Münchner Oberbürgermeister:Reiters wundersame Wandlung

Dieter Reiter, 2015

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bekommt derzeit jede Menge Aufmerksamkeit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bei seinem Amtsantritt noch belächelt, ist der Münchner Oberbürgermeister inzwischen zum gesuchten Gesprächspartner und Ratgeber der Bundes-SPD geworden.

Kommentar von Frank Müller

Bevor Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sein Amt übernahm, gab es im Wahlkampf über ihn vor allem folgende Einschätzungen: dass es schon sehr die Frage sei, ob er über sein dröges Amtmann-Image hinauswachsen könne. Und dass er sich schwer tun werde, auch nur in Reichweite seines stets geschliffen parlierenden Vorgängers Christian Ude zu kommen. Nun: Gemessen daran läuft es nicht schlecht für den starken Mann im Rathaus. Auch Skeptiker werden eingestehen, dass Reiter einen guten Lauf hat, seitdem er vor genau einem Jahr sein erstes Wiesnfass mit den goldenen Worten anstach: "Scheiß drauf, wurscht, ozapft is."

Jetzt trifft man den OB abends zum Beispiel im Augustiner-Zelt, wo er richtiges Bier trinkt und eine Frau neben ihm sehr angetan von ihm ist. Politisch. Die Frau ist Andrea Nahles, immerhin Bundessozialministerin. Dass Bundesprominenz zur Wiesn einfliegt, ist nichts Neues. Die Art aber, wie beide an diesem Abend nebeneinander sitzen und über das Thema Nummer eins sprechen, die Flüchtlingskrise, hat etwas Besonderes.

Der OB ist mit sich im Reinen

Reiter ist der Mann, der vorgibt, was getan werden muss. Nahles ist die Frau, die sich beeilt, ihm beizupflichten und Zusagen zu machen: über schnellere Verfahren, Verbesserungen im zuständigen Bundesamt und so fort. Es ist ein Treffen auf Augenhöhe, Reiter ist jetzt ein Name, auf den die Bundes-SPD schaut. Dass man am Tisch der Bayern-SPD sitzt und Landeschef Florian Pronold der Einladende ist, stört dabei nicht weiter.

Wer Reiter fragt, wie er die plötzliche Aufmerksamkeit empfindet, der merkt, dass sich der Oberbürgermeister am liebsten selbst zwicken würde. Die großen überregionalen Medien aus anderen Städten gehen bei ihm ein und aus, das Fernsehen auch. Es ist nicht so, dass ihm das nicht gefiele. Aber er sitzt trotzdem auf der Zeltbank, trinkt und sagt: "Darauf kommt es nicht an." Es gehe ihm um die Sache - dass die Flüchtlinge menschenwürdig untergebracht sind. Dabei ist Reiter ja andererseits keiner, dem die politische Trickkiste fremd wäre oder das Thema Eitelkeit. Doch in diesem Oktoberfesttagen wirkt er wie einer, der mit sich im Reinen ist und der sich gefunden hat. Das ist schon mal keine schlechte Zwischenbilanz.

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