Münchner Momente:Schwabing, halt durch!

Helmut Fischer Statue in München, 2016

Für viele ist er der typische Münchner: die Statue des verstorbenen Schauspielers Helmut Fischer ("Monaco Franze") vor seinem Stammcafé an der Münchner Freiheit.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Vorschlag, in Schwabing auszugehen, ist in etwa so beliebt wie eine Einladung in eine Großraumdisco. Der Vorwurf: Zu selbstverliebt, zu eitel, zu reich. Aber das wird schon wieder.

Kolumne von Laura Kaufmann

Hören die jungen Leute Geschichten vom wilden Schwabing, vom Zentrum der 68er, verdrehen sie die Augen. Das fällt unter "Opa erzählt vom Krieg", so lange her ist das. Der Monaco Franze, denken sie, war da noch ein junger Bub und Baby Schimmerlos konnte vielleicht gerade mal schreiben, das Fernsehen wird wohl höchstens schwarzweiß gewesen sein. Was sollten sie auch anderes denken, die jungen Leute, wo sich heute nicht einmal mehr das Umland auf der Leopoldstraße tummelt, selbst die Fürstenfeldbrucker ziehen ja jetzt ins Glockenbachviertel.

Schwabing, das ist "Schickeria". Das ist das Viertel, in dem eine Absturzkneipe abgerissen und darauf Luxusapartments namens "Monaco" gebaut werden, deren Bewohner dann in das neue französische Lokal ums Eck gehen, das früher mal ein gemütliches Café war. Ein bisschen so wie überall in der Stadt, könnte man meinen. Aber Schwabing ist das Symbol für alles geworden, was schief läuft, Gentrifizierung, zu hohe Mieten, einfach alles. Der Vorschlag, in Schwabing auszugehen, kommt in etwa so gut an wie der Vorschlag, mal wieder in eine Großraumdisco zu fahren.

Schwabing hat einen Ruf, wie er auch dem Fußballspieler Cristiano Ronaldo bei vielen anhaftet. Zu selbstverliebt, zu eitel, zu reich. Wahrscheinlich müsste Schwabing einen sehr teuren Spin Doctor anheuern, um in naher Zukunft wieder ein einwandfreies Image zu genießen. Was Ronaldo angeht, hat bei dem ein oder anderen Fußballfan ein Umdenken stattgefunden: Posiert zwar gern mit öligen Haaren vor seinem Auto, stammt aber aus einfachen Verhältnissen, alleinerziehender Vater, spendet regelmäßig Blut und Geld und Zeit für jene, denen es nicht so gut geht. Das kollektive Ronaldo-Bashing, heißt es heute oft, sei doch etwas zu billig.

Schwabing wird eines Tages eine ähnliche Ehrenrettung erfahren. Münchner werden erwähnen, dass es dort auch abgeschrammelte Kneipen gibt, Kabarett- und Live-Musik-Tradition, sogar einen 23-Stunden-Kiosk, also sehr viel mehr als nur Schickeria. Unlängst haben sogar junge Szenegastronomen eine Bar an der Leopoldstraße eröffnet, "Schwabing kommt wieder", sagten sie. Hörst du das, Schwabing? Halt einfach noch durch.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: