Münchner Momente:Nächtlicher Irrläufer

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Klingelstreiche zur Wiesnzeit sind nichts Ungewöhnliches. Ein Tourist, der wirklich rein will, schon

Von Peter Fahrenholz

Wer im Einzugsbereich der Wiesn lebt, wird nicht nur Zeuge des täglichen Trachtenpilgerzuges, der an den Wochenenden prozessionsartige Ausmaße annimmt. Sondern wird zwangsläufig auch mit den Schattenseiten konfrontiert, wenn die mehr oder weniger alkoholisierten Pilger den Rückweg antreten. Nächtliches Gegröle gehört ebenso dazu wie die ein oder andere Hinterlassenschaft, die man tags darauf auf dem Gehweg findet. Auch die offenbar als wahnsinnig lustig empfundene Unsitte, irgendwo zu klingeln, muss man einkalkulieren.

Dass es meist bei einem einmaligen Klingeln bleibt, nützt dem geplagten Anwohner herzlich wenig, denn wach ist erst mal wach, und da kann es schon mal dauern, bis man wieder in den Schlaf findet. Am ersten Wiesn-Wochenende ist es wieder soweit - es klingelt. Der Wecker verrät: zwei Uhr nachts. Die Hoffnung, damit möge der Spaßvogel genug haben, verfliegt rasch. Es klingelt ein zweites Mal, ein drittes Mal, dann klingelt es Sturm. Weil man vom Fenster im dritten Stock nichts sieht, bleibt nichts übrig, als mit gehörig Adrenalin im Blut nach unten zu gehen. Glücklicherweise erlaubt ein von außen vergittertes Fenster in der Haustür einen Kontrollblick, ohne die Tür öffnen zu müssen.

Draußen steht einer, den man umgehend wenig druckreif zum Teufel wünscht. Der Mensch ist stark betrunken, aber nicht aggressiv, spricht nur Englisch und besteht darauf, dass hier im "Third Floor" sein Airbnb-Quartier liege. Der Versuch, ihm klarzumachen, dass weder im Third noch in einem sonstigen Floor des Hauses jemand seine Wohnung untervermietet hat, erweist sich als aussichtslos. Der Tipp, sich doch von der Polizei bei der Suche helfen zu lassen, veranlasst ihn dann zum Rückzug, vielleicht war es auch nur das Wort "Police". Vermutlich hat er in seinem Suri die Hausnummer vergessen oder die Straße oder beides. Nur dass er im "Third Floor" wohnt, das wusste er noch.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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