Münchner Comicfestival 2013:Wundersame Bildergeschichten

Ausstellungen, Signierstunden und Gespräche: Superman wird 75, genau wie Spirou, außerdem kommt Robert Crumb. Das Münchner Comicfestival ist zum bundesweit größten seiner Art gewachsen. Die wichtigsten Figuren und Zeichner im Überblick.

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Münchner Comicfestival 2013:Unsterbliches Doppel - Superman feiert 75.

Superman auf einem Cover.

Quelle: Comicfestival München

Sie zeigen, dass auch ein Biedermann zum "Weltbeweger" werden kann. So hat der Schriftsteller Umberto Eco den Erfolg der Superman-Comics erklärt. Womit er natürlich auf die berühmte Doppelexistenz von Superman als schüchterner, kurzsichtiger Reporter Clark Kent und als "Mann aus Stahl" anspielt, der genauso wie Spirou in diesem Jahr unglaubliche 75 Jahre alt und dafür auf dem Comic-Festival geehrt wird.

Gerade seine Doppelexistenz mache Superman zu einer wirkungsvollen Projektionsfläche für Teenager, so Eco weiter in seinem Essay "Der Mythos von Superman" von 1964. Man kann das durchaus kritisch sehen. Denn in späteren Superman-Folgen tritt Clark Kent als waghalsiger Reporter auf und nicht mehr als Biedermann, wie ihn Jerry Siegel und Joseph Shuster im Jahr 1938 ursprünglich kreiert hatten.

Dass die aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Superman-Erfinder bei Clark weniger an andere Teenager als an sich selbst dachten, zeigt ein Zitat von Siegel: "An der High School dachte ich, dass ich eines Tages Reporter werden würde, und ich hatte die Augen auf Mädchen geworfen, die nicht zu bemerken schienen, dass es mich gab."

Die Figur des Superman sei ihm dagegen 1934 im Traum erschienen. Als eine Figur wie Samson oder Herkules, "nur noch stärker". Supermans erstes Abenteuer habe er noch in derselben Nacht zu Papier gebracht. Was aber nicht ganz stimmt. Denn mit "The Reign of the Superman" hatte Siegel bereits 1933 eine Superman-Geschichte geschrieben. Nur war der Held darin ein glatzköpfiger Schurke, dessen einzige Superkraft darin bestand, verdammt weit springen zu können.

Diese Eigenschaft hatte zunächst auch noch der "gute" Superman, für dessen Posen sich Joe Shuster den Schauspieler Douglas Fairbanks zum Vorbild nahm. Das Fliegen lernte er erst später. Als Siegel und Shuster mit ihrem springenden Superhelden bei Verlagen hausieren gingen, dauerte es noch vier Jahre, bis er in der neuen Heftserie Action Comics erstmals offiziell in Aktion trat.

Das Cover von Action Comics Nr. 1, auf dem Superman ein Auto durch die Luft wirbelt, ist heute genauso legendär wie alles, was danach kam: Es folgte eine eigene Serie, ein Hörspiel, eine Trickfilmreihe und ein Superhelden-Boom, der ganz Amerika erfasste. Vor Kurzem brachte dieses erste Heft eine Million Dollar. Das erste deutsche Superman-Abenteuer erschien erst 1950, bis zu einem ähnlichen Erfolg und Superhelden-Run dauerte es hier noch weitere 15 Jahre.

Siegel und Shuster hatten mit diesem Erfolg nichts mehr zu tun. Denn mit dem Verkauf der ersten Geschichte an National Comics hatten sie gleichsam alle Rechte abgetreten. Erst 1975, kurz bevor der erste Superman-Blockbuster in den Kinos lief, bekamen sie, mittlerweile verarmt, vom Verlag als Entschädigung eine jährliche Rente und werden seitdem offiziell als Superman-Erfinder genannt. Auch an diese, leider eher traurige Episode sollte man sich bei der Geburtstagsfeier des größten aller Superhelden erinnern.

Text: Jürgen Moises

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Münchner Comicfestival 2013:Nicht nur Topolino - Italien als Gastland

Szene aus dem Comic Monster Allergy

Quelle: Dani Books

Vor zwei Jahren stand Spanien im Fokus, nun ist Italien Gastland des Comicfestivals. Ein Land, in dem das Comic-Lesen mehr zum Alltag gehört als bei uns; wo für Kinder die Auswahl an Fumetti riesig ist; und wo der Disney-Konzern viele seiner Comics zeichnen lässt. Die erste italienische Disney-Geschichte erschien bereits in den frühen Dreißigern.

Der Italiener Federico Pedrocchi schrieb und illustrierte schon 1937 den ersten längeren Comic für die Kalifornier: die Geschichte von Paolino Paperino. Namen wie Romano Scarpa, Giorgio Cavazzano oder Giovanni Rigano sind mit dem Namen Disney eng verbunden. Sie alle haben geholfen, Micky Maus als Topolino zum Italiener zu machen. Riganos Arbeiten werden nun auch auf dem Festival zu sehen sein.

Die italienische Comic-Kunst aber geht bei Weitem über die plakative Disney-Kunst hinaus. Das wird die Festival-Ausstellung im Künstlerhaus zeigen mit Künstlern wie Laura Zuccheri, Federico Certolucci und Manuele Fior. Auch dass Fior zu einer Führung am Samstag um 17 Uhr gewonnen werden konnte, spricht dafür. Er ist der Shootingstar der jüngsten Vergangenheit, vielfach ausgezeichnet, etwa 2001 in Angoulême für "Fünftausend Kilometer in der Sekunde".

Zum Festival erscheint die deutsche Ausgabe seines neuen Buches "Die Übertragung", eine Art Science-Fiction-Roman, der in das Universum menschlicher Beziehungen führt. Die eigenständige, dennoch werkgetreue Adaption von Giovannino Guareschis Geschichten über "Don Camillo und Peppone" führt wiederum zurück in die Vergangenheit - mit einem modernen Medium wie Comic

Künstlergespräch mit Laura Zuccheri, Federico Bertolucci, Giovanni Rigano am Freitag, 17 Uhr, im Künstlerhaus; Gespräch über Don Camillo im Comic, Samstag, 15 Uhr, Biermuseum

Text: Sabine Buchwald

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Münchner Comicfestival 2013:Einfach pfiffig - Spirou wird 75

Spirou, der berühmteste Hotelpage der Welt.

Quelle: DUPUIS

Er hat ihm mit Rummelsdorf eine Heimat gegeben, das Marsupilami als scheuen, aber wehrhaften Gefährten zur Seite gestellt und sein Leben mit den unglaublichsten Abenteuern angereichert. Nur das Innenleben von Spirou konnte sein wichtigster Zeichner-Vater, der 1997 gestorbene André Franquin, nicht füllen.

"Spirou hat mir immer Probleme bereitet, weil er keine Persönlichkeit besitzt." So resümiert Franquin seine Beziehung zur berühmtesten belgischen Comicfigur, die er von 1946 bis 1968 zeichnete, in späten Jahren. Wobei ihm klar war, dass Spirou die gar nicht haben darf, weil er "stellvertretend für den Leser da ist". Vielleicht steckt in dieser Erkenntnis die Erklärung, warum Spirou dieses Jahr stolze 75 wird.

Tatsächlich fällt einem zu Spirous Innenleben außer seiner viel gepriesenen "Pfiffigkeit" nicht so viel ein. Stattdessen denkt man sofort an seine rote Pagen-Uniform, die abstehenden Haare und daran, dass er immer unterwegs ist: mit seinem Freund, dem Reporter Fantasio, und Pips, dem kleinen Eichhörnchen.

Man denkt an den Hobby-Wissenschaftler Graf von Rummelsdorf oder an Bösewichter wie den größenwahnsinnigen Zyklotrop, diesen "beunruhigenden Operettentyrann", wie ihn die aktuellen Spirou-Ziehväter Fabian Vehlmann und Yoann im kürzlich erschienenen Band "Die dunkle Seite des Z" nennen. Dass auch andere Autoren die innere "Leere" von Spirou gefühlt haben, legt der im Januar erschienene Jubiläumsband "Spirou: Porträt eines Helden als junger Tor" von Émile Bravo nahe. Darin wird Spirou eine tragische Liebesgeschichte mit einer russischen Spionin angedichtet. Was zugegeben etwas aufgesetzt wirkt und zeigt, dass Spirou wohl wirklich kein kompliziertes Innenleben braucht.

Am Ende war die fehlende Persönlichkeit vielleicht auch gar nicht der zentrale Grund für Fraquins Fremdheit gegenüber Spirou. Sondern eher, dass er ihn genauso wie Pips und Fantasio gar nicht erschaffen hat.

Kreiert wurde Spirou nämlich von Robert Velter, der ihn am 21. April 1938 im gleichnamigen, bis heute existierenden Magazin erstmals auf Abenteuer schickte. Trotzdem wird Spirou zu Recht mit Franquin verbunden, der zusammen mit anderen Spirou-Zeichnern in einer Ausstellung im Künstlerhaus geehrt wird. Dazu gehört auch der derzeitige Zeichner Yoann, der bei einem Künstlergespräch am Donnerstag um 16 Uhr im Künstlerhaus zudem darüber Auskunft geben kann, wie es ist, das große Erbe von Velter und Franquin mit seinem Zeichenstift weiterzutragen.

Text: Jürgen Moises

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Münchner Comicfestival 2013:Ins Bild gerückt - gezeichnete Künstlerbiografien

Steffen Kvernelands' Graphic Novel über Edvard Munch

Quelle: AVANT

"Munch ist die perfekte Comicfigur! Fast alles, was er gemacht hat, ist autobiografisch. Ich kann also sowohl Briefe, Tagebücher, Notizen, Zeichnungen, Grafiken als auch Gemälde verwenden." Mit diesen Sätzen des norwegischen Comickünstlers Steffen Kverneland ist fast schon alles Wichtige zu seiner Comic-Biografie über Edvard Munch gesagt.

Wenn man aber noch hinzufügt, dass er sie als Figur in seinem eigenen Comic ausspricht, in einer Diskussion mit seinem Zeichner-Freund Lars Fiske, zeigt sich, dass das Ganze doch nicht so einfach ist. Denn dadurch bekommt die Biografie einen doppelten Boden, wird zur Geschichte in der Geschichte. Und wenn sich der von Kverneland gezeichnete Kverneland im selben Atemzug über "diese romantischen Künstlerbiografien à la Im-Kopf-von-Munch" mokiert, dann heißt das klar: Ich mach' das anders! Und das macht der Norweger dann auch.

Nicht dass Kverneland in seiner Munch-Biografie, die in der Galerie Weltraum präsentiert wird, neue Details aus dem Leben des norwegischen Künstlers offenbarte. Stattdessen liefert Munchs Bilder, die er als Miniaturen in seine Erzählung integriert. Hinzu kommt, dass Munchs Malerei- und Zeichenstil die anderen Comic-Seiten affiziert, Munch selbst zur Munch-Figur wird und Kverneland zu Munch, indem er ihn kopiert. Dann wird er wieder zu Kverneland, als Figur im Comic und als Zeichner, bis man erkennt: Hier wird ein virtuoses und amüsantes Spiel getrieben.

Das gilt auch für Lars Fiskes Kurt-Schwitters-Biografie "Herr Merz" (ebenfalls im Weltraum) . Auch Fiske eignet sich den Zeichenstil des von ihm porträtierten Künstlers an, taucht selbst auf, zusammen mit Kverneland. Womit das Spiel die Grenzen der beiden Comics sprengt, mit denen Fiske und Kverneland zwei der ungewöhnlichsten Künstler-Biografien der letzten Jahre gelungen sind.

Künstlergespräch der Zeichner in der Galerie Weltraum, Rumfordstraße 26, Samstag, 1. Juni, 19 Uhr

Text: Jürgen Moises

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Münchner Comicfestival 2013:Die Zeitreisende: Lona Rietschel

Titelseite eines Albums über die Comiczeichnerin Lona Rietschel.

Quelle: OH

Es begann 1955 mit den Digedags. Sie waren Johannes Hegenbarths geistige Kinder und die Helden des Bildergeschichtenheftes Mosaik. Von Comic sprach man damals nicht in der DDR. Von 1960 an gehörte Lona Rietschel zum dem Zeichnerkollektiv. Die Berlinerin hatte Modegrafik gelernt und wollte Trickfilme machen, stattdessen wurde sie die Mutter der Abrafaxe, drei knubbelnasige Kobolde in Mittelalter-Kluft. Hegenbarth hatte sich von Mosaik getrennt, von 1976 an bis heute reisen Abrax, Brabax und Califax durch Jahrhunderte und ferne Länder. Rietschel, die im September 80 Jahre alt wird, erhält am Donnerstag, 21.15 Uhr, im Amerikahaus den Peng!-Preis für ihr Lebenswerk.

SZ: Die Digedags und die Abrafaxe sind Weltenbummler. Haben Sie zu DDR-Zeiten damit das Fernweh gestillt?

Lona Rietschel: Wir haben unsere Figuren nicht reisen lassen, weil wir es selber nicht durften. Wir sind immer verreist, wir hatten unsere Länder: Bulgarien, Rumänien, Tschechoslowakei, die große Sowjetunion. Wir sind nicht ganz doof geblieben. Wir waren ein sozialistisches Kollektiv, da gehörten solche Bildungsreisen dazu. Denken Sie jetzt nicht, dass ich 'ne rote Socke bin, mit der Parteipolitik wollten wir nichts zu tun haben, das war uns zu dusselig.

Sie mussten also nicht SED-Mitglied sein?

Nein, nein, nein. Wäre ich auch nie geworden.

Wie frei konnten Sie arbeiten?

Wir hatten einen Chefredakteur, der aufzupassen hatte. Wir haben schon so gearbeitet, dass uns keiner am Zeug flicken konnte. Wir wussten doch, wo wir leben. Unser Kniff war, dass wir unsere Geschichten nicht in der Gegenwart spielen ließen, wir haben auf vergangene Zeiten zurückgegriffen. Der Zentralrat der FDJ hatte Hegenbarth erklärt: Wir sollen Wissen vermitteln. Kulturgeschichte als Comic aufzuarbeiten, das war der Weg, nicht irgendwie Quatsch zeichnen.

Sie hatten Erfolg damit. In den besten Zeiten hatte Mosaik eine Million Auflage monatlich.

Wir haben Kulturgeschichte umgesetzt, haben James Watt durchgearbeitet, die Halbkugeln von Otto von Guericke. Ein bisschen Orientierung bekamen wir vom Schulfunk des SFB. Durften wir zwar nicht hören, aber jedes Wissen hat uns weitergebracht. Kennen Sie Bill Brysons "Eine kurze Geschichte von fast allem"? Diesen Titel könnte man über Mosaik stellen.

Hatten Sie Zugang zu anderen Comics?

In den 50er Jahren habe ich mir noch Micky-Maus-Hefte gekauft, als es dann die Mauer gab, wussten wir nicht so richtig, was draußen läuft. Hegenbarth durfte sich noch die Hefte abholen, die den Besuchern an der Grenze abgenommen wurden, die habe ich aber nicht zu sehen bekommen. Ich hatte von den Belgiern gehört und spanischen Zeichnern. Es dauerte aber, bis ich den ersten Asterix in Händen hatte. Mein Mann hat mir eines Abends freudestrahlend Anfang der 70er ein Heft mitgebracht. Das war "Asterix und die goldene Sichel".

Und wie fanden Sie das?

Ich hab' damals die halbe Nacht gelesen und die Zeichnungen angeguckt mit der Lupe. Asterix gefällt mir sehr, ist ja auch ein bisschen vom Strich her in unserer Richtung. Später, als ich dann mal rüberdurfte, um meinen Bruder zu besuchen, habe ich mir noch mehr Hefte gekauft. So richtig Zugang zu Comics aus allen Ländern hatten wir aber erst nach der Wende.

Zeichnen Sie noch?

Ja, muss ich, im Moment die Titelbilder für die Sammelbände der Abrafaxe.

Interview: Sabine Buchwald

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Münchner Comicfestival 2013:Preise und Promis

Der amerikanische Comiczeichner Robert Crumb

Quelle: dpa

Robert Crumbs und Gilbert Sheltons Cartoons und Comics kenne er seit den späten Sechzigern, als sie in den U-Comix erschienen, erzählt der Münchner Zeichner und Autor Gerhard Seyfried. Beide seien schuld daran, dass er 1978 mit seinem ersten Verlagsvorschuss schnurstracks in die USA reiste und von einzelnen Zeichnungen auf ganze Comicgeschichten umstieg. Mit Crumb hat Seyfried später sogar einen Freak-Brothers-Comic gezeichnet, und Robert Crumb hält er für den besten seiner Generation: "Inhaltlich wie handwerklich absolut meisterhaft." Am Donnerstag sind Crumb, Shelton und Seyfried von 19 bis 20.30 Uhr im Amerikahaus zu erleben. Dort wird auch bis 5. Juli die Ausstellung "A Tribute to Robert Crumb" gezeigt mit Arbeiten von 80 Zeichnern, die sich zu dem Vater des drogensüchtigen, auf Sex fixierten Katers Fritz künstlerisch äußern. Das Valentin-Karlstadt-Musäum wiederum widmet sich in einer Schau bis 16. Juli den Underground-Comix. 

Beim Peng!-Preis des Comicfestivals geht es vor allem um die Ehre, beim Gramic-Award auch um Geld. Insgesamt 5000 Euro hat der Evangelische Presseverband Bayern erstmals für diesen Wettbewerb ausgelobt, der den Zeichnernachwuchs fördern soll. Thema heuer: "Toleranz im Comic". Die ersten Preisträger sind Christopher Burgholz aus Münster, Maximilian Hillerzeder (Berchtesgaden/Leipzig) und der Hamburger Fabian Stoltz. In der Jury saßen neben anderen Michael Kompa, einer der Leiter des Comicfestivals und Uli Oesterle. Die Preisverleihung ist am Samstag, 18Uhr, in der St.-Markus-Kirche (Gabelsbergerstraße 6), gefeiert wird danach im Maximilians-Forum. Der Wettbewerb soll fortan alle zwei Jahre laufen.

Im Bild: Robert Crumb. Archivfoto von 2005

© SZ vom 29.05.2013/bela
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