errichtet wurde - das heutige Nationaltheater - war sein architektonischer Hauptbeitrag zum innerstädtischen Bauen. Seine eigenen Wohnräume aber ließ er vergleichsweise bescheiden in den schon bestehenden Trakten der Residenz am Brunnenhof einrichten.

So bot der Regierungssitz des Königs zur Innenstadt hin einen fast lächerlichen Anblick. Der stadtnächste Hof war nur durch eine schmucklose Trennwand, an der sich einige Hütten angesiedelt hatten, von der Stadt getrennt. Den hier schon seit längerem geplanten Ergänzungsbau, der die Residenz zur Stadt hin abschließen und dem neuen Hoftheater etwas entsprechend Repräsentatives entgegensetzen sollte, überließ er ganz bewusst seinem kunstvernarrten und architekturverliebten Sohn Ludwig. Der war sich der Jahrhundertaufgabe, die ihm zugeteilt war, sehr wohl bewusst.

Schon als Kronprinz ließ er Pläne anfertigen für den Erweiterungsbau, in den er dann als König einziehen wollte. Doch als er die von seinem Lieblings-Architekten Leo von Klenze gelieferten ersten Pläne im Stil römischer Barockpaläste sah, verlangte er gebieterisch eine Fassade im "florentinischen Style". Er meinte den schroff abweisenden Monumentalstil florentinischer Renaissance-Paläste, der sich in den grob behauenen Steinquadern des Palazzo Pitti am gewaltsamsten ausdrückte. Klenze reagierte auf die Forderung zunächst mit Kompromissen, doch am Ende gab er nach und setzte eine klassizistisch beruhigte Variante des Palazzo Pitti als Abschluss der Residenz an den neu geschaffenen Platz.

Sehr viel erstaunlicher als der aus Florenz nach München zitierte Renaissancepalast ist aber das, was König Ludwig I. im Inneren der beiden je zehn Meter hohen Stockwerke vorhatte. Im oberen Geschoss, im piano nobile, wurden zum Platz und zur Residenzstraße hin die Wohn- und Repräsentationsräume der Königin und des Königs eingerichtet. Zum Hof hin aber waren die beiden Riesenstockwerke in vier Einzelgeschosse aufgeteilt, von denen aus die Säle bedient wurden, in deren Intimität sich das Königspaar aber auch immer wieder geflüchtet haben dürfte, wenn das Hofzeremoniell beendet war. Gespeist wurde jedenfalls nicht unter neun Meter hohen Decken zwischen vergoldeten, üppig stuckierten oder literarisch hochbedeutsam raunenden Wänden, sondern auf der Hofseite in einem nur halb so hohen, vergleichsweise bequem eingerichteten Saal.

Die Appartements der Königin sind an Wänden und Decken mit Bebilderungen deutscher Dichtungen geschmückt. Der Bogen spannt sich von Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach über Klopstock, Wieland, Goethe und Schiller bis zu Tieck. Unter den jungen Malern, die hier zum Einsatz kamen, ist auch Moritz von Schwind.

In seinen eigenen Räumen aber wollte Ludwig einen "Blick in Griechenlands Blüte" tun. Hier ließ er nach Entwürfen des Bildhauers Ludwig Schwanthaler und des Malers Julius Schnorr von Carolsfeld Epen, Dramen und Hymnen von Homer, Aischylos, Hesiod und Pindar bebildern. Kühlweiße Stuckreliefs und farblich gezügelte Malereien nehmen die freien Flächen zwischen den pompejanisch rahmenden Arabesken in Beschlag. Insgesamt ist der bildnerische Aufwand, der in den 13 Repräsentationsräumen betrieben wird, ohne zeitgenössisches Beispiel.

Die Räume sind wieder zum Leuchten gebracht worden

Und auch wenn einzelne der Malereien in der Eile, in der sie hergestellt werden mussten, nicht ganz den strengen Maßstäben standhalten können, den Ludwig als Sammler antiker Bildwerke und europäischer Gemälde anlegte, muss man die in der erstaunlich kurzen Zeit zwischen 1826 und 1835 errichteten und künstlerisch höchst anspruchsvoll ausgestatteten Räume des Königsbaus als eine der bedeutendsten architektonisch-bildnerischen Schöpferleistungen des gesamten folgenden Jahrhunderts feiern. Die jetzt abgeschlossene Innensanierung hat jedenfalls länger gedauert als der Auf- und Ausbau des gesamten Komplexes.

Ganz ohne Beispiel ist aber die Raumfolge, die Ludwig im Stockwerk unter den königlichen Räumen, also im ebenerdig zugänglichen Hauptgeschoss des Neubaus ausgestalten ließ. Schon die Auskleidung der oberen Wohnräume mit Werken der Weltliteratur hatte über die privaten Bedürfnisse Ludwigs weit hinausgewiesen. Dieses Bekenntnis zur antiken und zur deutschen Kultur war im Grunde als Botschaft für das Volk gedacht. So wurden denn auch früh schon Führungen durch die königlichen Räume, die ganze Literaturseminare ersetzten, angeboten.

Das gesamte riesige Stockwerk darunter aber war von Anfang an ganz für die Öffentlichkeit reserviert; es ist nie bewohnt und mit schnöden Nutzgegenständen beschmutzt worden. Es war der romantischen Begeisterung geweiht und sollte den Besuchern das kurz vorher zum deutschen Nationalepos erklärte mittelalterliche Nibelungenlied in sprechenden Bildern nahebringen; ja als begehbares Heldengeschichtsbuch und nationaler Kultort sollte es patriotische Begeisterung wecken.

Der Maler Schnorr von Carolsfeld, den Ludwig in Rom kennengelernt hatte, war dazu ausersehen, die Geschichte der Nibelungen in wandhohen Bildern nachzuerzählen und dafür die aus der Mode gekommene alte Kunst der Freskomalerei wiederzubeleben. Er hat das Geschehen geschickt um die vier Stichworte Hochzeit, Verrat, Rache und Klage herum gruppiert. Für Einzelfiguren und Kernszenen wie Siegfrieds Ermordung hat er markante Formulierungen gefunden. Die Darstellung von Tumulten und Massenszenen aber war nicht unbedingt seine Stärke. Dennoch gilt der nach Beschädigungen im Krieg gut restaurierte Zyklus als bedeutendster Wandmalereizyklus der deutschen Romantik.

Bei den über zehn Jahre sich erstreckenden jüngsten Sanierungs- und Ausbauarbeiten im Königsbau sind nicht nur die einzigartigen Raumfolgen im königlichen Wohntrakt und in den Nibelungen- und Schlachtensälen wieder zum Leuchten gebracht worden. In den vielen Zimmern, die sich auf den vier Stockwerken der Rückseite zum Hof hin öffnen, wurden jetzt erstmals die ungeheuren Schätze der bislang nur in Ausschnitten gezeigten königlichen Porzellan-, Silber- und Miniaturensammlungen museumstechnisch anregend, ja genießerisch zelebriert. Die in einem der neuen Säle aufgebaute Vitrinenkammer, in der man von königlichem Silber allseits umschlossen ist, versetzt einen in eine glitzernde Welt, aus der man sich fast gewaltsam befreien muss.

Der Rundgang durch die Münchner Residenz, der ja auch schon vorher viele Abenteuer bereithielt, ist durch die Wiedereröffnung des Königsbaus noch einmal um ein Drittel reicher und vielfältiger geworden. Wer jetzt nicht hingeht, sollte es für immer bleiben lassen.

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