Münchner Innenstadt:"Der Immobilienmarkt ist der beste in Deutschland"

Blick vom Sonnenkarree-Hochhaus, Sonnenstraße Ecke Josephspitalstraße

Günter Manuel Giehr ist Immobilienchef der Meag, die in der Altstadt zehn Immobilien besitzt.

(Foto: Florian Peljak)

Wer in München Immobilien besitzt, genießt, schweigt - und verkauft nicht. Zum Leidwesen der Spekulanten. Ein Blick in die Welt von Günter Manuel Giehr, den Immobilienchef der Meag, die in München ein Imperium von vielen Milliarden verwaltet.

Von Anna Günther und Katja Riedel

Wenn Günter Manuel Giehr seinem Sonnenkarree aufs Dach steigt, dann blickt er über ein Häusermeer. Oben die Sonne am strahlendblauen Himmel, unten die Dächer der Münchner Altstadt. Giehr ist Immobilienchef der Meag, sie verwaltet das Vermögen der Münchner Rück und weiterer Versicherungen der Ergo-Gruppe.

Seit fünf Jahren verantwortet Giehr als Geschäftsführer die Immobilien: Neun Milliarden Euro muss er so anlegen, dass sie langfristig, in 50, in 100 Jahren, eine stabile Rendite abwerfen. "München bietet eine Armut an Überraschungen", sagt Giehr. "Deshalb ist der Münchner Immobilienmarkt der beste in ganz Deutschland, viel besser als Berlin, wo es zwar mehr freie Flächen gibt, aber auch mehr Unsicherheit."

Wer hier ein Haus besitzt, hat alles richtig gemacht

Vier Milliarden Euro haben die Versicherer darum in Münchner Stein, Zement und Beton angelegt. Zehn dieser Immobilien stehen in dem engen Kreis, den die Münchner Altstadt beschreibt, das Sonnenkarree an der Ecke Josephspital-/Sonnenstraße ist eines davon. Zehn Immobilien - so viel kann kaum ein Eigentümer in der engen Münchner Altstadt zwischen Briennerstraße und Sendlinger Tor, zwischen Isartor und Stachus sein Eigen nennen.

Wer hier ein Haus besitzt, hat alles richtig gemacht, wer den richtigen Zeitpunkt versäumt hat, kann es nicht nachholen. Denn wer einmal etwas hat, besonders in den 1 a-Geschäftslagen von Neuhauser-, Kaufinger-, Sendlinger-, Maximilians- und Theatinerstraße, der gibt es so leicht nicht wieder her.

Je niedriger die Zinsen, je mehr Geld auf dem Markt, desto attraktiver sind Immobilien. Ein Quadratmeter Fläche in der Neuhauser Straße kostet mehr als 80 000 Euro zum Kauf; vor fünf Jahren waren es noch 50 000. Und das hat auch Folgen für diejenigen, die Ladenmieten zahlen: Durchschnittlich 360 Euro beträgt die Miete, ebenfalls pro Quadratmeter. Dass diese Preise gezahlt werden, macht die Häuser noch attraktiver, der Anreiz, zu verkaufen, sinkt.

Mitgehen können vor allem Spekulanten - Günter Manuel Giehr von der Meag kann es nicht mehr. 2004 haben sie das letzte Haus in der Innenstadt gekauft, es steht in der Prannerstraße. 2001 ein Kauf, genauso 1998. Inzwischen sieht Giehr kaum noch eine Chance, bei Liebhaberobjekten zum Zuge zu kommen: "Gern hätten wir das Palais an der Oper gekauft - aber das war zu teuer", sagt er. 1 a-Adresslage, beste Instandhaltung, hoher Anteil Grundstückswert, wer weiß, was sich daraus in 100 Jahren machen ließe? Das fand auch ein russischer Fonds, der zum Zuge kam.

Ähnlich bei der Alten Akademie, wo der österreichische Entwickler René Benko mit seiner Signa bei mutmaßlich ausländischen Anlegern genügend Geld eingesammelt hatte, um vom Freistaat das Recht zu erkaufen, diese begehrte Fläche in der Neuhauser Straße neu gestalten zu dürfen.

Player im Münchner Milliardenspiel

Wem gehört die Stadt? Das ist ein großes Geheimnis. Von den gut 2000 Flurstücken, die es gibt, ist nur von der Minderheit bekannt, wem sie gehören. Stiftungen, Banken, Versicherungen und Pensionskassen sprechen über ihre Besitztümer. Aber vieles ist in privaten Händen, von Einzelnen, von Familien wie der Zigarrendynastie Zechbauer, der Brauerei-Familie Inselkammer, der Bankiersfamilie von Finck oder von Erbengemeinschaften.

Auch manche Traditionshäuser des heimischen Handels können sich unter anderem deshalb in teuersten Lagen halten, weil sie ihr Haus besitzen. Konen gehört dazu, aber auch Dallmayr. Die Unternehmerfamilie Wöhrl hat nicht nur das Kaufhaus Beck gekauft, sondern das Unternehmen hat auch die Immobilie zurückerworben. Nur wenige reden über ihre Immobilien, und einsehen dürfen die Grundbücher nur Eigentümer, Notare und einzelne Auserwählte.

Auch das Erdgeschoss des Rathauses ist vermietet

Auch die Kirche besitzt in der Innenstadt einige Häuser - jedoch weniger, als mancher denken mag. Gerade versucht die Erzdiözese, sich einen Überblick über die eigenen Besitztümer sowie die aller kirchlichen Stiftungen und Orden zu verschaffen. "München war in der Historie nie Bischofsstadt", sagt Generalvikar Peter Beer. Und viele Orden haben das, was ihnen einst gehörte, mit der Säkularisation nach 1803 verloren.

Mit ihren imposanten Kirchen, mit der Frauenkirche und dem Alten Peter besitzen die dortigen Pfarrstiftungen einige der markantesten und für Touristen attraktivsten Immobilien. Mit ihnen will die Kirche Orte der Ruhe schaffen in einer Zone, in der es vor allem um Kommerz geht. So will sie den Kontakt zu den Menschen halten - denn echte Gemeindemitglieder gibt es in der Altstadt nur noch vereinzelt: etwa 400, sagt Beer.

Gerne würde die Kirche in der Innenstadt auch die Rolle eines Gestalters, eines Stadtentwicklers übernehmen, sagt Beer. Aber ihr fehlten die Mittel, wenn arabische Investoren kommen, könne auch sie nicht gegenhalten. Verkehrswerte zu zahlen, das könnte sich Beer noch vorstellen, aber mehr sei einfach nicht drin. Da bräuchte man die Unterstützung der Stadt und des Freistaates, wenn es um öffentlichen Grund geht. Den gibt es in der Innenstadt auch noch: Nicht nur Plätze und Straßen, nicht nur öffentliche Gebäude, sondern auch Geschäftshäuser wie das Ruffinihaus. Selbst das Erdgeschoss des Rathauses ist an Geschäftsleute vermietet, die sich dies ohne die freundlichen Konditionen der Stadt kaum leisten könnten.

Andere Maßstäbe für die Innenstadt

Ein großer Player in München ist die Bayerische Hausbau aus der Schörghuber-Gruppe. Sie besitzt nicht nur die beiden prominenten Geschäftshäuser an Stachus und Marienplatz, in denen bisher Hugendubel Bücher verkauft, sondern auch das im Herbst 2013 eröffnete Joseph-Pschorr-Haus und den Donisl. Die Hausbau spricht über das, was sie in München umgestaltet, sie sieht sich gar als Kulturträger. "Unsere Verantwortung gilt der Unternehmerfamilie und natürlich auch der Landeshauptstadt", sagt Jürgen Büllesbach. Dem Geschäftsführer der Bayerischen Hausbau gefällt die Idee, das Stadtbild mitzuprägen, wie etwa mit dem Empire-Turm in der Parkstadt Schwabing oder dem Arabellapark.

In der Innenstadt gelten allerdings andere Maßstäbe, sagt er: Die Gebäude sollten sich einfügen in die Umgebung und auf das Gesamtbild wirken. Beim Donisl am Marienplatz etwa blieb die denkmalgeschützte Fassade bestehen, dahinter entsteht ein ganz neues Gebäude. Statt einer internationalen Kette wird auch danach wieder ein Wirtshaus einziehen. Die Hausbau habe sich bewusst dafür entschieden, auf mehrere Millionen Euro Miete zu verzichten, sagt Büllesbach.

Schräg gegenüber vom Donisl fiel die Entscheidung etwas anders aus: 2016 wird dort die Buchhandlung Hugendubel nach mehr als vierzig Jahren ausziehen müssen, die Telekom bekommt einen gigantischen Handyladen in bester Lage. Mehr Leben in die Stadt zu bringen, habe auch beim Joseph-Pschorr-Haus eine Rolle gespielt. Im Gebäude in der Neuhauser Straße wurden 25 Wohnungen gebaut. Teuer seien diese schon, sagt Büllesbach, aber auch diese Objekte minderten den Druck auf den Mietmarkt ein wenig, glaubt er. Büllesbach legt Wert darauf, dass es Mietwohnungen sind, keine Anlageobjekte, die Mieter sollten dort leben.

Zu den großen Playern im Münchner Milliardenspiel zählen auch viele Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen, etwa die Rid-Stiftung zur Förderung des bayerischen Einzelhandels oder die Ilse Kubaschewski-Stiftung, die in Not geratene Künstler unterstützt. Größter Spieler ist die Bayerische Versorgungskammer, die etwa die Pensionsfonds der bayerischen Apotheker, Architekten, Schornsteinfeger oder Bühnenarbeiter verwaltet. Der Versorgungskammer gehört mit dem Schäfflerhof eines der Filetstücke, dazu kommen Topadressen in den angrenzenden Straßen.

Münchens historischer Stadtkern sei "bodenständig"

Die Pensionskassen und Versicherungen haben wenig Probleme, über ihre Besitztümer zu reden. Doch das hat Folgen: "Die Makler bestürmen dann wieder monatelang unsere Immobilienabteilung mit Anfragen und Angeboten, dabei haben wir kein Interesse daran, den Bestand zu verändern", heißt es beinahe besorgt bei der Alten Leipziger Versicherung.

Auch Meag-Immobilienchef Giehr sieht in München vor allem eines: Stabilität. Berlin sei aufregend, aber teuer. München, vor allem der historische Stadtkern, sei dafür "sehr bodenständig". Das möge zwar langweilig sein. Doch für ihn, der seinen Anlegern beständige Werte garantieren muss, ist es Gold wert.

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