Münchner Momente:La La Nahverkehr

In München sieht man derzeit an jeder zweiten Ecke Ryan Gosling - doch das ist lange nicht der einzige Grund zum Tanzen

Von Christiane Lutz

München ist zur Zeit bezaubernd anzusehen: Schnee, Sonne - und dann hängt auch noch überall Ryan Gosling. Gosling an U-Bahn-Haltestellen, Gosling auf den Titeln der Zeitschriften. Gosling, überlebensgroß gemalt auf gleich zwei Plakaten am Filmtheater Sendlinger Tor, so schön, dass man das ganze Ding in einer Nacht- und Nebelaktion gern abschrauben und zu Hause übers Bett hängen würde, wenn es nicht so unpraktisch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren wäre. Ryan Gosling, Schauspieler, ziert deshalb die Öffentlichkeit so dermaßen penetrant, weil er in einem schon jetzt sehr erfolgreichen Film mitspielt. "La La Land" heißt der und ist ein Musical mit Emma Stone, die ganz nebenbei bemerkt auch sehr bezaubernd ist. "La La Land" beginnt mit einem endlosen Stau in Los Angeles, in dem erst alle Fahrer genervt hupen und dann plötzlich tanzend und singend aus ihren Autos hüpfen. Ein Mann öffnet die Heckklappe eines Sprinters, und hui, da steht eine Band drin und musiziert drauf los. Warum auch nicht. Sonne, Musik und happy people.

Das kann man natürlich total unrealistisch und amerikanisch-verkitscht finden. Aber wäre es nicht ganz wunderbar, wenn in der morgendlichen S 2 Richtung Erding auf "eins, zwei, drei, vier" alle ihre Smartphones wegwürfen und in eine spontane Fred-Astaire-Gedächtnis-Step-Nummer ausbrächen? Aus den Lautsprechern ertönte mitreißender Jazz, Menschen wirbelten einander durch die Luft, jonglierten mit ihren Coffee-to-go-Bechern. Das Zu- und Aussteigen wären Teil dieser atemberaubenden Choreografie. Es könnte auch nicht schaden, hin und wieder einen spritzigen Redaktionssong mit den Kollegen vor dem SZ-Turm in Berg am Laim zu performen. Was Ryan Gosling tut, könnte doch auch an einem Redakteur ganz lässig wirken. Es gibt sicher Motivationstrainer, die das ernsthaft für eine gute Idee halten. Teambuilding! Identifikation!

Bis das allerdings Wirklichkeit wird, hilft nur der "La La Land"-Soundtrack in der Bahn. Mit den weißen Stöpseln im Ohr kann man ganz herrlich in der müden Masse untertauchen. Weiß ja keiner, dass vor dem inneren Auge gerade der ganze Waggon steppt.

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