Münchner Boulangerie:Tartelettes au Citron treffen Schwabinger Lebensgefühl

Münchner Boulangerie: Ein Hingucker: Die Früchte-Tartelettes sind kunstvoll verziert.

Ein Hingucker: Die Früchte-Tartelettes sind kunstvoll verziert.

(Foto: Stephan Rumpf)

In der Münchner Boulangerie in der Bauerstraße kommen zwei Welten zusammen: Pariser Savoir-vivre und Schwabinger Bohème. Für echte französische Croissants steht man hier Schlange.

Von Thomas Jordan

Der ältere Herr schräg gegenüber macht es richtig. Einen schlichten Café noir hat er sich bestellt und dazu ein Croissant mit hausgemachter Marmelade. Daneben liegt seine Zeitung auf dem kleinen, quadratischen Kirschholztischchen. Er ist allerdings der Einzige, der es an diesem Morgen in der um Viertel nach neun gut besuchten Münchner Boulangerie schafft, sich auf die klassischen Bestandteile eines französischen Frühstücks zu beschränken.

Zu verlockend ist die Auswahl in der großen Glasvitrine rechts neben dem Eingang, die der Konditormeister Mario Enders jeden Morgen füllt. Französische Backkunst will immer auch ein optisches Erlebnis sein und Enders löst diesen Anspruch souverän ein: Drei verschiedene Eclair-Sorten gibt es, mit schwarzer und weißer Schokolade und mit Karamell gefüllt (2,70 Euro), daneben die etwas kräftigeren Früchte-Tartes (zum Beispiel Tarte aux Pommes, ein kleiner, runder Apfelkuchen für 2,90 Euro) und als Höhepunkt die kunstvoll verzierten, filigranen Früchte-Tartelettes wie die Tartelette au Citron (2,90 Euro), die mit hauchdünnem Schokostäbchen und Limonenstück daherkommt.

In der Münchner Boulangerie kann man all die süßen und herzhaften Sachen an der Theke mitnehmen oder an einem der fünf kleinen Kirschholztische im Cafébereich essen. An den Wänden hängen hier schwarz-weiß Ansichten von Paris, Sacre-Cœur, Notre-Dame und das Café de Flore, das Vorbild aller französischen Literatencafés, darunter. In das kleine braune Bücherregal hinten im Eck hat sich eine Goethe-Ausgabe verirrt.

Dazu läuft halblaut ein Pariser Radiosender, der aktuelle französische Chansonniers wie Alexis HK mit südamerikanischen Salsa-Klängen und amerikanischen Oldies mixt. Musik, die zum Publikum an diesem Morgen passt: Vier Freunde, Mitte Vierzig, genießen ihr Frühstück mit Prosecco-Glas in der Hand am Sechser-Tisch direkt am Schaufenster. Die Atmosphäre ist entspannt und gesetzt, viele lassen sich ein, zwei Stunden Zeit fürs Frühstück. Man ist hier schließlich mitten in Schwabing, wo Alt-OB Christian Ude seit Jahrzehnten seine Rechtsanwaltskanzlei hat und der Münchnerischste aller Regisseure, Helmut Dietl, bis vor wenigen Jahren durch die Straßen flanierte.

Der Blick auf die Frühstückskarte bestätigt den Gesamteindruck: Es ist die Schwabinger Version einer französischen Boulangerie, die Enders hier, wenige Meter vom Kurfürstenplatz entfernt, betreibt. "Das ist schon sehr deutsch", rutscht es einer Pariserin beim Frühstück "Louis de Funès" (9,90 Euro) heraus. Neben Mini-Croissants, zarten Briochette-Milchbrötchen, Rosinenbrötchen und knusprigen Baguette-Scheiben ist hier auch Salami und Butter dabei. Wer will, kann den Deftigkeitsgrad in der Bauerstraße noch deutlich steigern und sich kulinarisch weiter Richtung Norden und Osten bewegen.

So wie das italienische Pärchen am Nachbartisch: Sie haben sich an das Frühstück "Gérard Depardieu" (13,90 Euro) gewagt. Es fällt üppig aus. Auf drei Etagen geschichtet wird es serviert und als Spezialität ist darin neben Lachs, Meerrettich und Käse auch ein Schnapsglas Vodka mit inbegriffen. Der ist allerdings gerade aus, und der Chef, der hier selbst mit bedient, bietet dem Pärchen dafür einen Café au lait an, stilecht in der müslischüsselgroßen Kaffeetasse.

Gegen halb elf wird es richtig voll, an der Theke hat sich eine Schlange gebildet, viele kommen extra für ein, zwei frische Croissants oder ein Baguette. Alle fünf Tische im kleinen Café sind jetzt belegt. Die zwei jungen Bedienungen haben das Geschehen trotzdem locker im Griff, gut und schnell wird man bedient und nebenbei finden die beiden auch noch Zeit, Auskunft über die Backwaren zu geben: Nein, Franzose sei er nicht, der Chef, habe sich aber bei vielen Frankreich-Aufenthalten das französische Patisserie-Repertoire angeeignet.

Das abschließende Urteil der oben genannten Pariserin? Ziemlich positiv: Gute Qualität bekomme man hier, und die Boulangerie nähere sich dem französischen Original an. Dass man hier nicht in Paris, sondern in Schwabing ist, merkt man aber nochmal ganz deutlich um kurz nach zehn, wenn energischen Schrittes der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, die Münchner Boulangerie betritt.

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