Münchner im Exil:Arbeiten im Paradies

Alain St. Ange ging vor 40 Jahren in München auf die Tourismusschule. Heute wirbt er als Minister für Tourismus und Kultur der Seychellen für sein Heimatland

Von Michael Zirnstein

Alain St. Ange dürfte der einzige Gast Düsseldorfs sein, der dem Sturmtief Ruzica ein wenig dankbar ist. Mit diplomatischen Worten wird er den Ausfall des Karnevalsumzuges freilich bedauern, er ist ja offizieller Spaß-Entsandter der Republik Seychellen. Aber allein der Gedanke an die Straßenparty ließ ihn vor Reiseantritt frösteln: "Sie stecken einen als VIP in so eine Box. Und dann wird es kalt", weiß er aus Erfahrung vergangener Jahre, "da passieren schon aufregende Dinge, aber irgendwann denkt man nur an die gefrorenen Zehen. Und bei uns daheim ist es warm." Derzeit 31 Grad auf der größten Insel Mahé, um genau zu sein.

Tropische Temperaturen herrschten auch, als St. Ange im vergangenen Jahr mit John Lennons Worten "You may say I'm a dreamer" den Carnaval International de Victoria in der Hauptinsel der Seychellen eröffnete. Als Minister für Tourismus und Kultur begrüßte er Delegationen aus aller Welt, etwa aus São Paolo, aus Trinidad & Tobago, aus Notting Hill in London und eben aus Düsseldorf. Dieser "Carnival of Carnivals" (St. Ange) ist mit fünf Jahren noch recht jung, aber für den Minister ein wichtiger und bunter Wagen im Zug zum Ziel: Er will, dass die Seychellen nicht nur wegen ihrer Traumstrände berühmt sind, die man aus Werbespots für Bounty, Raffaello oder Barcadi kennt, sondern vor allem wegen ihrer Kultur. "Unsere Vorfahren kommen aus Afrika, Frankreich, Großbritannien, Indien und China, bei uns fühlt sich niemand fremd", sagt St. Ange, "wir sind wie ein gemischter Salat. Ich bin zum Teil Franzose, Engländer, jüdischer Israeli, meine Ur-Ur-Ur-Oma war afrikanische Sklavin, und ich sehe deutsch aus."

Münchner im Exil: Der Tourismusminister will, dass die Seychellen nicht nur wegen ihrer Traumstrände berühmt sind, sondern vor allem wegen ihrer Kultur.

Der Tourismusminister will, dass die Seychellen nicht nur wegen ihrer Traumstrände berühmt sind, sondern vor allem wegen ihrer Kultur.

(Foto: privat)

So reist Alain St. Ange am Mittwoch weiter nach München, um hier - begleitet von bunt bekleideten Sega-Musikern - die Reise- und Freizeitmesse Free zu eröffnen. Die Seychellen sind 2016 Gastland und damit das erste Fernreiseziel als Partner. Das passe gut, finden die Messemacher, und verweisen auf eine Studie, laut der besonders die Bayern gerne weit wegflögen. Für St. Ange passt das noch aus einem persönlichen Grund: In München hat er vor 40 Jahren an der Carl Duisberg Hotel- und Gaststätten Berufsfachschule studiert. Es war der Grundstein für seine Karriere im Tourismus in Hotels von Australien bis zu den Kanalinseln und für seine Laufbahn als Politiker, die 2012 mit der Ernennung zum Ministers im Kabinett von James Michel gekrönt wurde.

Der 61 Jahre alte Vater von zwei Töchtern ist ein hemdsärmeliger Mann, das liegt schon in der Kultur seines ewig warmen Landes: "Jackets trägt man bei uns nur auf Hochzeiten und Beerdigungen." Sein Vater, über den er eines seiner etwa ein Dutzend Bücher verfasst hat, eröffnete eines der ersten Hotels auf der Insel La Digue, nachdem 1972 der erste internationale Flughafen der Seychellen gebaut worden war. Er hatte zwar keine Ausbildung, aber eine "Tourismuspersönlichkeit": kumpelhaft und voller Lebensfreude. So wünscht Alain St. Ange sich, mögen die 260 00 Touristen jedes Jahr (doppelt so viele wie Free-Besucher) ihre Gastgeber erleben: "Sie sollen keine Zimmernummer sein, sondern Freunde des Hoteliers." Natürlich gebe es exklusive Luxusinseln wie North Island mit elf Villen, wo das britische Prinzenpaar Kate und William die Flitterwochen verbrachte. Aber auf 115 Korallen- und Granitinseln gebe es auch schnuckelige Häuser mit Zimmern für 80 Euro die Nacht, "wie die Deutschen sie so lieben: Ein erschwinglicher Urlaub im Paradies", verspricht der Minister. Bei etwa fünf Ferienfliegern pro Tag sind die Seychellen weit entfernt vom Massentourismus, "sonst würden sie uns in der Masse gar nicht wahrnehmen. Wir sind 93 000 Seychellois, wir würden in Ihr Olympiastadion passen."

Münchner im Exil: Alain St. Ange, Minister für Tourismus und Kultur, wurde 1954 auf der Seychellen-Insel La Digue geboren. Für seine Lehre kam er 1977 nach München.

Alain St. Ange, Minister für Tourismus und Kultur, wurde 1954 auf der Seychellen-Insel La Digue geboren. Für seine Lehre kam er 1977 nach München.

(Foto: privat)

Die Erinnerungen an München sind etwas verblasst, so wie sein Deutsch, aber bisweilen denkt Alain St. Ange an seine Ausbildungszeit zurück. Ein Bon aus der Siemens-Kantine hänge noch an der Pinnwand in seinem Büro. Er hat in einem Restaurant gekellnert. Im Hotel Marina in Bernried am Starnberger See hat er ein Praktikum gemacht. Und er weiß noch, wie er in die Alpen gefahren und zum ersten Mal in seinem Leben auf Langlaufskiern eine Loipe entlanggeglitten ist. Ein unvergessliches Erlebnis, bei dem er die Kälte offenbar verdrängt hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: