Münchner Momente:Nostalgie im Untergrund

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Die ÖDP will die Uralt-U-Bahnen erhalten. Und als nächstes haben die Fiaker wieder Vorfahrt auf der Straße...

Von Thomas Anlauf

Bald röhren sie wieder: jene Gefährte, die sich in jedem Frühjahr dank ihres Sonderkennzeichens wundersam in vom Aussterben bedrohte Oldtimer verwandeln. Sie dienen laut Zulassungsverordnung der "Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes", nebenbei halt auch der Pflege der dicken Luft in der Stadt. Denn die Oldies haben sogar ohne Katalysator und Umweltplaketten freie Fahrt durch die Innenstadt. Das ist so ähnlich wie beim wunderlich werdenden Onkel Schorsch, dem man ja auch gequält nachsieht, dass er ungeniert seine Darmwinde fahren lässt.

Die tollkühnen Münchner in ihren klapprigen Kisten sind also irgendwie Sinnbild der guten alten Zeit, als man "bleifrei" für ein Gesöff für Weicheier hielt. Kein historisch beschlagener Mensch würde ernsthaft die Verschrottung dieser spritsaufenden Kulturgüter fordern. Selbst die ÖDP in München setzt sich gerade dafür ein, dass weiterhin altvordere Verkehrsmittel durch die Stadt rauschen, obwohl die kleine Ökopartei in der Vergangenheit durchaus dafür bekannt war, jedweden Dinosaurier beerdigen zu wollen: Das reichte von der Abschaffung des bayerischen Senats bis hin zur Abschaltung des Kohlekraftwerks. Für alte Vehikel haben die Ödepes aber offenbar einen Fimmel. Geradezu schwärmerisch liest sich ihr jüngster Appell, Münchens Uralt-U-Bahnen doch bitteschön zu erhalten. Durch ihr lustiges Aussehen brächten sie den Fahrgästen "Abwechslung im Alltag". Außerdem konnte man früher viel schöner in den Zügen sitzen. Damals hockte man noch in "gesellschaftlicher Solidarität" beisammen, in den modernen Zügen sei die Aufenthaltsqualität doch sehr gesunken und fördere höchstens den "gesteigerten gesellschaftlichen Individualismus". Und überhaupt, die petrolblauen Kunstlederbezüge der U-Bahn-Greise: Die hätten Kultstatus und würden deshalb längst als Designerhandtaschen recycelt.

Recht hat die ÖDP! Nostalgie hat noch keinem geschadet. Und wenn wir gerade so schön in Retroträumen schwelgen, dann könnten wir doch auch die guten alten Kutschen wieder auf die Straßen holen. Nein, nicht die Oldtimer mit Sonderkennzeichen, sondern die mit richtigen Pferden davor. Die Fiaker hätten Vorfahrt auf Münchens Straßen und beim Überholen rufen die Kutscher auf dem Bock wie einst der Franz Xaver Krenkl dem SUV-Fahrer zu: Wer ko, der ko!

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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