Münchner Kunsthalle:Der Fotograf, der Models zu Stars machte

Das Gesicht von Kate Moss ist Peter Lindberghs liebstes Motiv. Nun widmet sich eine Ausstellung in der Münchner Kunsthalle seinem gesamten Werk. Dafür wird das Museum zur Dunkelkammer.

Von Susanne Hermanski

Als es noch Dunkelkammern gab, war die Sache offensichtlicher. Dieses Ringen, etwas so Vergängliches wie die Schönheit und den Augenblick festzuhalten, dieser Kampf gegen das Verbleichen jeder Erinnerung und der alchemistische Zauber der Fotografie - das war damals noch ein ganz besonderer, sehr physischer Prozess. Zu ihm gehörten Scheitern, Gestank und Ausschuss, ganz anders als heute, im aseptischen digitalen Zeitalter.

Und so ist das Charmanteste an der Architektur der Ausstellung über Peter Lindbergh, dass einer der Säle tatsächlich als solch ein "Red Light District" eingerichtet worden ist. Dort, ins rote Zwielicht getaucht, stehen die alten Wannen für die Entwicklerflüssigkeiten und Fixierbäder, dort hängen an den Wäscheleinen zu Dutzenden die grandiosen Aufnahmen der Models, der Modemacher, der Straßen und Strände, an denen er sie festgehalten hat.

Lange hat Peter Lindbergh so gearbeitet, und dieses Physische passt gut zum "Jungen aus Düsseldorf", als der er sich immer noch fühle, wie der 72-Jährige sagt. Der erste Blick des Besuchers in der Kunsthalle der Hypokulturstiftung fällt freilich nicht ins Fotolabor des Künstlers, sondern auf eines seiner liebsten Motive: Es ist das Gesicht von Kate Moss.

"A Star Is Born" ist der Titel dieses Bildes, das Peter Lindbergh 1994 von ihr für Harpers Bazar aufgenommen hat. Lange Zeit galt er schließlich als der Mann, der Models zu Stars erhoben hat, der sie, die "Supermodels" wichtiger machte als so manche Hollywoodgröße und, ja, auch reicher als manchen der Modemacher, deren Kleider sie eigentlich unter die Leute bringen sollten.

Die Schau mit ihren 220 Fotografien ist aus Rotterdam nach München übersiedelt. Kuratiert hat sie Thierry-Maxime Loriot, der in der Kunsthalle München bereits extrem erfolgreich "Jean Paul Gaultier. From the Sidewalk to the Catwalk" inszeniert hatte. So manchem Münchner mag noch das Plakat in Erinnerung sein - auch ihm lag eine Aufnahme von Peter Lindbergh zugrunde. Thierry-Maxime Loriot sagt, "diese Ausstellung bietet keinen chronologischen, sondern einen thematischen Überblick. Die Besucher können die Welt von Peter Lindbergh erkunden, seinen einmaligen Blick auf jene Themen, zu denen er immer wieder zurückkehrt".

Das wären zum Beispiel die Frauen und die Ästhetik der Zwanzigerjahre, die Visionen von Fritz Langs Stummfilmklassiker "Metropolis" und die Bezüge zu Lindberghs großen Vorbildern wie August Sander oder Man Ray. Da ist die Garçonne mit ihrem Bubikopf, der einer jungen Nadja Auermann ebenso gut zu Gesichte steht, wie Naomi Campbell. Dort findet man immer wieder die Gegenüberstellung von Mensch und Maschine, die großen Zahnräder, den Dampf, die Förderbänder.

Peter Lindbergh in der Kunsthalle, in der seine Ausstellung gerade gehängt wird.

Zum ersten Mal in der Kunsthalle zu sehen: Fotograf Peter Lindbergh beim Aufbau der Ausstellung.

(Foto: Florian Peljak)

Ein Saal in der Kunsthalle ist jenen Fotografien gewidmet, die in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie der Choreografin Pina Bausch oder mit Jenny Holzer entstanden sind. Einen weiteren Raum füllen die Porträts von Hollywoodschauspielern, denen Lindbergh mit seiner Ikonisierung von "Mannequins" ja eine Zeit lang arge Konkurrenz erschaffen hatte.

Doch auch die Zwischenräume in dieser Ausstellung sind klug genützt. In den Vitrinen liegen neben signierten Highheels auch Stapel von Flugtickets, die Lindbergh allein in einem Jahr abgeflogen hat. An einer Wand hängt die Zeitung, die sich Lindbergh in Anspielung auf seinen Wahlverwandten und dessen Atlantiküberquerung besorgt hat. Wer mehr Details über diesen Mann erfahren möchte, der so legendär herzlich und perfektionistisch zugleich ist, sollte sich die Zeit für das Filmporträt nehmen, das auch im Rahmen der Ausstellung läuft.

Darin erzählen Freunde und Weggefährten wie Lothar Schirmer und Wim Wenders über ihn, den Wenig-Schläfer und Freund der Nacht. Was dessen "Fliehkraft" ausmache, müsse man sich fragen, meint da Jim Rakete - und was seine "grundsätzliche Freundlichkeit" betreffe, die ihm jeden Menschen öffne.

Lindbergh selbst erklärt dieses Phänomen, warum Menschen, im Besonderen Frauen, sich ihm so ganz und gar bereitwillig offenbaren: "Ich habe Vieles lesen müssen, bis ich diese Erklärung gefunden habe. Man fotografiert eben nicht die Physiognomie eines Gegenübers, sondern die Gefühle der beiden Personen, die beim Fotografieren im Raum waren." Und warum auf seinen Bildern in der Folge so selten jemand lache? "Das Lachen hat keinen Wert in einem Porträt. Es überdeckt all das, was darunter liegt. Und das ist doch so viel."

Peter Lindbergh - From Fashion to Reality; 13. April-27. August, täglich 10-20 Uhr; 30. Juni, 10-17 Uhr, jeden 3. Mittwoch im Monat, 10-22 Uhr

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